Trump gegen Clinton in München: Das sagen Exil-Amerikaner über die US-Wahl
München - Nicht nur in den USA lebende Menschen dürfen wählen, von welcher Partei und damit von welchem Präsidenten sie politisch vertreten werden möchten, sondern auch im Ausland weilende Staatsbürger. 110.000 sind das in Deutschland, in München leben 6.000 Exil-Amerikaner.
Trump oder Clinton? - Das TV-Programm zur US-Wahl
Die Wahl spitzte sich zu auf den republikanischen Kandidaten Donald Trump und die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton. Auslands-Amerikaner gelten grundsätzlich als linker als der Durchschnitt in ihrer Heimat – es gelang leider nicht, einen Trump-Befürworter zu finden, der in der AZ spricht. Dafür sind acht Nicht-Trump-Wähler und die US-Generalkonsulin umso deutlicher geworden: ob sie voller Angst oder Hoffnung sind, wie Trump überhaupt ein Kandidat für das höchste politische Amt werden konnte – und dass es ähnliche Tendenzen ja auch in Europa gibt.
"Trump nutzt die Ängste der Menschen aus"
Kapitän der Bayern-Basketballer: Bryce Taylor. Foto: dpa
Bryce Taylor, Kapitän FC Bayern Basketball, 30, aus Kalifornien: "In diesem Jahr habe ich mich zum ersten Mal auf einem persönlichen Level zum Wählen verpflichtet gefühlt. Auch wenn ich mich bereits in der Vergangenheit für die politische Situation in Amerika interessiert habe, ist es jetzt für mich besonders wichtig gewesen, zu wählen.
Hillary Clinton repräsentiert genau die Themen, die mir für die USA wichtig erscheinen: Bildungspolitik, die großen Einkommensunterschiede, das Gesundheitswesen. Ich bin mir ziemlich sicher und zuversichtlich, dass sie gewinnen wird. Außerdem sagt mir Donald Trump in keiner Weise zu: Er wäre kein guter Anführer oder Vertreter für uns in der Welt. Er repräsentiert keinen Fortschritt – er als Präsident wäre das Gegenteil von allem, wofür Amerika steht.
AZ-Kommentar zur US-Wahl: It's America!
Natürlich fragen mich immer wieder Menschen: Wie konnte Trump überhaupt so weit kommen? Das ist schwer zu verstehen, vor allem, wenn man nie in den USA gelebt hat. Trump repräsentiert einfach eine große Menge von Leuten in Amerika, eine bestimmte Art Menschen, denen es meist nicht so gut geht. Er nutzt ganz bestimmte Ängste der Menschen aus und deren Ignoranz, vor allem bei den Themen Rassenhass, Migration, Arbeitslosigkeit. Das zeigt, was für einen weiten Weg Amerika noch vor sich hat.
Was ich in den acht Jahren in Deutschland gemerkt habe: Ich schätze die hohe Lebensqualität hier sehr und sehe die großen Unterschiede zu meiner Heimat. Die Städte hier sind sauber, die Menschen haben Respekt voreinander, man sieht viele Polizisten auf den Straßen. Das Bildungssystem ist viel logischer, eine Krankenversicherung ist Pflicht. Wir sollten danach streben, einmal mit so einer großen Qualität leben zu können. Diese Wahl ist eine Chance für Amerika, sich in die richtige Richtung zu entwickeln."
"Das wäre peinlich"
Studentin Rachel Steinhaus. Foto: privat
Rachel Steinhaus, Studentin (Intercultural Communication & European Studies) und Mitarbeiterin im Amerikahaus, 27, aus Milwaukee: "Wählen ist für mich selbstverständlich, aber dieses Mal war es mir besonders wichtig. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal wirklich überlegt, eine Drittpartei zu wählen. In meinem Bundesstaat gab es aber nur zwei Kandidaten, die mich leider auch nicht überzeugt haben.
