Daglfinger Landwirte fordern: "Weg mit der SEM Nordost!"

Nachdem der OB die Siedlungsmaßnahme für Feldmoching gestoppt hat, wollen die Landwirte rund um Daglfing ihren Status auch geändert haben.
von  Irene Kleber
Wiesen, Rapsfelder, der Hachinger Bach: Noch liegen rund um Daglfing rund 600 Hektar an Freiflächen – auch für die Landwirtschaft. Doch die Stadt will hier tausende Wohnungen bauen, das macht den Landwirten Sorge. Wie den Bauern Hans Oberfranz (l.), Martin Zech (r.) und ihrem Sprecher Josef Glasl (M.).
Wiesen, Rapsfelder, der Hachinger Bach: Noch liegen rund um Daglfing rund 600 Hektar an Freiflächen – auch für die Landwirtschaft. Doch die Stadt will hier tausende Wohnungen bauen, das macht den Landwirten Sorge. Wie den Bauern Hans Oberfranz (l.), Martin Zech (r.) und ihrem Sprecher Josef Glasl (M.). © iko

Daglfing - Es hat offenbar gewichtige Gründe gegeben, die OB Dieter Reiter (SPD) zur Umkehr bewegt haben in seinen Plänen für die umstrittene "Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme" (SEM) für den Münchner Norden. Juristische Gründe.

So jedenfalls erklären es die Landwirte, die sich aus Protest zur "Initiative Heimatboden" zusammengeschlossen haben – um abzuwenden, dass die Stadt München sie enteignet, falls sie ihr Ackerland nicht freiwillig günstig verkaufen für den Bau tausender neuer Wohnungen (AZ berichtete).

Nach 20 Jahren müssen Neubauten bezugsfertig sein

Lese man nämlich das Kleingedruckte im Baugesetzbuch nach, so finde man eine Regelung, nach der die Stadt eine SEM nur dann als Zwangsmaßnahme einsetzen dürfe, wenn sicher gestellt sei, dass nach spätestens 20 Jahren die Neubauwohnungen bezugsfertig sein werden. "So ein Zeitrahmen ist aber weder für die Pläne im Münchner Norden noch im Nordosten zu schaffen", argumentiert Heimatboden-Anwalt Benno Ziegler.

Auch dürften in einer SEM zwar Bodenpreise "eingefroren" werden, um Grundstücksspekulationen zu verhindern. "Das gilt aber ausdrücklich nicht für Ackerland landwirtschaftlicher Betriebe", sagt der SEM-Experte und Jurist Ziegler.

Dass der OB am Dienstag die SEM für das 900 Hektar große Planungsareal rund um Feldmoching beerdigt hat, und nun auf ein "Kooperatives Stadtentwicklungsmodell" setzt – also eine Planung, bei der die Grundeigentümer mitreden dürfen – begrüßen die Bauern. "Wir freuen uns", sagt Heimatboden-Sprecher Josef Glasl, "und wollen künftig gern kooperativ mitwirken."

Die SEM im Münchner Nordosten soll fallen

Nun will die Initiative einen zweiten Schritt erreichen: dass die Stadt nämlich auch von der SEM für den Münchner Nordosten Abstand nimmt. Hier sind auf einem Areal von 600 Hektar Land zwischen Daglfing und Johanneskirchen ebenfalls 200 Grundstückseigentümer betroffen. Wie Landwirt Johann Oberfranz, dessen Familie den Kotterhof in Daglfing mit 90 Hektar Ackerland betreibt. "Seit über 200 Jahren", wie er sagt.

Auf seinem Acker wächst die Gerste fürs Augustiner-Bier, seine Nachbar-Landwirte liefern Salat, Gemüse, Kartoffeln für den Viktualienmarkt und die Großmarkthalle. "Wenn die Stadt hier alles zubaut, wird es auch unsere regionalen Produkte für die Münchner nicht mehr geben", mahnt er.

Zum Argument, die SEM mit ihren eingefrorenen Bodenpreisen schütze vor Bodenspekulationen, können die Landwirte nur müde lächeln. Und berichten von einem Acker im Osten, der durch Vertragstricks seit 2012 – trotz erklärter SEM – schon zwei Mal weiterverkauft worden sei. Erst für zehn Euro pro Quadratmeter. Dann für 150. Und kürzlich für 330 Euro. Ein sattes Gewinnsümmchen.

Seit Januar 2017 hat die Stadt München nun dort ein Vorkaufsrecht. Aber auch das lasse sich clever aushebeln. "Die Stadt merkt so einen Verkauf nicht einmal, wenn man das gut einfädelt", sagt Anwalt Ziegler. Wie also stehen die Chancen für ein SEM-Aus auch für Daglfing? Bürgermeister Josef Schmid (CSU) hat kaum Zweifel. "Wenn die Kooperation mit den Bauern im Norden gut klappt", sagte er am Freitag auf AZ-Anfrage, "werden wir das im Osten wohl auch so machen." 

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