Hyperloop-Tüftler in Ottobrunn: Ultraschnell um die Welt
Ottobrunn - In 30 Minuten von München aus in Transportkapseln zur Arbeit nach Berlin fahren – was wie ferne Zukunftsmusik klingt, könnte in den nächsten zehn Jahren Realität werden. Die Hyperloop-Technologie der Technischen Universität München (TUM) soll's möglich machen und die großen Ballungszentren mittels ultraschnellen Transportmitteln noch besser miteinander vernetzen. Und das am liebsten weltweit, so der Traum der Forscher.
Der Technische Leiter Domenik Radeck ist bereits seit fünf Jahren Teil des Teams, das an der neuartigen Transportmöglichkeit für Passagiere und Fracht arbeitet. Diese Kapseln – Pods genannt – sollen sich, so die Vision, künftig mit knapp 1.000 Kilometern pro Stunde, also nahezu in Schallgeschwindigkeit, in Röhren fortbewegen. Nun soll ein Demonstrator in Echtgröße die bisherigen Modelle in die Realität umsetzen, erzählt der 29-Jährige der AZ.
In Ottobrunn steht eine Hyperloop-Teststrecke
Hierfür entsteht aktuell in Ottobrunn bei München eine Teststrecke, die sich ganz in der Nähe von den Büros der Wissenschaftler befindet. Die ersten Materialien für den Bau liegen auf dem geplanten Platz schon bereit. Ein Zaun mit Baustellenschild weist daraufhin, dass dort bald etwas Großes entstehen wird. 24 Meter lang, 6,50 Meter hoch und 4,20 Meter breit soll die Test-Röhre aus Beton werden.

In der Hyperloop-Röhre wird laut Radeck ein Vakuum erzeugt, sodass die Kapsel darin dank sehr geringem Luftwiderstand schnell durch die Röhre gleiten kann. Für noch weniger Reibung soll sie zudem elektromagnetisch und berührungslos schweben. Räder, so Radeck, hätten viel höhere Wartungskosten. Wirtschaftliche Interessen, Klimaneutralität sowie Effizienz stünden im Vordergrund.
Bereits in den nächsten zehn Jahren könnte es Hypernauten geben.
Die Hyperloop-Forscher der TUM gehören weltweit zu den besten. Zu ihnen zählen Professoren, die fachlichen Input geben, genau wie wissenschaftliche Mitarbeiter aus verschiedenen Forschungsbereichen wie Bauingenieurwesen, Elektrotechnik oder Maschinenbau. Auch um die 100 Studenten sind an dem Projekt beteiligt, "die Tag und Nacht arbeiten, damit aus der Zukunftsvision Wirklichkeit wird", so Radeck, der Maschinenbau studiert hat.
Die Wissenschaftler haben alle Wettbewerbe von Ideengeber, Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk gewonnen. Inzwischen wird das Team auch vom Freistaat Bayern gefördert.
Teststrecke soll in wenigen Monaten in Betrieb gehen
Anfang 2023 soll die Teststrecke in Betrieb gehen. Dann sollen erstmals die Transportkapseln über die Anlage fahren, vorerst aber in einem gemächlichen Tempo von neun Kilometern pro Stunde und ohne Passagiere. Zunächst muss erprobt werden, ob die Hyperloop-Technik in der Realität funktioniert, sie finanziell umsetzbar und vor allem auch sicher ist. Diese Erkenntnisse sollen später in die Zukunftsversion einfließen. Eine technische Prüforganisation kontrolliert und zertifiziert am Ende das Ergebnis.
Ist all dies erfolgreich umgesetzt, sollen auf einer weiteren Teststrecke Weichen, Schleusen und Kurven getestet werden. "Dann kann eine Referenz- beziehungsweise Pionier-Strecke von bis zu 30 Kilometern durch Deutschland entstehen, bei der die volle Geschwindigkeit getestet werden kann." In dieser könnten schließlich auch die ersten Menschen im Vakuum befördert werden. Radeck, der davon überzeugt ist, dass dieses Szenario eintreffen wird, nennt sie "die ersten europäischen Hypernauten".

Technisch umsetzbar könnte das ultraschnelle Transportsystem seiner Meinung nach bereits in den nächsten zehn Jahren sein. "Irgendwann wird man nicht drum herum kommen, Hochgeschwindigkeitsstrecken zu bauen", meint er. Es brauche jedoch Menschen, die an die Idee glauben und in diese finanziell investieren.
Auf Reisen könnten künftig in einem Pod fünf bis acht Passagiere von A nach B düsen. Alle drei Sekunden könnten diese beispielsweise vom Münchner Hauptbahnhof abfahren – zunächst mit 200 Kilometer pro Stunde, durchs Vakuum - "und dann geht's ab", sagt Radeck. "Das Fahrgefühl wird jedoch nicht dem beim Start eines Flugzeugs ähneln, sondern eher, als würde man gemütlich in einem Zug fahren."
Fenster wird es in der Zukunftskapsel keine geben. Doch werde aktuell mit Displays und Lichteffekten experimentiert, die Bewegung suggerieren – "damit dem Passagier auf der Fahrt nicht schlecht wird."
Unterwegs wäre man drei Mal so schnell wie mit einem Hochgeschwindigkeitszug. Auf einen Kaffee nach Berlin? In einer halben Stunde könnte man unter dem Brandenburger Tor stehen. Derzeit dauert die Zugfahrt circa 4,5 Stunden. Am Abend ein Musical in Hamburg bestaunen? 70 Minuten müssten lediglich für die Hinfahrt eingeplant werden. "Das wäre ein komplett neues Lebensgefühl", schwärmt Radeck. Hinzu komme, dass diese neue Art der Fortbewegung am Boden im Vergleich zum Flugzeug beispielsweise, nahezu komplett klimaneutral wäre.
Langfristig könnte Hyperloop die Welt vernetzen und so den Verkehr revolutionieren, meint der Experte. Die notwendige Infrastruktur für die Röhren müsste dann an den Knotenpunkten jedoch noch entstehen. Auch geklärt werden müsse noch, wie Städte, die dazwischen liegen, mit eingebunden werden. Radeck jedenfalls, würde sich freilich als erster Test-Hypernaut anbieten.