Trump könnte ich jedenfalls nie wählen: Er benimmt sich einfach nicht so, wie ich mir meinen Präsidenten vorstelle. Es würde vor allem auch im Ausland schwierig werden, er hat ja nur Business-Erfahrung und dann solche Geschichten wie ein Mauerbau an der Grenze zu Mexiko – das wäre schon sehr peinlich. Vor ihm als Präsidenten würde ich mich fürchten.
Es fragen mich natürlich Leute: Was ist denn da los?! Ich rede gerne über politische Dinge und ich wünschte, ich könnte das erklären. Das kann ich aber nicht. Und wenn jemand diskutieren will, ist es schwierig, bei diesen beiden Kandidaten gibt es kein Mittelding. Man kann sich eigentlich nur darüber streiten."
"Beide Kandidaten sind für mich unwählbar"
Firmengründer Aaron Maddox aus Michigan. Foto: privat
Aaron Maddox, Firmengründer, 36, aus Michigan: "Ich habe sogar 60 Euro bei der Post gezahlt, damit mein Wahlbrief unbedingt pünktlich ankommt! Ich weiß, es ist eine Stimme in einem großen Ozean von vielen Stimmen, der Einfluss ist nicht gerade weitreichend. Aber nur, wer sich beteiligt, kann sich hinterher beschweren.
Ich mag dieses Konzept, für ein kleineres Übel zu wählen, nicht – es ist schließlich immer noch ein Übel. Man sollte keine Regierung wählen, hinter deren Konzept man nicht steht. Für mich sind beide Kandidaten nicht wählbar, deshalb ist dieser Wahlkampf für mich bitter. Ich habe meine Stimme den Grünen gegeben und hoffe aber, dass Hillary gewinnt, auch wenn das dann eben das kleinere Übel ist. Es ist doch kein Zeichen von Demokratie, wieder jemanden im Weißen Haus zu haben, der Clinton heißt. Das hatten wir bei der Familie Bush schon."
"Es gibt einen München-Blick"
Meghan Driscoll aus Massachusetts. Foto: privat
Meghan Driscoll, Leiterin von "Democrats Abroad", 37, aus Massachusetts: "Es sind in diesem Jahr so viele Menschen auf uns zugekommen, die kleinlaut zugegeben haben, dass sie noch nie gewählt haben, seit sie nicht mehr in den USA leben. Teilweise sind das schon viele, viele Jahre, und diesmal war es ihnen sehr wichtig. 2012 haben wir auch schon versucht, möglichst viele in Bayern lebende Amerikaner zum Wählen zu motivieren – das war eine ganz andere Kampagne, alles hat sich viel positiver angefühlt.
Die Geschichte ist hier allgegenwärtig, auch die hier lebenden Amerikaner setzen sich natürlich damit auseinander. Die Menschen sind sich bewusst, welche Auswirkungen eine nicht-demokratische Regierung haben kann. Ich merke einen ,München-Blick’ bei meinen Landsleuten."
Hillary Clinton und Donald Trump bei der zweiten TV-Debatte. Foto: dpa
"Kein Präsident ist perfekt"
Die Münchner US-Generalkonsulin Jennifer Gavito hat auch gewählt – wen, darf sie nicht verraten. Foto: Daniel von Loeper
Jennifer Gavito, seit 2015 US-Generalkonsulin in München, 41, aus Missouri: "Es war ein langer Wahlprozess und er war hart umkämpft, deshalb ist die Mehrheit der Amerikaner wohl froh, wenn er vorbei ist. Ich habe natürlich auch gewählt, darf als Berufsdiplomatin allerdings meine persönliche Meinung nicht äußern. Ich kann aber sagen: Bei dieser Wahl wird zum 45. Mal eine friedliche Übertragung von Macht stattfinden – das können nicht viele Länder dieser Welt vorweisen. Egal, wie stark umkämpft das Präsidenten-Amt diesmal war, sollten wir das also feiern.
Für viele fühlt es sich auch an, als wäre der Wahlkampf diesmal noch härter gewesen als sonst, aber eigentlich geht es immer so zu. Was stimmt: Die beiden Hauptkandidaten Hillary Clinton und Donald Trump haben so hohe Werte in Umfragen zu ihrer Unbeliebtheit wie noch nie Kandidaten zuvor. Egal, wie das Ergebnis also ausfällt: Es wird morgen einen großen Teil der Bevölkerung geben, der sehr unzufrieden ist.
