Historischer Hof in München vor dem Abriss? Jetzt wird ein Gericht entscheiden

Im Alten Kernhof von Denning war seit 125 Jahren immer ein Lokal. Doch das Gebäude ist marode, Pizzabäcker Debiasi musste raus. Wird das historische Haus abgerissen? Das möchte die Eigentümerin Brauerei Aying. Ob das geht, muss nun ein Gericht entscheiden.
Lutz Bäucker |
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So sieht der historische Alte Kernhof derzeit aus. Blasse Fähnchen erinnern an lockere Abendmahle in lauen Sommernächten mit der Wirtsfamilie Debiasi. Sie musste zum Ostermontag ausziehen.
So sieht der historische Alte Kernhof derzeit aus. Blasse Fähnchen erinnern an lockere Abendmahle in lauen Sommernächten mit der Wirtsfamilie Debiasi. Sie musste zum Ostermontag ausziehen. © Lutz Bäucker

München — Am Ostersonntag schob Ivan Debiasi die letzte Pizza in den Ofen: "Wir mussten schließen," bedauert der Wirt, dessen Familie seit fast 50 Jahren den Alten Kernhof mit seinem lauschigen Kastanienbiergarten zu einem Ziel für Freunde einer bodenständigen italienischen Küche gemacht hatte.

"Zuerst war das mein Onkel Toni", erzählt Debiasi mit Wehmut in der Stimme, "danach hab ich den Hof übernommen." Das 125 Jahre alte Gebäude mitsamt dem großen Grundstück in Denninger Toplage gehört der Brauerei Aying. Und die große Frage ist, was nun mit dem historischen Gebäude passiert. Wird es bald abgerissen?

"In der Elektrik des Hauses trat plötzlich die Notwendigkeit einer Sanierung auf", umschreibt Ayinger-Geschäftsführer Franz Inselkammer den Grund für die überraschende Schließung, "das hat den Betrieb unwirtschaftlich gemacht und war außerdem eine Gefahr für Leib und Leben der dort Beschäftigten beziehungsweise Wohnenden!"

Eine letzte Oster-Botschaft der Wirtefamilie Debiasi an die Stammgäste, bevor sie nun in Traunstin ihr Glück sucht.
Eine letzte Oster-Botschaft der Wirtefamilie Debiasi an die Stammgäste, bevor sie nun in Traunstin ihr Glück sucht. © Lutz Bäucker

Ayinger Brauerei hatte seit 20 Jahren Abrisspläne in der Schublade

Debiasi erwähnt auch "statische Probleme" im Dachstuhl. Doch der befragten Lokalbaukommission der Stadt München sowie der Unteren Denkmalschutzbehörde liegen darüber aktuell allerdings keine Informationen vor.

"Die jetzige Verschlechterung der Situation und die Gefährdungslage haben uns zu diesem Schritt gezwungen", betont Inselkammer.

Er weist darauf hin, dass die Brauerei bereits seit über 20 Jahren städtisch genehmigte Pläne besaß, den Kernhof abzureißen und das Grundstück neu zu bebauen. "Dafür hatte auch das Denkmalschutzamt seine Zustimmung gegeben", sagt Inselkammer.

Die Lage scheint sich aber verändert zu haben: "Im Zuge einer turnusmäßigen Verlängerung der Baugenehmigung vertritt nun das Denkmalamt leider eine andere Auffassung", schreibt Inselkammer der AZ.

Und das zuständige Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bestätigt, dass der Alte Kernhof mit der Adresse Denninger Straße 233 seit der zweiten Jahreshälfte 2023 unter Denkmalschutz steht. Zudem hat die Stadt die Baugenehmigung für die Brauerei Ayinger nicht verlängert. Ayinger klagt derzeit gegen diese Entscheidung.

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"Sanierung? Wirtschaftlich nicht sinnvoll"

Die Sanierung des Hauses war offenbar auch einen Gedanken wert, doch: "Eine Sanierung ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und unseres Ermessens nach auch nicht verhältnismäßig", sagt Franz Inselkammer. Ein Neubau sei seit Jahren geplant gewesen, da das Gebäude in schlechtem Zustand sei und sich das Grundstück auch für die Umgebung attraktiver gestalten ließe.

Während Langzeit-Wirt Debiasi nun sein Glück in Traunstein versucht, macht sich um den beliebten Alten Kernhof Melancholie breit. Der Biergarten ist leer, ein paar verblichene Fähnchen erinnern an die gemütlichen Sommerabende unter den imposanten Kastanien.

Der Schaukasten mit der Speisekarte ist leer — und vor dem Eingang des Hofes ein allerletzter Gruß des Wirtes: "Wir danken Ihnen für die Jahre, die wir zusammen verbracht haben", steht mit Kreide auf einer Tafel. "Wir verlassen Denning mit Schmerz, aber auch mit vielen schönen Erinnerungen", sagt Wirt Debiasi. Ob in einem möglichen "Neuen Kernhof" jemals wieder professionell gekocht, gegessen und getrunken wird?

Inselkammer macht Denning Mut: "Als bayerische Traditionsbrauerei und begeisterte Gastronomiefamilie haben wir immer Gastro mit eingeplant", sagt er.

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11 Kommentare
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  • El Chapin am 23.04.2024 13:21 Uhr / Bewertung:

    Der Kernhof muss bleiben und endlich hat auch die Stadt gemerkt dass er denkmalwürdig ist. Die megareichen Inselkammer-Eigentümer hatten x Jahre Zeit den Kernhof abzureißen. Nun sollten sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewußt werden und daraus ein Prunkstück im Münchner Osten machen-Geld haben sie ja genug und Denkmalschutzsanierungen werden ja großzügig unterstützt.

  • Wichtig am 23.04.2024 18:01 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von El Chapin

    Denkmalsanierungen werden nicht großzügig unterstützt! Das LfD ist quasi pleite, hat jedenfalls allenfalls Mittel für eine Dokumentation. Ich denke, ein Staat, der Regeln setzt, sollte diese aber auch finanziell tragen.

  • Der AndiChrist am 23.04.2024 12:32 Uhr / Bewertung:

    Man sollte nicht jeden alten Müll aufbewahren wollen. Wir sollten uns stattdessen die Natur zum Vorbild nehmen: altes ist neuem stets im Weg!

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