Urteil des Amtsgericht München: Gesundheit über Eigenbedarf
Für das Studium ihrer Tochter hatte ein Paar eine Wohnung in München gekauft. Doch die Mieterin wehrte sich gegen die Eigenbedarfskündigung und bekam Recht.
München - Die Familie hatte sich das so schön vorgestellt: Als Studentenbude für die 21-jährige Tochter kaufte ein Ehepaar aus Niederbayern eine Ein-Zimmer-Wohnung in Langwied. Zum Wintersemester 2017 sollte die 21-Jährige ihr Studium beginnen. Der Mieterin wurde daher im Oktober 2016 zum 31. Juli 2017 gekündigt. Doch der Traum von der eigenen Studentenbude platzte. Die Mieterin (52) weigerte sich auszuziehen. Der Fall ging vor Gericht.
Die 52-Jährige führt als Begründung an, dass sie unter einer verfestigten depressiven Störung sowie einer Angststörung leide. Der Verlust von Wohnung und gewohnter Umgebung würde zu einer akuten weiteren Verschlechterung ihrer Erkrankungen führen. Am Eigenbedarf der Vermieter hat das Gericht keine Zweifel. Zumal die Tochter der Kläger in ihrer Zeugenaussage erklärt, dass sie schon vor dem Abitur ihr späteres Studium in München ernsthaft geplant habe.
Wohnung als Schutzraum
Doch die gesundheitliche Problematik der Mieterin wiegt am Ende für das Gericht schwerer. Die beklagte Mieterin gibt nämlich vor Gericht an, seit ihrer Jugend an psychischen Problemen zu leiden und sich bereits vielfach erfolglos um eine Ersatzwohnung bemüht zu haben.
Ihr langjähriger Psychiater bestätigt, dass seiner Patientin die Aussicht, ihren Schutzraum – ihre Wohnung und die gewohnte Umgebung – verlassen zu müssen, als existenzielle Bedrohung wahrnehme. Ein Umzug würde ihren Zustand verschlechtern.
Richterin entscheidet pro Mieterin
Trotz Eigenbedarf: "Die Mieterin ist räumungsunfähig", erklärt daher die Richterin. Eine Räumungsunfähigkeit liegt unter anderem dann vor, "wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert würden". Da reicht schon die ernsthafte Gefahr einer gesundheitlichen Verschlechterung.
Ein aus Sicht des Gerichts entscheidender Unterschied: Die Tochter der Kläger habe als gesunder Mensch vielfältige Möglichkeiten, die psychisch kranke Mieterin nicht. Den Mieterverein freut’s: "Wir hoffen, dass sich die Rechtsprechung in diese Richtung bewegt", sagt Geschäftsführer Volker Rastätter.
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