„Grauen im Namen des Islam ist ein großer Schmerz“

Debatte um Muslime: Ein Imam aus Neufahrn erklärt, wie er arbeitet, was er von Schwulen hält – und wie er mit IS-Sympathisanten spricht.
von  Linda Jessen
Imam Malik Usman Naveed im Gebetsraum für die Männer in der Moschee – auch die weiblichen Gäste dürfen ihn besuchen.
Imam Malik Usman Naveed im Gebetsraum für die Männer in der Moschee – auch die weiblichen Gäste dürfen ihn besuchen. © Linda Jessen

Neufahrn - Eigentlich widerspricht es seinen Überzeugungen. Aber Malik Usman Naveed tut es. „Ich möchte niemandes Gefühle verletzen – wenn eine Frau mir die Hand hinstreckt, nehme ich sie“, erzählt der Imam der islamischen Gemeinde in Neufahrn. Erst dann erklärt er, dass er das eigentlich nicht gern mag – für die nächste Begegnung.

Naveed ist Theologe und Imam der islamischen Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat, die innerhalb der islamischen Welt teils als liberal, teils als unislamisch und herätisch gesehen wird.

So sehen die Ahmadiyya-Muslime Männer und Frauen von der Natur aus gleichwertig – nur eben mit verschiedenen Aufgaben im Zusammenleben. Die Rollen können von Paaren individuell getauscht werden. Zumindest theoretisch. Ob das geschieht, unterliegt der Entscheidung des Mannes.

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Es ist eine junge Gemeinde, die zum Pressegespräch nach Neufahrn geladen hat. Die Ü40-Gruppe ist die der „älteren Herren“. Etwa 25 Männer versammeln sich regelmäßig bei Neveed im Gebetsraum, nebenan leitet seine Frau den Gottesdienst mit etwa 15 weiblichen Mitgliedern.

Oberstes religiöses Gebot ist für Usman Naveed der Einsatz für den Frieden. Mordanschläge, wie den am Breidscheidplatz in Berlin, verurteilt er aufs Schärfste. „Das war eine unmenschliche Gräueltat“, sagt er und fügt an: „Wenn ein Mensch im Namen unserer Religion solche Übeltaten vollbringt, dann ist das ein immenser Schmerz.“

Politische Instrumentalisierung des Islam ist möglich

Sogenannte islamische Gelehrte würden den Islam für politische Zwecke missbrauchen, um junge Menschen zu instrumentalisieren. Den Opfern und ihren Familien freilich nützt es wenig, dass Anschläge auf einer falschen Auslegung beruhen.

Auch Naveed tritt daher mit IS-Sympathisanten in Kontakt, wenn er sie trifft, beispielsweise bei der Islam-Ausstellung 2015 in der Uni Göttingen. „Stundenlang habe ich mit diesen jungen Männern gesprochen, um ihnen die Suren des Korans zu erklären“, erzählt er.

Erklären wollen die Gemeindemitglieder den Islam auch der Bevölkerung. Bis es im November zu kalt wurde, haben sie Flyer verteilt und für einen friedlichen Islam geworben. Es gibt Vortragsabende und den Tag der offenen Moschee, Spendenläufe in München und Neufahrn.

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Neben dem Wunsch, den Ruf des Islam zu verbessern, steckt dahinter auch ein missionarischer Auftrag. „Wir wollen die Menschen aufklären, dass es einen Gott gibt, den man anerkennen muss“, sagt Naveed. Und auch die Regeln dieses Gottes.

Homosexualität heißt auch die liberale islamische Gemeinde nicht gut, er würde Betroffene „aufklären oder zu einem Experten zur Heilung schicken“ sagt Naveed. Frauen seien gleichwertig, sie dürfen arbeiten und keinesfalls unterdrückt werden, stünden aber in der Pflicht, die Kinder zu erziehen.

Zu diskutieren gibt es viel mit dem Imam. Das dürfte sich auch in Zukunft nicht ändern. Doch Imam Malik Usman Naveed will die Debatte führen. Offen und freundlich. Auch wenn das manchmal bedeutet, dass er einer Frau die Hand geben sollte.

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