Volkshochschule München hat noble Außenstelle am Starnberger See – doch kaum jemand weiß es

70 Jahre schon gehört "Haus Buchenried" in Leoni der Münchner Volkshochschule. Von der Geschichte des Areals am Seeufer und seinen spannenden Bewohnern erzählt jetzt ein Buch – und für die neuen Kurse hat schon die Anmeldung begonnen.
Irene Kleber |
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Die "Weinmann-Villa" ist heute ein Teil von "Haus Buchenried" – das Hanggrundstück mit Strand gehört seit 1953 der Münchner Volkshochschule.
Bernd Wackerbauer 11 Die "Weinmann-Villa" ist heute ein Teil von "Haus Buchenried" – das Hanggrundstück mit Strand gehört seit 1953 der Münchner Volkshochschule.
Eine idealisierte Postkarte (um 1910) zeigt schräg über dem damals schlossartigen Seehotel Leoni die Villa Weinmann, die heute zum Seminarhaus "Buchenried" der Münchner Volkshochschule gehört. Vom Dampfersteg führte eine Seilbahn ganz hinauf zur Rottmannshöhe - die Trasse ist sogar noch erhalten.
Volk Verlag 11 Eine idealisierte Postkarte (um 1910) zeigt schräg über dem damals schlossartigen Seehotel Leoni die Villa Weinmann, die heute zum Seminarhaus "Buchenried" der Münchner Volkshochschule gehört. Vom Dampfersteg führte eine Seilbahn ganz hinauf zur Rottmannshöhe - die Trasse ist sogar noch erhalten.
1877 kauft der jüdische Papierfabrikant Louis Weinmann das Grundstück mit Ehefrau Julie. Die Familie bleibt 40 Jahre, macht die "Weinmann-Villa" zum Treffpunkt von Kreativen und Denkern, das zeigt ihr Gästebuch. Später ziehen die Ehepaare Weinreben und Wolff (bis 1933) ein.
Merck-Archiv 11 1877 kauft der jüdische Papierfabrikant Louis Weinmann das Grundstück mit Ehefrau Julie. Die Familie bleibt 40 Jahre, macht die "Weinmann-Villa" zum Treffpunkt von Kreativen und Denkern, das zeigt ihr Gästebuch. Später ziehen die Ehepaare Weinreben und Wolff (bis 1933) ein.
1883 zeichnet der Münchner Maler Edmund Harburger, der gern hier zu Gast ist, fürs Gästebuch Julie Weinmann vor ihrer Villa.
Stadtarchiv 11 1883 zeichnet der Münchner Maler Edmund Harburger, der gern hier zu Gast ist, fürs Gästebuch Julie Weinmann vor ihrer Villa.
1907 hinterlässt die Malerin, Dichterin und Frauenrechtlerin Marie Haushofer dieses Aquarell vom Salon im Weinmann-Gästebuch.
Stadtarchiv 11 1907 hinterlässt die Malerin, Dichterin und Frauenrechtlerin Marie Haushofer dieses Aquarell vom Salon im Weinmann-Gästebuch.
Das "Hackländer-Haus" am Seeufer in Leoni (1827 vom Münchner Baurat und Gründer der Starnberger Dampfschifffahrt Johann Ulrich Himbselerbaut) ist eine der ersten Villen am See. Benannt ist sie nach dem Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer, der ab 1868 hier lebt.
Stadtarchiv 11 Das "Hackländer-Haus" am Seeufer in Leoni (1827 vom Münchner Baurat und Gründer der Starnberger Dampfschifffahrt Johann Ulrich Himbselerbaut) ist eine der ersten Villen am See. Benannt ist sie nach dem Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer, der ab 1868 hier lebt.
Heute sieht das "Hackländer-Haus", das ebenfalls zum Seminarzentrum gehört, kaum verändert aus. Hier wohnt der Hausmeister und Gast-Dozenten.
Bernd Wackerbauer 11 Heute sieht das "Hackländer-Haus", das ebenfalls zum Seminarzentrum gehört, kaum verändert aus. Hier wohnt der Hausmeister und Gast-Dozenten.
Akademieleiter Christian Haager und Historikerin Ingvild Richardsen auf dem Steg, der zu "Haus Buchenried" gehört.
Bernd Wackerbauer 11 Akademieleiter Christian Haager und Historikerin Ingvild Richardsen auf dem Steg, der zu "Haus Buchenried" gehört.
Der Salon der "Villa Weinmann", wie er heute aussieht. Hier essen Seminarteilnehmer der MVHS. Oder bei schönem Wetter draußen auf der Terrasse.
Bernd Wackerbauer 11 Der Salon der "Villa Weinmann", wie er heute aussieht. Hier essen Seminarteilnehmer der MVHS. Oder bei schönem Wetter draußen auf der Terrasse.
Das Buch von Ingvild Richardsen erzählt auf 96 Seiten die Geschichte von "Haus Buchenried".
Stadtarchiv 11 Das Buch von Ingvild Richardsen erzählt auf 96 Seiten die Geschichte von "Haus Buchenried".
1912 zeichnet der Künstler Alfred Feiks diese Karikatur ins Gästebuch, "ein entzückender Sonntag Nachmittag in Leoni", schreibt er dazu.
Stadtarchiv 11 1912 zeichnet der Künstler Alfred Feiks diese Karikatur ins Gästebuch, "ein entzückender Sonntag Nachmittag in Leoni", schreibt er dazu.

