Tunnel kostet Starnberger Familie geliebtes Heim

Die Ganslmeiers werden im schlimmsten Fall sogar zwangsenteignet. Ein vergleichbares Haus bietet man ihnen nicht.
von  Von Ruth Schormann
Blick in Richtung Autobahn: Kurz hinter dem McDonald’s auf der rechten Straßenseite verschwindet der Tunnel im Untergrund.
Blick in Richtung Autobahn: Kurz hinter dem McDonald’s auf der rechten Straßenseite verschwindet der Tunnel im Untergrund. © Staatliches Bauamt Weilheim

Starnberg - Fast jeden Tag, sagt Michael Ganslmeier, erleide seine Mutter zurzeit einen kleinen Zusammenbruch. Sie ist fix und fertig, weil ihr geliebtes Haus an der Münchner Straße in Starnberg, in dem sie ihren Mann kennen- und liebengelernt hat, bald nicht mehr ihnen gehören soll.

Ihr Haus wird abgerissen – für eine neue Straße. Denn dort beginnt voraussichtlich 2018 nach Jahrzehnten der Diskussion der Bau des B2-Tunnels. Wegen der Rückstaugefahr vor dem Tunnel soll von der Petersbrunner Straße auf die B2 durchgestochen werden.

Im Weg steht: das Haus der Familie Ganslmeier. "Es ist sehr, sehr bitter", sagt der Familienvater, der in München als Rechtsanwalt arbeitet.

Er ist in dem Haus aufgewachsen, sein Großvater hat es selbst gebaut. Er hatte im Erdgeschoss seine Sattlerei und wohnte darüber, wo Ganslmeier jetzt mit seiner Frau Hanna und den drei Kindern Leonhard, Elisabeth und Xaver lebt. "Die lieben ihr Zuhause natürlich auch", sagt der Vater und schluckt.

Deswegen hat das Paar die Kleinen bisher noch gar nicht eingeweiht, dass sie in diesem Garten nicht mehr spielen, in ihren Zimmern nicht mehr schlafen können und sich irgendwann an ein neues Zuhause gewöhnen müssen. Genau das ist aber das Problem: Bisher haben ihnen die Behörden keine Alternative angeboten, die gleichwertig ist. "Das muss fair bleiben", sagt der 47-jährige Starnberger. Das war es bisher nicht.

"Dass wir enteignet werden sollen, haben wir aus der Zeitung erfahren"

Mit der Summe, die bei einem Gespräch 2012 genannt wurde, könnte man maximal eine Drei-Zimmer-Wohnung bekommen – aber nicht eine Doppelhaushälfte mit Garten, Spielplatz und Schuppen auf 624 Quadratmetern in See- und Würmnähe, in der sie jetzt leben. Von den Erinnerungen und der Familientradition ganz zu schweigen.

"Uns wäre es natürlich am liebsten, wenn wir überhaupt nicht in der Situation wären", sagt Ganslmeier. Am besten hätte er gefunden, wenn es gleich eine Umgehung gegeben hätte.

Doch seit der Stadtrat nun grünes Licht für den Tunnel gegeben hat, ist klar: Irgendwann müssen sie raus. Wann, das wissen sie selbst noch nicht. Doch der Tag wird kommen und hängt wie ein Damoklesschwert über der Familie.

Der Umgang der Behörden mit der jungen Familie und ihrem Nachbarn, der die andere Hälfte des Hauses vermietet hat, ist mindestens ungeschickt, wenn nicht gar unverschämt. "Dass wir enteignet werden sollen, haben wir aus der Zeitung erfahren", erinnert sich der Anwalt.

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"Erstens gehört sich das nicht und zweitens muss ich doch mit den Leuten reden, wenn es ein Problem gibt", sagt Ganslmeier. Bisherige Gespräche habe er angeregt, nachgefragt, wie das alles eigentlich ablaufen soll. Und er ist vor Gericht gezogen, hat gegen den Planfeststellungsbeschluss 2008 geklagt. Er hat verloren.

"Man hätte da schon noch weitermachen können, aber das übersteigt ehrlich gesagt die finanziellen Möglichkeiten. Da hätte ich ein Verkehrs-Gegengutachten in Auftrag geben müssen." Bei einem Ortstermin habe der Richter recht lapidar zu ihnen gesagt: "Lasst’s eich halt gscheit abfinden." Doch davon kann bisher keine Rede sein. "Passiert ist das Gegenteil." Unbebaute Grundstücke wurden der Familie als Ersatz für ihr Zuhause angeboten.

"Da muss ich drauf bauen. Wer soll denn das zahlen?" fragt sich der 47-Jährige. Und die bebauten Grundstücke waren "Objekte in schlechtem Zustand, teilweise mit Sozialwohnungen, die vermietet sind". Also auch keine Option.

Nun hofft der Familienvater, dass man wieder auf ihn zukommt, jetzt, wo der Stadtrat die Sache beschlossen hat. Mit einem besseren Angebot.

Aber er erklärt auch: "Die ganze Geschichte ist bitter genug, da muss es nicht sein, dass man sich über Jahrzehnte dran kaputtmacht."

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