Trotz Bürgerentscheid in München: Bleibt das HKW Nord am Netz?
München - Eigentlich ist die Sache klar. Der Kohleblock der Stadtwerke in Unterföhring muss 2022 abgeschaltet werden. Dafür haben die Münchner Wähler bei einem Bürgerentscheid im November 2017 votiert. Doch inzwischen geht man bei den Stadtwerken fest davon aus, dass die Bundesnetzagentur das Kraftwerk als „systemrelevant“ einstufen wird. Und es nicht abgeschaltet werden darf. Die Stadtwerke wollen jetzt vom Stadtrat offiziell absegnen lassen, das Kohlekraftwerk am Netz zu lassen.
"Wir dürfen den Bürgerentscheid nicht umsetzen", sagte Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach am Mittwoch im Gespräch mit der AZ. "Wir wollen ihn aber auch nicht ignorieren." Bieberbachs Plan, den Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) noch im Juli vom Stadtrat beschließen lassen will: ein "Kohleausstiegskonzept". Mit Absichtserklärungen wollen die Stadtwerke zeigen, dass sie sich gezielt einem Ausstieg aus der Kohle annähern. Und dann den endgültigen Kohleausstieg zum "frühestmöglichen Zeitpunkt" vollziehen.
Bierbach geht von HKW-Abschaltung 2020 aus
"Wir schalten ab, sobald es rechtlich möglich ist", betonte Bieberbach. "Aktuell gehen wir davon aus, dass das 2028 der Fall sein wird. Aber wir werden die Kohleverbrennung schon vorher reduzieren." Unter anderem versprechen die Stadtwerke, den Geothermie-Ausbau im Stadtgebiet und im Umland weiter voranzutreiben und planen hier Investitionen im "hohen dreistelligen Millionenbereich". Die geplante Geothermieanlage am Heizkraftwerk Süd in Sendling soll 2020 ans Netz gehen. Im Kohlekraftwerk in Unterföhring soll es künftig insbesondere im Sommer längere Stillstände geben.
Baumgärtner argumentiert, dass eine komplette Stilllegung zu "einem Defizit bei der Wärmeversorgung in München" geführt hätte. Die Stadtwerke betonen, "als Versorgungsunternehmen steht die sichere Versorgung der Münchner im Vordergrund".
Zeitplan des Bürgerbegehrens war unmöglich einzuhalten
Die hatte man ursprünglich durch eine neue Gas- und Dampfturbinenanlage in Unterföhring sicherstellen wollen. Doch Anfang 2019 stoppte der Gemeinderat das Vorhaben einstimmig. Stadtwerke-Boss Bieberbach sagte am Mittwoch, selbst wenn man versucht hätte, das Vorhaben gegen den Willen der Gemeinde umzusetzen, seien jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen unvermeidlich gewesen.
Der Zeitplan des Bürgerbegehrens - Abschaltung des Kohleblocks 2022 - sei unmöglich zu halten gewesen. Gegen kleine dezentrale Heizwerke (etwa am Michaelibad oder im Nußbaumpark) haben sich alle Münchner Bezirksausschüsse positioniert. Auch diese Idee wollen die Stadtwerke nun vom Stadtrat beerdigen lassen.
Dort könnte es noch einmal zu einer lebhaften Debatte über das Papier kommen. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl sagte der AZ, das Konzept der Stadtwerke sei "gut durchdacht und sinnvoll". