Tunnel unter dem Englischen Garten: Hat sich die Stadt verrechnet?

Ein Tunnel soll den Englischen Garten wieder vereinen. Doch eine Analyse der Stadt zeigt, dass für den Bau 900 Bäume gefällt werden müssten. Die Tunnel-Initiative hat große Zweifel, ob das so wirklich stimmt.
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So könnte der Tunnel einmal aussehen, der den Englischen Garten wiedervereinen soll.
So könnte der Tunnel einmal aussehen, der den Englischen Garten wiedervereinen soll. © picture alliance / Grub-Lejeune/dpa/Grub-Lejeune/dpa

München - Seit fast vier Jahren fahren durch den Central Park, den riesigen Garten im Herzen New Yorks, keine Autos mehr - bloß noch Pferdekutschen. Den Englischen Garten, der fast so berühmt und sogar noch größer ist, trennt hingegen eine vierspurige Straße in zwei Teile. Hermann Grub und seine Frau Petra Lejeune bezeichnen das als Wunde und kämpfen seit langem dafür, diese zu schließen.

Tunnel unter dem Englischen Garten: Müssen dafür 900 Bäume gefällt werden?

Die beiden Architekten gaben vor über zehn Jahren auf eigene Faust eine Machbarkeitsstudie für einen Tunnel in Auftrag. 2017 ließ sich der Stadtrat überzeugen: Er beschloss einstimmig, die Planungen voranzutreiben. Doch nun steht dieses Projekt auf der Kippe.

Die Architekten Hermann Grub und Petra Lejeune-Grub.
Die Architekten Hermann Grub und Petra Lejeune-Grub. © Daniel von Loeper

Denn das Baureferat geht davon aus, dass fast 900 Bäume gefällt werden müssten, um den Tunnel zu errichten. Das sind 340 mehr als in den ersten Planungen aus dem Jahr 2017. So geht es aus nichtöffentlichen Unterlagen hervor.

370 statt 900 Bäume: Hat sich das Münchner Baureferat verrechnet?

Sowohl bei Grünen als auch bei der SPD wuchs danach die Skepsis, ob der Tunnel tatsächlich eine gute Idee ist. "Die Zahlen haben uns erschreckt", sagt der SPD-Verkehrsexperte Nikolaus Gradl. Sollten die Berechnungen stimmen, sei der Tunnelbau ein zu großer Eingriff und nicht zu verantworten. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Fraktionschefin Anna Hanusch, die ab dem Sommer das Baureferat leiten soll.

In einer ersten Analyse geht das Baureferat davon aus, dass an diesen Stellen zusätzliche Bäume fallen müssen.
In einer ersten Analyse geht das Baureferat davon aus, dass an diesen Stellen zusätzliche Bäume fallen müssen. © AZ

Das Architekten-Paar Grub hat an den Zahlen des Baureferats allerdings erhebliche Zweifel. Die beiden zählten nach und kamen zu einem verblüffenden Ergebnis: Statt fast 900 müssten aus ihrer Sicht nur rund 370 Bäume gefällt werden.

Gerne hätten sich die Architekten mit dem Baureferat ausgetauscht. Doch dieses habe abgelehnt. Grub betont zwar, dass er weder Bauingenieur noch ein Experte für Tunnelbau sei. Trotzdem geht sein Ergebnis und das des Baureferats so eklatant auseinander, dass er das Gefühl habe, dass die Zahlen bewusst nach oben gerechnet worden seien.

Tunnel unter dem Englischen Garten: Architektenpaar tauscht sich mit SPD und Grünen aus

Möglichkeiten, Baumfällungen zu vermeiden, gibt es aus seiner Sicht an mehreren Stellen: Zum Beispiel sei es denkbar, die Flächen für die Baulogistik auf freien Flächen im Norden und im Süden unterzubringen, wo kaum Bäume stehen. Außerdem könnten während der Bauzeit der Rad- und der Fußweg zur Autospur umfunktioniert werden, zwei Spuren hätten dort Platz, sagt Grub.

Mit Grünen und SPD tauschte sich das Architektenpaar bereits aus. Nikolaus Gradl (SPD) sagt, seine Partei stehe mit dem Baureferat in einem "intensiven Dialog". Denn auch er sei von der Vorlage überrascht gewesen. Das Referat rechne nämlich auch Bäume mit ein, die für die Sanierung des Biedersteiner Tunnels und der John-F.-Kennedy-Brücke fallen müssten. Diese Maßnahmen stehen ohnehin an, so Gradl. Für seine Partei würde es viel ändern, wenn die Baumbilanz eine andere wäre, sagt er. Dann könnte sich die SPD vorstellen, zuzustimmen, dass die Stadt ein Planfeststellungsverfahren einleitet. Und dann würde die Stadt die Planungen weiter konkretisieren.

So viel würde ein Tunnel unter dem Englischen Garten kosten

Die Grünen-Chefin Anna Hanusch klingt da weniger offen: Sie betont, dass sie der Verwaltung vertraue, dass die Zahlen richtig geprüft wurden. Es gebe nun einmal bestimmte Vorgaben, wo und wie Baustellen eingerichtet werden müssten, sagt Hanusch. Außerdem seien die Baumfällungen nicht das einzige Argument: Für den Tunnelbau sei ein enormer Einsatz an Personal und Geld erforderlich. Eine fünf Jahre alte Kostenschätzung ging von 125 Millionen Euro aus. Diese Ressourcen seien im U-Bahn-Bau womöglich besser investiert. Außerdem seien für den Tunnelbau große Mengen an Beton notwendig. Klimafreundlich sei das nicht.

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Das Baureferat teilt auf Anfrage der AZ mit, dass es momentan tatsächlich seine Berechnungen noch einmal überprüft. Das Mobilitätsreferat hält es für möglich, die Verkehrsführung um eine Spur zu reduzieren. Diese neuen Erkenntnisse würden gerade bewertet.

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19 Kommentare
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  • Engler am 21.01.2022 19:31 Uhr / Bewertung:

    Übrigens: die sog. ‚Tunnel Initiative‘ sind zwei(nette) Menschen, Herr und Frau Grub.

  • Engler am 21.01.2022 17:41 Uhr / Bewertung:

    Dieser Tunnel ist eine dumme Idee. Er endet genau dort, wo die Menschen an der Jungwirthstrasse, der Liebergesellstrasse und Keferstrasse wohnen. Das heißt, die Tunnel Ein und Ausfahrt bläst ihre Abgase direkt ins Wohngebiet, der höllische Lärm aus den Ein und Ausfahrtstrichtern dringt ungehindert zu den Menschen. Eine kleine Verlängerung des Tunnels bis zum Biedersteiner Tunnel hätte dies verhindert. Dass fast tausend Bäume gefällt werden müssen ist seit Beginn der Planungen bekannt.

  • Niemand_hat_die_Absicht_eine_Mauer_zu_bauen am 21.01.2022 15:12 Uhr / Bewertung:

    Na klar verrechnet. Wenn man sich um ein paar Bäume vertut passt das schon, aber nicht wenn es um hunderte geht. Rein zufällig passiert. Is klar. Zwinker, Zwinker. Meiner Frau sage ich auch immer ich hatte nur 2 halbe.

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