Visionen für die Sonnenstraße: Von der Verkehrsmeile zum Boulevard

München - Der Verkehr rauscht noch laut, irgendwo im Hinterkopf. Weit weg muss er sein. Denn man steht eigentlich auf einem großen Gehweg, zwischen Bäumen, zwischen Spaziergängern. Zumindest, wenn man seine Fantasie einschaltet und ignoriert, dass alles ein wenig wie ein Computerspiel aus den 90ern aussieht und man eine dicke, schwarze Brille auf hat.
Mit einer Virtual-Reality-Brille, also mit 3D-Bildern, will die Stadt zeigen, wie die Sonnenstraße und die Herzog-Wilhelm-Straße (das ist die Parallelstraße dahinter, die Sendlinger Tor und Fußgängerzone verbindet) aussehen könnten, wenn eine Vision Realität wird: Die Sonnenstraße wird zum Boulevard, wo Fußgänger Platz zum Flanieren haben. Und in der Herzog-Wilhelm-Straße fahren praktisch keine Autos mehr. Fast die gesamte Fläche ist ein Park mit einem Bach in der Mitte.

VR-Brillen sind Teil einer Werbe-Strategie der Stadt
Die VR-Brillen sind Teil einer Werbe-Strategie der Stadt: Denn während die einen über mehr Grün jubeln, fragen sich andere bei diesem Stichwort, wie sie ihr Geschäft beliefern oder zu ihrer Wohnung kommen sollen. Das Planungsreferat lädt deshalb in den nächsten Wochen Kommunalpolitiker, Händler und Anwohner ein, mit den VR-Brillen die Sonnenstraße und die Herzog-Wilhelm-Straße zu erkunden.
Das Ganze klingt modern, allerdings ist das Ziel eigentlich, die beiden Straßen in einen historischen Zustand zurückzuversetzen: Denn bevor Hitler aus der Sonnenstraße eine breite Aufmarschstraße machen ließ, konnte man dort tatsächlich unter Bäumen schlendern. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand die Sonnenstraße als "Allee mit über 200 Pappeln, Ahorn und Linden. Beim Stachus gab es sogar einen Kinderspielplatz und Rasenflächen, wo Vieh weidete.

In der Mitte soll zwischen Bäumen die Tram fahren
Kühe sollen auf der Sonnenstraße nicht grasen. Die Idee der Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard unterteilt die Sonnenstraße in zwei Bereiche: Auf der westlichen Seite Richtung Hauptbahnhof sind eine extra Busspur, Autospuren, Rad- und Fußgängerwege geplant. In der Mitte soll zwischen Bäumen die Tram fahren. Auf der östlichen Seite, (also da, wo der Stachus liegt) ist ein grüner Boulevard angedacht: Beete, Bäume, Freischankflächen, Platz zum Schlendern.
Auch die Herzog-Wilhelm-Straße soll mehr so werden, wie sie vor über 100 Jahren aussah. Im Mittelalter verlief dort die Stadtmauer, vor dem Wall lag in vier Metern Tiefe ein Bach. Um 1900 wurde er unter die Erde verlegt. Heute befindet sich dort zwar noch ein kleiner Park, doch der ist so von Autos umgeben, dass man ihn sich kaum für ein Picknick aussuchen würde.
Der Großteil soll verschwinden. Ziel von Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) ist, dass am Ende nur noch der Lieferverkehr und die Anwohner, bei denen es nicht anders geht, in der Straße mit dem Auto fahren. Bis Ende dieses Jahrzehnts könnten beide Projekte fertig sein, hofft Merk. Aber schon nächstes Jahr könnten die Münchner Veränderungen sehen. Merk will in der Sonnenstraße erste Versuche starten und zum Beispiel Teile der Straße etwa an den Wochenenden für Autos sperren und den Fußgängern mehr Platz geben.