Von Eisbach-Hype und Airport-Welle

Jahrelang waren sie Exoten, Repräsentanten des alternativen, coolen Münchens. Heute sind Eisbach-Surfer ein Sightseeing-Event und der Stolz der Stadt. Die Surfer selbst sehen diesen Hype mit gemischten Gefühlen.
von  AZ/dpa

München  – Die weltberühmte Eisbach-Welle an der Isar gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Münchens und wird heute in einem Atemzug genannt mit Oktoberfest, Marienplatz und dem Olympiastadion. Jahrelang bewegten sich die Surfer dort in einer Art Grauzone – so richtig verboten war das nicht ganz ungefährliche Wellenreiten im Englischen Garten nicht, so richtig erlaubt aber auch nicht. Vor rund einem Jahr dann fiel ein denkwürdiger Satz: „Das Surfen auf der Eisbachwelle ist nun auf eigene Gefahr erlaubt.“

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) ließ sich als „Retter der Eisbachwelle“ feiern, nach 30 Jahren Zank gab es endlich eine Lösung - der sogenannten Allgemeinverfügung sei dank. „Jetzt kann sich in München endlich ganz legal eine Surfkultur in der Stadtmitte entwickeln“, sagte Ude damals. Dass München heute stolz ist auf seinen Ruf als heimliche Surfhauptstadt, darauf wird jeder mit der Nase gestoßen, der in diesen Tagen am Flughafen ankommt. Dort – mitten zwischen den Terminals 1 und 2 – steht seit dieser Woche ein künstliches Surferparadies.

Surf & Style: Die "mobile Einbachwelle" am Flughafen

Das surfbegeisterte Münchner Ehepaar Susi und Rainer Klimaschewski – Architektin und Ingenieur – hat eine Surfanlage mit einer sogenannten stehenden Welle entwickelt. „Surf & Style“ nennt sich die Anlage, auf der an diesem Wochenende „die ersten Europameisterschaften im "stationary wave riding"“ stattfinden sollen - mit Surferprominenz vom Eisbach, aus ganz Deutschland und Europa. Rund 1000 Kubikmeter Wasser werden nach Veranstalterangaben von zehn Pumpen in Gang gebracht. Bis zum 28. August kann sich jeder Surf-Fan bei freiem Eintritt aufs Brett wagen und loslegen. Rund um die Surfstation gibt es Liegestühle, Palmen, Musik und eine Cocktailbar – eine kleine Urlaubsoase inmitten des Flughafen-Treibens. „Wir hatten immer den Traum von einer mobilen Eisbachwelle“, sagt Susi Klimaschewski.

Wie die "mobile Welle" am Flughafen funktioniert, erklärt die AZ Ihnen hier.

Für die Kosten wäre eine kleine Reihenhaushälfte drin gewesen – „aber kein Reihenhaus in München“, ergänzt Klimaschewski. Das Geld kam von einem finanzkräftigen Sponsor. „Es ist eine tolle Möglichkeit, Surfer zusammen zu bekommen“, sagt der Kanadier Jean-Louis St. Arneault, der mit einer Französin verheiratet ist und darum bei der EM antreten darf.

„München wird immer mehr zur Surfhauptstadt“, sagt Eisbach-Surfer Gerry Schlegel, der beim Wettkampf an diesem Wochenende zu den Favoriten zählt. Der selbstständige Informatiker ist seit 19 Jahren Eisbach-Surfer. „Das hier am Flughafen ist schon eine tolle Sache.“ Dass inzwischen Stadt und Sponsoren hinter dem surfenden München stehe, freue ihn. Den Surf-Kult um München sieht der 31-Jährige, der auch Protagonist im Erfolgsfilm „Keep Surfing“ war, allerdings auch kritisch. „Das wird immer mehr zur Riesensache“, sagt er etwas wehmütig. „Wenn Du eine Randsportart betreibst und die dann immer mehr Leute machen, dann nimmt man Dir das geschützte Kleine.“ Inzwischen kämen deutlich mehr Touristen zur Welle – von denen sich immer mehr auch selbst in die Fluten stürzen wollen. „Wir schimpfen dann immer, weil das ja auch nicht ganz ungefährlich ist – aber es ist eben für alle erlaubt.“

Eisbach-Surfen gehört längst zum Mainstream

Ein junger Darsteller aus dem Surf-Kultfilm, der vor allem „das anarchische Herz Münchens“ zeigen sollte, spielte im vergangenen Jahr nach Angaben der Zeitschrift „Mädchen“ sogar die Hauptrolle in einer Foto-Love-Story – vielleicht so etwas wie der letzte Beweis, dass das Eisbach-Surfen längst zum Mainstream gehört. Immer dann aber, wenn ein Trend zum Mainstream wird, leiden die besonders, die schon ganz früh auf den Zug aufgesprungen sind – die mit dem vielleicht „anarchischen Herzen“. Inzwischen werde fast überall auf dem Fluss gesurft, an der Welle träten sich die Surf-Touristen gegenseitig auf die Füße. „Das Maximum ist inzwischen erreicht“, sagt Schlegel. „Der Film war der erste Sargnagel.“ 

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