München/Berg - Am Steg sitzen und kreativ Schreiben üben, nebenan am Kieselstrand Spanischvokabeln pauken oder oben am Hang, auf der Villenterrasse, über Wissenschaftsphilosophie oder die Meisterwerke der Renaissance debattieren.

Erstaunlich, dass längst nicht alle Stadtbewohner wissen, dass die Münchner Volkshochschule seit 1953 eine ganz zauberhafte Außenstelle am Starnberger See hat – am Ostufer in Leoni (Gemeinde Berg) nämlich, im Seminarzentrum "Haus Buchenried".

Münchner Volkshochschule am Starnberger See: Von Philosophie bis Karriere

Über 400 Wochen- und Wochenendseminare bietet die VHS übers Jahr auf dem 14 Hektar großen Hanggrundstück an, zu dem – nur durch einen kleinen Weg getrennt – auch ein Strandstück mit Steg gehört.

Es geht um Philosophie, Gesellschaftsthemen, Musik, Kunst, Sprachen, Karriere, und das allerschönste hier: Lernbegierige übernachten für recht kleines Geld im Seminarzentrum, Seeblick, Bademöglichkeit und kulinarische Versorgung inklusive, da kommen zum Lernspaß auch noch schönste Urlaubsgefühle dazu.

Akademieleiter Christian Haager und Historikerin Ingvild Richardsen auf dem Steg, der zu "Haus Buchenried" gehört.
Akademieleiter Christian Haager und Historikerin Ingvild Richardsen auf dem Steg, der zu "Haus Buchenried" gehört. © Bernd Wackerbauer

Die Geschichte des "Hauses Buchenried"

Es lohnt sich aber auch, sich in die recht spannende Geschichte des "Hauses Buchenried" zu vertiefen. Die Kulturhistorikerin Ingvild Richardsen hat dazu über Monate in Archiven geforscht und zum 70. Jubiläum jetzt die Broschüre "Haus Buchenried 1827 bis 1953" veröffentlicht.

Dabei beleuchtet sie ein Kapitel, über das bisher wenig bekannt war. Über ein halbes Jahrhundert, von 1877 bis 1933, hatte das heutige "Haus Buchenried", zu dem zwei historische Gebäude, die repräsentative "Weinmann-Villa" (am Hang) und das kleinere "Hackländer-Haus" (am Ufer) gehören, wechselnde Besitzer jüdischer Herkunft: Über 40 Jahre lebte die Familie des Papierfabrikanten Louis Weinmann und seiner Frau Julie dort.

