Wie die Deutsche Bahn am Bahnhof Bichl Störche schützen will

Zwei Vogelpaare haben ihr Zuhause am Bahnhof in Bichl. Bei der dort vorbeiführenden Kochelseebahn müssen jedoch die Leitungen erneuert werden. Um die streng geschützten Tiere nicht zu vertreiben, ergreift die Deutsche Bahn besondere Maßnahmen.
Maximilian Neumair |
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Auf der linken Seite in Fahrtrichtung Kochel wohnt ein Weißstörchepaar. Dort sollen neue Masten aufgestellt werden, das Zuhause der Störche bleibt jedoch unberührt.
Auf der linken Seite in Fahrtrichtung Kochel wohnt ein Weißstörchepaar. Dort sollen neue Masten aufgestellt werden, das Zuhause der Störche bleibt jedoch unberührt. © Maximilian Neumair

Bichl - Der Weißstorch spannt seine fast zwei Meter breiten Flügel, als würde er sich gerade nach einem kleinen Nickerchen strecken. Hoch oben hockt er oder sie im Nest am Bahnhof in Bichl – das sich vermutlich schon seit mehreren Generationen in Familienbesitz befindet.

Eigentlich wohnt dort ein Pärchen, allerdings ist nur einer zu sehen. Vielleicht macht er ja Homeoffice und ist deshalb zu Hause. Ein paar Hundert Meter weiter wohnen die Nachbarn. Ebenfalls ein Pärchen.

Störche am Bahnhof Bichl schützen: Das plant die Deutsche Bahn

An den mitten durch ihre Nachbarschaft fahrenden Regionalzügen stören sich die Tiere offenbar nicht. Damit das auch so bleibt, werden für die Umbauarbeiten an den Oberleitungen entlang der Kochelseebahn besondere Maßnahmen ergriffen.

Kürzlich haben der zuständige DB-Projektleiter Michael Kunze sowie die Umweltingenieure Eva Lutz und Matthias Galm ihren Plan vorgestellt, um die Störche am Bahnhof Bichl (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) nicht zu vergraulen.

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Die gelten EU-weit als geschützt, wodurch sie in Deutschland unter den strengen Artenschutz fallen. Weißstörche sind auf Feuchtwiesen und Talauen angewiesen. Die werden jedoch für Baumaßnahmen trockengelegt oder für intensive Landnutzung in Felder umgewandelt. Dadurch werden die weißen Langbeiner immer seltener.

"Eine bloße Störung während sensibler Phasen wie der Brutzeit ist schon verboten", sagt Lutz. Und so eine Baustelle ist schließlich eine gewaltige Störung. Deshalb begännen die Bauarbeiten auch erst Ende August, sagt Kunze. Denn die Brutzeit erstreckt sich von Anfang April bis Anfang August.

Umweltingenieurin Lutz: "Die Vögel sind hier nicht so störungsempfindlich"

Laut den Umweltingenieuren fliegen die Langstreckenzieher jedoch nicht in den Süden, sondern verbringen aufgrund des wärmeren Klimas auch gerne mal den Winter zuhause. Bis Anfang Dezember sollen DB-Projektleiter Kunze zufolge die Bauarbeiten in Bichl jedoch wieder abgeschlossen sein.

Bis dahin müssen die Störche den Krach aushalten. "Die Vögel sind hier nicht so störungsempfindlich", wirft Lutz ein. Darauf deuten zumindest die Nester direkt am Bahngleis hin.

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Ein Verschieben der Masten würde die Störche vermutlich für immer vertreiben

Neben der Vermeidung "lärmintensiver Baumaßnahmen" während der Brutzeit werden aber auch einige technische Veränderungen vorgenommen, um die Vögel zu schützen.

Damit diese etwa keinen elektrischen Schlag abbekommen, werden längere Keramikisolationen bei den neuen Anlagen verwendet. Außerdem sollen die neuen Mastschalter so aufgestellt werden, dass die Vögel sich beim Spannen ihrer Flügel nicht verletzen. Die alten Masten, auf denen die Nester stehen, bleiben hingegen unberührt. Schon ein minimales Verschieben würde die Störche wahrscheinlich für immer vertreiben, warnt Galm.

Immer wieder verunglücken Störche an den Oberleitungen 

Damit diese nicht gegen freihängende Leitungen fliegen, werden sogenannte Vogelmarker, auch bekannt als Vogelfahnen, alle 20 Meter angebracht. "Das sind quadratische, schwarz-weiße Kunststoffplatten, die beweglich sind, damit die Vögel auf sie möglichst aufmerksam werden", so Lutz. Leider seien in der Vergangenheit immer wieder Störche an den Oberleitungen verunglückt.

Die besondere Rücksicht auf die Störche und die dafür ergriffenen Schutzmaßnahmen sichern ihren gesamten Lebensraum: Dazu gehören zum Beispiel Frösche, Libellen, Schmetterlinge und für Feldwiesen typische Orchideenarten.

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Für einige Tierarten werden sogar eigene Schutzmaßnahmen ergriffen. So stellen die Umweltschützer für die Zauneidechse und die Schlingnatter 20 Überwinterungsplätze auf.

Dabei handelt es sich um 15 bis 20 Quadratmeter große Haufen aus Kies, Sand und Totholz, damit sich die Reptilien dort im Winter vergraben können. "Wir halten bei den Baumaßnahmen auch das Gras kurz, damit sich keine Echsen im Baugebiet ansiedeln", sagt Lutz.

Deutsche Bahn will Storche und Leitungsnetz schützen

Die Umweltschutzmaßnahmen hätten neben ihrem Selbstzweck aber auch noch einen ganz praktischen Grund, wie Projektleiter Kunze sagt. "Wenn ein Storch gegen eine Leitung fliegt, endet das nicht nur tödlich für diesen, sondern verursacht einen Kurzschluss", sagt er.

Das Resultat: Es folgt eine betriebliche Störung und die Strecke muss vom Netz genommen werden. Aus der Ferne wisse die Deutsche Bahn dann nicht, ob ein Baum oder dergleichen das Netz beschädigt habe, und müsse erstmal auf Spurensuche gehen. Das dauert.

DB-Plan: Separate Leitung neben den Oberleitungen

Teil der Baumaßnahmen soll eine separate Leitung neben den Oberleitungen für die Gleise werden, um den Streckenabschnitt nach Kochel und den dortigen Bahnhof mit Strom auszustatten. "Züge können dann auch in Kochel mit Strom versorgt werden. Das schafft betriebliche Flexibilität", so Kunze.

Wenn also alles nach Plan verläuft, dann führen nicht nur die Störche ein sichereres Leben, sondern auch die Fahrgäste der Kochelseebahn haben idealerweise eine reibungslosere Fahrt.

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