Wahltag in den USA - "Hauptsache, der Alptraum ist vorbei"
Bisher war es aber trotzdem in der Wahlnacht immer so, dass die Kandidaten die Entscheidung der Wähler akzeptiert haben, auch, wenn die gegen sie ausgefallen ist. Trumps Wahlkampfsprecher hat das auch noch einmal angekündigt, es gibt für mich also bisher keinen Grund, etwas Anderes zu erwarten. Mein Vorteil in meiner Position ist: Ich sehe die Vorteile von allen politischen Lagern, ich sehe alle Stärken und Schwächen. Keine Partei ist perfekt, kein Präsident ist perfekt. Deshalb würde ich mir wünschen, dass alle einsehen: Jeder Kandidat bringt etwas mit an den Tisch. Ich könnte mit jeder Regierung zusammenarbeiten. Was man an dieser Wahl sehen kann – nicht nur am Kandidaten Trump, sondern auch daran, dass viele sich für Bernie Sanders begeistert haben: Es gibt bei den Wählern eine Unzufriedenheit mit den gewohnten Repräsentanten. Das gleiche Phänomen sieht man auch in Europa – in Frankreich, Deutschland, in der Entscheidung zum Brexit. Die Leute zeigen: Sie wollen etwas Anderes. Das sieht in jedem Land ein bisschen anders aus.
Dass viele Leute sich gerade nicht sicher fühlen, ist mir verständlich: Es gibt viel Instabilität auf der Welt. Aber beispielsweise das sehr emotionale Thema Migration ist ein Fakt: Das geht nicht weg. Das wird eher eine noch größere Rolle spielen in Zukunft, wenn auch noch Klimaflüchtlinge dazukommen. Damit müssen wir uns beschäftigen, daran müssen wir arbeiten – und darüber nachdenken, wie wir uns sichern, aber dabei auch human bleiben."
"Das passiert auch vor unserer Haustür!"
Restaurant-Besitzer Dan Molnar. Foto: privat
Dan Molnar, Mitbesitzer des Restaurants "So.Cal", 47, aus Ohio: "Auch wenn ich nicht mehr in den USA lebe und nicht so politisch aktiv bin, habe ich gewählt: Clinton. Es macht mir Sorgen, dass Trump Präsident werden könnte. Ich stimme überhaupt nicht mit seiner politischen Argumentation überein – wenn man das Argumentation nennen will. Es gibt auch Punkte in Clintons Politik, denen ich nicht zustimme. Aber die meisten ihrer Ansichten sind im Einklang mit meinen. Die anderen Kandidaten halte ich für nicht so qualifiziert.
Viele Menschen in Europa verstehen nicht, wie so jemand wie Trump nominiert werden konnte. Aber man muss auch verstehen: Menschen sind in Not oder fühlen sich zumindest so. Viele wollen dann einfach etwas politisch Neues. Und das passiert ja auch vor unserer Haustür! Wenn man nach Großbritannien schaut oder Österreich oder in einige deutsche Bundesländer, kann man da ähnliches beobachten: Der rechte Flügel bekommt wieder mehr Macht. Das beunruhigt mich – wir haben das doch in der Vergangenheit schon mal erlebt. Ich hoffe, wir erleben das nicht noch einmal so extrem wie in den 20ern, 30ern, 40ern. Ich hoffe, dieser Teil der Weltgeschichte wiederholt sich nicht. Aber es sieht aus, als würde das geschehen."
"Wir sind alle am Rand eines Nervenzusammenbruchs"
Lehrerin Nancy Smith. Foto: privat
Nancy Smith, Übersetzerin und Englischlehrerin aus New York: "Kein Amerikaner, der in Deutschland lebt, würde für Trump stimmen, deshalb kenne ich glücklicherweise auch niemanden. Ich habe vier Geschwister, die in den USA leben. Zwei davon sind riesige Bush-Unterstützer, also im Herzen eigentlich Republikaner und auch die würden Trump niemals wählen, die finden ihn ganz abscheulich.