Das Buch von Ingvild Richardsen erzählt auf 96 Seiten die Geschichte von "Haus Buchenried".
Das Buch von Ingvild Richardsen erzählt auf 96 Seiten die Geschichte von "Haus Buchenried". © Stadtarchiv

Das jüdische Erbe der "Villa Weinmann" und des "Hackländer-Hauses"

"In der Weinmann-Zeit hat sich hier ein unfassbar vielfältiges kulturelles Leben abgespielt", sagt Christian Haager, der Haus Buchenried seit 2014 als Akademieleiter führt. Durch Zufall hatte die Kulturhistorikerin auf der Fraueninsel das Gästebuch der "Villa Weinmann" gefunden, aus dem sich ablesen lässt, wie viele Künstlerinnen, Dichter, Philosophen, Schauspielerinnen und Unternehmer im "Salon" von Julie Weinmann am Starnberger See zu Gast gewesen sind. Männer und Frauen aller sozialer Schichten, die miteinander diskutiert haben, gemalt, gedichtet, musiziert, gefeiert.

Die Malerin Clara Porges gehörten dazu, die Frauenrechtlerin Marie Haushofer, die Maler Edmund Harburger und Alfred Feiks, die Schriftstellerin Erna Pariser, der Philosoph Max Scheler. Danach (1919-1927) bewohnten der Apotheker und Fabrikant Karl Weinreben und seine Frau Johanna die Villa, 1928 zogen der Verleger Kurt Wolff und seine Frau Elisabeth ein.

1877 kauft der jüdische Papierfabrikant Louis Weinmann das Grundstück mit Ehefrau Julie. Die Familie bleibt 40 Jahre, macht die "Weinmann-Villa" zum Treffpunkt von Kreativen und Denkern, das zeigt ihr Gästebuch. Später ziehen die Ehepaare Weinreben und Wolff (bis 1933) ein.
1877 kauft der jüdische Papierfabrikant Louis Weinmann das Grundstück mit Ehefrau Julie. Die Familie bleibt 40 Jahre, macht die "Weinmann-Villa" zum Treffpunkt von Kreativen und Denkern, das zeigt ihr Gästebuch. Später ziehen die Ehepaare Weinreben und Wolff (bis 1933) ein. © Merck-Archiv

VHS-Haus am Starnberger See: Verbindungen zum Nationalsozialismus

1933 aber hat diese Phase ein jähes Ende genommen. Die neuen Besitzer, der Dirigent Wilhelm Rolf Heger und seine Frau Emmi Kalla-Heger, hatten enge Kontakte zu führenden Nationalsozialisten, zeitweise wurde das Gelände an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt vermietet.

Richardsens Forschungsarbeit klärt aber auch, dass die letzten jüdischen Eigentümer nicht enteignet worden sind – aus den Quellen ergeben sich jedenfalls keine Hinweise darauf.

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"Haus Buchenried": Lernen in der alten Villa

Die "Weinmann-Villa" und das "Hackländer-Haus" stehen bis heute da. In den letzten Jahren ist die Villa durch einen Neubau erweitert worden, dazu kamen drei Gästehäuser – wodurch es nun 55 Zimmer (barrierefrei), acht Seminarräume und großzügige Aufenthaltsräume gibt.

Wer jetzt spontan Lust bekommt, mal hier draußen am Starnberger See etwas Neues zu lernen: Mittlerweile hat die Anmeldung für das Herbst-/Winterprogramm in Haus Buchenried begonnen – man muss schnell sein, die Kurse sind schnell ausgebucht.


Mehr Infos und Anmeldung: www.mvhs.de, Beratung: Tel: 089/ 48 006-6700, Mail: buchenried@mvhs.de

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3 Kommentare
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  • Gelegenheitsleserin am 31.07.2023 15:36 Uhr / Bewertung:

    "kaum jemand weiß es" - ???
    Jeder, der die Programme der MVHS halbwegs aufmerksam liest - und das werden wohl sehr viele Münchner*innen sein - , weiß von Haus Buchenried!

  • Karl-Eva am 31.07.2023 13:29 Uhr / Bewertung:

    Das war immer so und wird immer so bleiben: Wer genügend Menschen, die sich selbst nur Massenmenschhaltung leisten können, für sich arbeiten lässt, kann so privilegiert residieren wie die ehemaligen Besitzer des heutigen VHS-Anwesens. Daher geht auch das soziale Spaltmaterial nie aus - früher resultierte die KPD und die NSDAP daraus, heute Die Linke und die AfD.

  • Besserwisser111 am 02.08.2023 20:20 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Karl-Eva

    Unverschämt die NSDAP mit der AfD zu vergleichen

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