Unerhört leicht: „Gravity & Other Myths“ auf dem Tollwood

Die australische Compagnie „Gravity & Other Myths“ auf dem Tollwood-Festival
von  Michael Stadler
Gravity & Other Myths - ein Eleganter Menschenhaufen.
Gravity & Other Myths - ein Eleganter Menschenhaufen. © Steve Ullathorne

Die australische Compagnie „Gravity & Other Myths“ auf dem Tollwood-Festival.

München - Wie schön das ist, wenn man sich dem anderen hingeben kann. Die Vertrauensübung schlechthin, sie bekommt man im Theaterzelt des Tollwoods vorgeführt, in einem solchen rasanten Tempo, das man mit dem Auge kaum mitkommt: Sieben Artisten, zwei weiblich, fünf männlich, wuseln auf der reduzierten Spielfläche einer grauen Matte herum, rufen spontan „Falling!“ oder „Catch me!“. Und lassen sich fallen, auf die Schnelligkeit der anderen zählend - zu Recht, da hier jeder aufgefangen wird. Beneidenswert. Wie oft sind wir Normalos schon auf den Boden (der Tatsachen) geknallt.

Es hat was Leichtes, Sorgenbefreites, was die australische Compagnie „Gravity & Other Myths“ da im Zelt vorführt. Diese scheinbare Unbeschwertheit liegt ja auch schon in dem Namen der Truppe, die in ihrer Show „A Simple Space“ der Gravitationskraft unermüdlich trotzt, sie wahrlich als Mythos erscheinen lässt.

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Gerade die Frauenkörper werden in die Höhe gestemmt, durch die Luft gewirbelt, fließend von Hand zu Hand gereicht. Und ja, auch so ein Gesicht kann einiges an Gewicht (er)tragen.

Zum Showprinzip der im Beach-Look auftretenden, hochfliegenden Down-Under-Akrobaten gehört das gegenseitige Sich-Messen, ein fröhlich ausgetragener Wettbewerb, bei dem auch die Verlierer ihren Applaus bekommen. So legen drei Männer - unter ihnen ein Musiker, der sonst an einem Drumset plus Synthesizer den anspornenden Drive gibt - ein paar Runden im Striptease-Seilspringen hin. Wer sich beim Turbo-Dauerhüpfen als Erstes im Seil verheddert, muss ein Kleidungsstück ablegen. Bis bei einem die Shorts fallen. Wobei sie gewitzt kein Schamgefühl aufkommen lassen.

Der neue Zirkus zeigt sich mit „Gravity & Other Myths“ herzlich publikumsnah, weit von allem Pompösen entfernt, obwohl die leger daherkommenden Nummern absolut zum Spektakel taugen. Die Pyramiden, die sie bauen, erfordern sicherlich ein Höchstmaß an Kraft und Körperbeherrschung. Inmitten des Trubels, bei dem die Zuschauer auch mal bunte Bälle auf die Handständler werfen dürfen, halten sie lange die Balance und fangen immer wieder mit Seitenblicken ihr Publikum ein.

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Mehr Spaß geht nicht, geturnt wird sogar im Hirn: Einer macht auf der kurzen vertikalen Stange einen Kopfstand und zwirbelt an einem durcheinander gemixten Rubik-Würfel herum, bis alle sechs Farbflächen wieder einheitlich sind. Alles easy. So darf man sich eine Stunde lang fallen lassen, wird aufgefangen, während jenseits des Zelts die Schwerkraft der Trink- und Fressbuden lauernd wartet.

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