Ich schaue täglich die Wahlprognose an. Nach dem FBI-Brief letzte Woche sind die Prognosen für Hillary Clinton nochmal gesunken, es wird also doch noch einmal eng für sie. Das ist schlimm, wir sind alle am Rand eines Nervenzusammenbruchs. Ich habe keine Ahnung, wie das werden würde mit Trump als Präsident. So weit kann ich auch gar nicht denken, den Gedanken kann ich gar nicht zulassen. Der ist einfach zu erschreckend. Aber das sehen ja alle in Europa so, das geht auch allen meinen deutschen Freunden so. Darum schaue ich mir die Wahlergebnisse auch lieber Zuhause an, nur privat, mit meiner Familie, und nicht auf irgendeiner Party."
"Die Welt fällt nicht zusammen, wenn Trump siegt"
Gelassen: Grantly Marshall aus Ohio. Foto: Daniel von Loeper
Grantly Marshall, Gründer der American Drama Group Europe, 67, aus Ohio: "Ich sage nicht, wen ich wähle, aber auf keinen Fall Donald Trump. Bevor Clinton Kandidatin wurde, war ich ein Bernie-Sanders-Fan: Er erinnert mich an die Zeiten, in denen ich gegen den Vietnamkrieg demonstriert habe, als ich noch idealistischer war, als ich es heute bin. Ich dachte mir: Das ist der Mann, der ist ein Guter. Ich habe sogar Geld für ihn gespendet.
Was kommt, wenn Trump gewinnen sollte? Ach, ich habe keine Angst mehr vor solchen Geschehnissen. Die Frage ist ja immer, inwieweit eine Wahl mein persönliches Leben beeinflussen wird – und wahrscheinlich fällt die Antwort nicht so negativ aus, wie man denkt. Etwa so, als wäre Stoiber Bundeskanzler oder Strauss hätte damals gewonnen: Wäre mein Leben dann so viel anders? Wahrscheinlich nicht. Aber trotzdem hat man natürlich ein besseres Gefühl, wenn ein Mensch zur Top-Person wird, von dem man glaubt, dass er einem besser gegenübersteht, als einer, zu dem man gar kein Verhältnis hat.
Eins kann man über diesen Wahlkampf auf jeden Fall sagen, was man über andere nicht sagen konnte: Er ist spannend, fast wie ein Film, in dem immer wieder was Neues passiert. Deshalb schaue ich mir das mit Interesse an. Wenn es am Ende eine Überraschung gibt, dann möchte ich die erleben. Ich will gar nicht gute Überraschung sagen oder schlechte, und auch nicht das Wort Apokalypse benutzen – die Welt wird nicht zusammenfallen, wenn Trump gewinnt."
"Wir haben ein bisschen Angst"
Soziologin Pamela Meil. Foto: privat
Pamela Meil, Soziologin, wählt in Michigan: "Die letzten Wahlen, auch die in den Bush-Jahren, sind für uns Demokraten nicht so optimal gelaufen. In diesem Jahr hat das aber eine Form angenommen, die ich mir bisher überhaupt nicht vorstellen konnte. Donald Trump ist völlig inkompetent und vielleicht auch ein bisschen verrückt, ich sehe das als große Gefahr. Der ist noch anders gefährlich als Bush, weil nicht vorhersehbar.
Es ist eine sehr unangenehme Wahl, was den Tonfall betrifft. Wenn ich mit meiner 90 Jahre alten Mutter rede, sagt sie, sie kann das nicht mitansehen. Sowas Schlimmes hat sie noch nicht miterlebt. Ich lebe seit über 20 Jahren in Deutschland, aber ich konnte mir bisher immer vorstellen, irgendwann zurückzugehen. Doch ich bin nicht sicher, ob ich gern in einem Land leben würde, in dem Trump Präsident ist. Wir haben alle ein bisschen Angst."