"Central Park" in München: Grünstreifen gegen Hitzekollaps

München - Martin Hänsel hatte vor anderthalb Jahren einen Schlüsselmoment. Der begeisterte Radler und Vize-Chef des bayerischen Bund Naturschutz stellte fest, dass die Sonnenstraße teils menschenfeindlich ist, mit bis zu fünf Fahrstreifen für Autos, Lärm und mit den teils sehr schmalen Radlstreifen.
Hinzu kam, dass seine Nachbarn von ihrer Angst erzählten. "Die Tochter des Paares geht in die Grundschule. Und obwohl sie bereits recht gut radeln kann, lassen sie sie nicht alleine fahren, aus Angst vor der Sonnenstraße", sagt Hänsel immer noch fassungslos.

Sonnenstraße: Keine Sitzgelegenheiten, wenig Schatten
Zudem stellte er fest, dass seine eigenen Eltern die Sonnenstraße meiden. "Keine Sitzgelegenheiten, wenig Schatten. Da ist es doch klar, dass sich Senioren nicht mehr auf so eine Straße trauen", sagt Hänsel. Und der Gedanke, dass die Aufteilung der Sonnenstraße vor allem Eltern mit Kindern sowie Senioren von diesem Teil der Stadt fernhalte, verstärkte sich bei Hänsel immer mehr.
Also machte sich Hänsel Gedanken. Der letzte Motivationsschub, den er brauchte, um eine neue Idee für die Gestaltung der Sonnenstraße anzustoßen, war eine Klimaprognose. Gemeinsam mit seiner Kollegin Katharina Horn vom BUND stellte er gestern diese verstörende Vorausschau vor, im vierten Stock der Sonnenstraße 21a.
Klimaanalyse: Bald 38 Grad im Münchner Sommer?
Die TU München hatte eine Stadtklimaanalyse verfasst, zwischen 2016 und 2018. Demnach gab es bereits damals Sommertage, an denen auf der Sonnenstraße bis zu 38 Grad Celsius gemessen wurden. "Und die Prognose dieser Studie lautet: Würde man nichts ändern, könnte diese Maximaltemperatur an künftigen Sommertagen sogar um acht Grad steigen", sagt Horn.
Das liege vor allem an den fehlenden, zusammenhängenden Grünflächen zwischen dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus und dem Sendlinger Tor. "Wir können ja nicht auf einer so breiten Fläche wie der Sonnenstraße anfangen, Bettlaken von Dach zu Dach zu spannen, wie in Sevilla", sagt sie. Dort sei das eine gängige Methode, um den Menschen bei starker Hitze Schatten zu spenden.

Mit diesem ganzen Hintergrund beauftragte der BUND daher den Hamburger Künstler und Verkehrswendeaktivisten Jan Kamensky. Er entwarf im vergangenen Jahr diese Vision eines "Munich Central Parks", also eines Innenstadtparks zwischen Sendlinger Tor und Brienner Straße. Landschaftsplaner überprüften laut BUND die Idee auf ihre Realisierbarkeit.
Kern der Vision wäre ein neu gestalteter Mittelstreifen der Sonnenstraße. Hier wären keine Tramgleise mehr. Sie würden auf die Seite wandern. Stattdessen stünden hier etwa 500 bis 700 Bäume extra, die Schatten spenden und zum Flanieren einladen. Spielplätze und Sitzgelegenheiten gäbe es auch.
Üppige Radlstreifen, spielende Kinder
Die bis zu fünfspurige Fahrbahn würde auf jeweils eine Spur reduziert werden. Radlstreifen (auf dem Hauptfoto rot) bekämen dafür üppig Raum. "Man könnte sogar ein drittes Tramgleis verlegen, um den Nahverkehr zu stärken", sagt Hänsel. Bis zu 30 Meter breit wäre dann der Grünstreifen, auf dem Kinder spielen und Senioren flanieren.

Ob man Sorge vor dem Kollaps des Autoverkehrs und vor Megastaus habe? "Schon jetzt ist der Verkehr auf bis zu zwei Streifen reduziert, wegen der Baustelle am Sendlinger Tor", sagt Horn. Und das funktioniere auch. Aber klar sei, so Hänsel, "dass eine derartige Umgestaltung all diejenigen treffen würde, die nicht zwingend auf das Auto angewiesen sind."
Taxis, Lieferverkehr, Einsatzfahrzeuge, sowie Menschen mit Handicap oder ohne Alternative könnten natürlich weiterhin auf der Sonnenstraße das eigene Auto nutzen.
