Unternehmensgeschichte: Eine Bibel für die Stadtwerke
Gas, Wasser, Strom – oder zumindest mal eine Fahrt mit der Tram. So gut wie jeder Münchner ist Kunde bei den Stadtwerken. Über die Geschichte des städtischen Unternehmens wusste man bislang trotzdem wenig. Nicht einmal das Gründungsdatum konnte man so genau bestimmen. Doch diese Zeiten sind nun vorbei.
Buch: NetzWerke – Die Geschichte der Stadtwerke München, 20 €
Die Stadtwerke haben zwei renommierte Historiker damit beauftragt, die Geschichte des Versorgungs-Riesen zu recherchieren. Die Ergebnisse liegen nun in Form eines 400 Seiten dicken Wälzers vor.
Von den Anfängen der Gasbeleuchtung über den U-Bahnbau bis hin zum Ausstieg aus der Atomkraft – alles ist in dem Buch dokumentiert. Sogar ein formales Gründungsdatum steht nun fest: Es ist der 1. April 1939. Und auch ansonsten haben die Forscher einige Skurrilitäten zutage gefördert. Die AZ fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Gaslaternen anzuschalten – das war in den frühen Jahren noch ein ziemlich aufwendiges Geschäft. Foto: Stadtwerke München
Die frühen Jahre: Als München noch ein richtiges Dreckloch war
Schon lange vor der formalen Gründung der Stadtwerke kümmerte sich die Stadt um die Versorgung ihrer Bürger – das allerdings nicht immer mit dem allergrößten Erfolg.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war München als eine der dreckigsten Städte in ganz Europa verschrieen. Alles, was die Bewohner loswerden wollten, kippten sie einfach in die Stadtbäche. In der Folge wurde die Stadt immer wieder von Seuchen heimgesucht, Cholera und Typhus. Beamte wehrten sich deshalb gegen eine Versetzung nach München, an der LMU wollten sich keine Studenten mehr einschreiben. In der USA gaben die Behörden sogar eine Reisewarnung für München heraus.
Auch in anderen Bereichen war München zu dieser Zeit eher rückständig. Während in Berlin, Nürnberg oder Augsburg dank des industriellen Fortschritts schon die Gaslaternen leuchteten, pflegte man in München noch seinen Nimbus als Residenzstadt. Mit Industrie wollte man hier vom Selbstverständnis her nichts zu tun haben.
Das alles änderte sich nur langsam. Um das Problem mit dem Dreckwasser in den Griff zu bekommen, bezog München von 1883 an sein Trinkwasser aus dem Mangfalltal. Ein richtiger Modernisierungsschub setzte aber erst Jahre später unter dem zu Unrecht ziemlich unbekannten Bürgermeister Wilhelm von Borscht ein.
Französische Kriegsgefangene beim Gleisbau. Foto: Stadtwerke München
Die Stadtwerke im Dritten Reich: Das dunkelste Kapitel der Firmengeschichte
Als kommunaler Betrieb waren die Stadtwerke schon immer dem Einfluss lokaler Parteigrößen ausgesetzt – und so konnte sich das Unternehmen auch dem Zugriff der Nazis kaum entziehen. Im Dritten Reich durften Juden die städtischen Bäder nicht betreten und auch nicht mit der Trambahn fahren. Es ist das mit Abstand dunkelste Kapitel in der langen Unternehmensgeschichte.
Anders als vielfach behauptet, wirkten die Nazis auch nicht als Motor der Stadtentwicklung. Im Gegenteil: Der Ausbau des Tram-Netzes stagnierte. Wenn irgendwo gebuddelt wurde, dann nur, weil französische oder russische Kriegsgefangene dazu verdonnert worden waren.
In München gab es zu der Zeit aber ohnehin nur noch wenige Trambahnen. In den Straßen waren fast nur noch Züge unterwegs, die die Nazis bei Raubzügen in Polen und Italien erbeutet hatten – in München vor allem welche aus Rom und Mailand.
Wenig hilfreich war es da, dass die Bahnen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auch als Sperre auf den Isarbrücken benutzt wurden. Für die Panzer der Alliierten war das eine Fingerübung – und München hatte noch ein paar Trambahnen weniger.
Die Neuzeit: Wenn der Betriebsarzt Schlagzeilen macht
Die vergangenen 50 Jahren waren für die Stadtwerke geprägt durch zahlreiche Herausforderungen: Die Stadt wuchs – und damit auch das Anschlussgebiet. Es gab neue Techniken wie die Kraft-Wärme-Kopplung. Dazu kam die Ölkrise in den 70er – und schließlich die Liberalisierung des Energiemarktes in den 90er Jahren, nach der die Stadtwerke aufpassen mussten, dass sie von der großen Konkurrenz nicht einfach geschluckt werden.
Thomas Wimmer weiht 1963 die Tram-Linie 8 zum Harthof ein. Foto: Stadtwerke München
Es war die Phase des großen Unternehmensumbaus – aber auch die Phase der Skurrilitäten. So machte etwa der Betriebsarzt der Stadtwerke 1978 bundesweit Schlagzeilen, als er den Elektrizitätswerken untersagte, weibliche Lehrlinge für technische Berufe aufzunehmen. Sein Einwand: Frauen hätten dafür einfach zu kurze Arme, Beine und Daumen.
Dickes Rohr ins Mangfalltal: Stollendurchstich bei Thalham. Foto: Stadtwerke München
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