Legale Steueroase: Offshore in Ebersberg

Der bayerische Forst dient als legale Steueroase – wie das funktioniert, was das Landratsamt sagt.
Lukas Schauer / Onlineredaktion |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Eine Scheune mit Briefkasten: So sieht das oberbayerische Steuerparadies aus.
privat Eine Scheune mit Briefkasten: So sieht das oberbayerische Steuerparadies aus.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Frei nach Johann Wolfgang von Goethe könnte man das alle fragen, die in Panama bei der Kanzlei Mossack Fonseca eine Briefkastenfirma eingerichtet haben. Denn man muss nicht unbedingt nach Übersee, um viele Steuern zu sparen.

Dreißig Kilometer von München entfernt befindet sich eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands. Auf 90 Quadratkilometern haben hier vor allem Wildschweine das Sagen.

So weit, so normal. Und doch hat der Ebersberger Forst eine Besonderheit. Hier steht eine kleine Holzhütte, darin ein Telefonanschluss. Vor der Hütte steht ein schmuckloser Briefkasten mit zehn Namen darauf. Es handelt sich um Briefkastenfirmen. Legale.

Zwei Kilometer muss man eine Forststraße entlang fahren, um zu dem Steuerparadies zu gelangen. Der Briefkasten steht in sogenanntem außermärkischen Gebiet.

Außermärkisches Gebiet oder auch gemeindefreies Gebiet bedeutet, dass es zu keiner politischen Gemeinde gehört. Dies sind meistens unbewohnte Gebiete wie Seen oder eben Wälder. 225 davon gibt es in Deutschland, allein 192 liegen in Bayern. Gemeindefreie Gebiete befinden sich oft im Eigentum des Landes, in dem sie liegen.

Aber nicht nur die Eigentumsrechte haben die Länder oder Landkreise, sondern auch die Steuerhoheit liegt in ihren Händen.

„Voraussetzung für eine Steuererhebung ist allerdings, dass der Landkreis für diese Gebiete auch Gewerbesteuer festlegt“, sagt Brigitte Keller vom Landratsamt Ebersberg. Dort hat man die ungewöhnlichen Einnahmechancen jedoch früh erkannt.

„Die größte Hürde ist, dass es in diesen Gebieten kein Baurecht gibt – ist also nichts da, kann auch nichts errichtet werden“, so Keller. „Der Stadel im Ebersberger Forst existiert aber immer schon und wurde früher zur Unterbringung der Forstarbeiter genutzt, später zum Unterstellen von Maschinen.“

Wenn sich also Gewerbe ansiedelt, dann nur mit einem Briefkasten und an vorhandener Bausubstanz. Der Stadel im Forst ist also optimal.

Auf die findige Idee, diese Rechtslage zu nutzen, kam 2004 eine damalige Kreisrätin. Die Kassen der Kommune sind notorisch leer, warum dann nicht Firmen anlocken, und sie mit besonderen Anreizen ködern? Also setzte man den niedrigsten Steuersatz an, der in Deutschland rechtlich möglich ist: Von 100 Euro Gewinn müssen die Firmen sieben Euro Gewerbesteuer zahlen, in München sind es bis zu vierzehn Euro.

Lesen Sie hier: KVR verbannt Pegida vom Odeonsplatz

Die Briefkastenadresse „St. Hubertus 2“ ist seitdem ziemlich beliebt. Der Clou dabei: Es ist alles legal, die Firmen hinterziehen keine Steuern, sie zahlen nur sehr wenig. Und der Landkreis Ebersberg kommt an zusätzliche Einnahmen. Anfänglich nahm man einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag ein, inzwischen gehen die Erträge gegen null – die Firmen selber machen angeblich keinen Gewinn mehr.

Derzeit stehen gut zehn Namen auf dem Briefkasten, alles Fondsgesellschaften.

Was muss man tun, um das Steuerparadies nutzen zu können? „Die Voraussetzungen sind: Die Firma braucht eine Betriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Die Firma braucht eine Räumlichkeit und eine Verfügungsmacht darüber, also einen Mietvertrag. Und die Tätigkeit muss am Ort selbst ausgeübt werden. Diese Voraussetzungen erfüllen Fondsgesellschaften – andere Ansiedlungen haben wir nicht“, so Keller.

Lesen Sie hier: Pasing: Erst Dorf, dann Stadt, dann einkassiert

Einen Geschäftssitz zu bauen, geht aus den beschriebenen Baurechtsgründen nicht. Und daher ist die maximale Anzahl an Firmen begrenzt – allerdings auch aus einem kuriosen Grund: Die Obergrenze seien nicht die Briefkästen, sondern die Geschäftszeiten des Stadels (derzeit drei Stunden pro Woche). Sind sie ausgebucht, seien weitere Ansiedlungen nicht mehr möglich, erklärt Keller der AZ.

Von den Firmeninhabern selbst aber kommt keiner zu den überschaubaren Bürozeiten, das erledigt wiederum eine Firma, die die Fondsgesellschaften verwaltet. Diese ist laut Keller „zwei Mal pro Woche vor Ort, um die Post zu bearbeiten“. Viel allerdings dürfte nicht anfallen, laut Keller muss der Postbote nur selten zu dem Stadel fahren. „Jede Firma, die die Voraussetzungen erfüllt, kann mit dem Landkreis Kontakt aufnehmen“, sagt Keller noch. Man müsse sich nicht vertraulich an dubiosen Orten treffen – oder gar nach Panama gehen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.