Verzweifelte Mieter: Unsere letzte Hoffnung ist der OB

13. Münchner Mieterstammtisch: Besucher tauschen sich im Substanz aus über "toxische Mieten" – und machen ihr Wohn-Problem öffentlich.
München - Wegen Corona kam weniger als die Hälfte der üblichen Besucher zum Münchner Mieterstammtisch. Die offene Plattform zur Vernetzung und zum Austausch bei Miet-Problemen fand am Dienstag zum 13. Mal statt: Rund 40 Mieter treffen sich im Substanz in der Ruppertstraße.
"Heute ist die Bude nicht überfüllt. Mir gefällt es hier. Die Kneipe ist nicht protzig und das spiegelt uns wieder", sagt Simone Hoffmann (44). Die Münchnerin lebt in einer Sozialwohnung in Schwabing-West und ist zum sechsten Mal beim Mieterstammtisch. "Mich interessieren die Geschichten der anderen Mieter, außerdem will ich mich wehren", sagt sie.
Preisexplosion bei Sozialwohnungen
Mit ihrem Lebensgefährten und ihrem 16-jährigen Sohn wohnt sie seit zwölf Jahren auf 73 Quadratmetern – in einer der 104 Sozialwohnungen in der Adams-Lehmann-Straße 83-95. Das Problem: Die zumutbare Sozialmiete sollte hier bei sechs bis acht Euro pro Quadratmeter liegen, meint sie.
Doch die Medizinische Fachangestellte zahlt fast 50 Prozent mehr als andere Sozialmieter in München. Früher gehörte ihre Wohnung der Landesbank-Tochter GBW, heute einer Firma, die zur Patrizia gehört – und die hat in den letzten Jahren die Mieten kräftig erhöht. "Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich neun Euro pro Quadratmeter zahle, wie andere Bewohner geförderter Wohnungen oder 14 Euro. Ich finde es asozial, dass bei uns die Preise explodiert sind. Wohnen ist ein Grundrecht. Mit der Existenz darf keine Spekulation gemacht werden", sagt die Frau.
"Toxische Mietpreise" dank politischer Fehler
Durch einen "politischen Fehler", sagt ihr Anwalt Michael Löffler, würden am Ackermannbogen "toxische Mietpreise" verlangt: "Meine Mandanten wohnen in sozial geförderten Wohnungen und können die Mieten nicht mehr bezahlen", kritisiert der Rechtsanwalt, der in diesem Fall ehrenamtlich für die Mieter tätig ist.

Der Fehler liegt darin, dass in dieser geförderten Wohnanlage die längste Zeit die Miete alle drei Jahre um 15 Prozent erhöht wurde. Die Sozialwohnungen wurden fälschlicherweise wie frei finanzierte behandelt. Inzwischen steigen die Mieten weiter. Und die Mietergemeinschaft von 60 Familien, die sich regelmäßig treffen, möchte, dass der Fehler rückwirkend rückgängig gemacht wird.
Bürgermeister Reiter als letzte Hoffnung
"Mit den Grünen und den Linken fordern wir ein Rechtsgutachten, das prüft, ob das Förderziel bei uns erfüllt wurde", sagt Hoffmann. Rechtsanwalt Michael Löffler hat OB Dieter Reiter (SPD) letzte Woche schriftlich zu dieser Prüfung aufgefordert. Hoffmann hofft auf finanzielle Entlastung: "Sonst muss ich ausziehen. Ich habe jahrelang keinen Urlaub gemacht. Die Miete frisst zu viel von unserem Geld. Unsere letzte Hoffnung ist der OB!"
Mit der Frage "Wem gehört die Stadt?" hat der Bayerische Rundfunk mit dem Recherchezentrum "Correctiv" die Münchner im Februar aufgerufen, Informationen zu ihrer Wohnsituation zu übermitteln – um den Wohnungsmarkt transparenter zu machen.
In München haben knapp unter 1.000 Bürger geantwortet. Beim Mieterstammtisch geben zwei BR-Journalisten einen Zwischenbericht zur Analyse der Eigentumsverhältnisse in der Stadt: "In München ist der Mark anders als in Berlin. München gehört den Reichen, das zeigt sich klar. Oft verbergen sie sich hinter Gesellschaften und hinter Anwälten," sagt Josef Streule vom BR. München gilt als teuerstes Pflaster Deutschlands. Stammtisch-Organisator Tilmann Schaich ist gespannt auf die Ergebnisse.
Lesen Sie auch: Münchner CSU will Wohnungen über Olympia-Parkharfe bauen