Verschuldung in München: Dieses Viertel ist besonders betroffen
München - Miese auf der Bank und anderswo – das kann schnell passieren. Die massive Inflation, Konsumverlockungen, Lust auf Statussymbole und auch die neu erwachte Reiselust nach Corona gehen ins Geld. Kommen dann noch Krankheit, Sucht, Jobverlust, Scheidung oder eine gescheiterte Selbstständigkeit dazu, kann es finanziell schnell zappenduster aussehen.
Verschuldung in München: Lage so erdrückend, dass eine Privatinsolvenz droht
Das Minus kann dann so groß werden, dass man über mehrere Monate nicht mehr pünktlich (oder gar nicht mehr) bezahlen kann. Im Fachjargon heißt das dann "Überschuldung".

In genau einer solchen Lage waren letzten Herbst 94.036 Münchnerinnen und Münchner, das sind 7,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Die Zahl ist zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder angestiegen (plus 3674 Menschen). Für mehr als die Hälfte davon, nämlich 51.659 Menschen, ist die Lage so erdrückend, dass sie mit Gerichtsvollziehern, Pfändungen oder Privatinsolvenzen kämpfen.
Im Schnitt haben diese Menschen 31.300 Euro Schulden, die sie nicht mehr abstottern können – bei einem mittleren Einkommen. Bei jungen Menschen ist diese Summe im Schnitt niedriger, bei vielen Senioren deutlich höher. Die Zahlen hat am Dienstag das Inkassounternehmen Creditreform München mit seinem neuen "Schuldneratlas München 2024" vorgelegt.
Schuldneratlas München: "Vorsatz, nur auszugeben, was vorhanden ist, nicht beherzigt"
Am meisten angestiegen sei die Zahl der Betroffenen, die zuvor noch gerade so ihre Rechnungen zahlen konnten: "Sie leiden zunehmend daran, dass alles teurer wird", sagt Creditreform-Geschäftsführer Philipp Ganzmüller zur AZ.
"Wir sehen nach zwei Jahren Rezession aber auch in München immer mehr Fälle von Jobverlust, der in die Krise stürzt." Es beutelt zunehmend auch die, die mit zu lockerer Hand Geld ausgeben: "Der Vorsatz, nur das auszugeben, das tatsächlich vorhanden ist, wird offenbar nicht immer beherzigt."

Auch Reiche haben Schulden
Das Schuldenproblem trifft in München (anders als bundesweit) nicht zuvorderst die Geringverdiener-Bevölkerung. Ein Viertel der Betroffenen findet sich unter Vermögenden wie Immobilienbesitzern, Erben – oder Kindern reicher Eltern.
"Sie sind von zu Hause einen Lebensstandard gewöhnt, den sie sich nicht mehr leisten können, wenn sie dann auf eigenen Beinen stehen sollen", sagt Ganzmüller. Ein weiteres Viertel betrifft Münchens Mittelschicht.

Warum Männer doppelt so häufig verschuldet sind wie Frauen
Im Schnitt sind, wie in den vergangenen Jahren auch, etwa doppelt so viele Männer überschuldet wie Frauen. Betroffen ist aktuell fast jeder zehnte männliche Einwohner. Ganzmüller: "Das liegt daran, dass Männer öfter finanziell die Hauptlast in einer Familie tragen, vor allem in migrantischen Familien. Und dass sie oft auch risikofreudiger mit Geld umgehen."
Wenn Frauen hohe Schulden haben, seien sie "in aller Regel alleinerziehend". Verschärft habe sich das Schuldenproblem bei jungen Erwachsenen unter 30: Ihre Schuldnerquote ist in nur einem Jahr von 4,6 auf 6,1 Prozent gestiegen. Im Schnitt am höchsten verschuldet sind aber die Münchner von 40 bis 49 Jahren.

Am schlimmsten betroffen: Die Einwohner im Viertel Am Hart
Und wie sieht es in den Münchner Stadtvierteln aus? Creditreform hat München in 47 Viertel aufgeteilt und dort einzeln Zahlen ausgewertet. In 36 dieser Viertel ist demnach die Quote der überschuldeten Bewohner gestiegen, nur in zehn Vierteln ist diese Quote gesunken.
Überdurchschnittlich viele Bewohnerinnen und Bewohner sind demnach im (durch ein Arbeitermilieu geprägtes) Viertel Am Hart im Münchner Norden überschuldet – nämlich 12,3 Prozent der Menschen, die dort leben (auf der Karte oben rot eingezeichnet). Hier habe es München-weit im letzten Jahr auch den höchsten Anstieg an Überschuldeten gegeben.

Warum auch die Altstadt ein Schulden-Brennpunkt ist
Ebenfalls stark betroffen ist die Altstadt (Schuldnerquote: 11,73 Prozent). Dort leben – neben Gutverdienern – traditionell ältere Münchnerinnen und Münchner mit sehr schmaler Rente. "Hier sind zuletzt offenbar auch etliche Selbstständige mit Firmen gescheitert. Dazu kommen mehrere karitative Einrichtungen, in denen Menschen ohne oder mit sehr geringem Einkommen gemeldet sind", erklärt Ganzmüller.
Auch in den Vierteln Ramersdorf (orange eingefärbt), Riem und Milbertshofen (hellorange) ist die Lage nicht gut. Wie auch in der Ludwigsvorstadt rund ums Bahnhofsviertel. "Hier leben einige Großfamilien auf zu engem Raum und geraten irgendwann in finanzielle Probleme", erklärt der Schulden-Experte. In der Altstadt immerhin aber habe sich die hohe Quote zuletzt verringert (seit 2020 um drei Prozent).
"Schulden sind eher ein urbanes Problem"
Am wenigsten Schuldenprobleme haben die Einwohner im eher ländlichen Viertel Daglfing im Münchner Osten (nur vier Prozent aller Daglfinger sind überschuldet). Hier sei die Quote zuletzt noch weiter gesunken, genau wie im feinen Bogenhausen und im eher dörflichen Aubing weit im Westen. "Hier zeigt sich, dass hohe Schulden eher ein urbanes Problem sind als eines im ländlichen Raum", so Ganzmüller.
Seine Prognose fürs laufende Jahr ist leider keine gute Nachricht: "Die Rezession macht es sehr wahrscheinlich, dass die Zahlen erst mal noch weiter ansteigen."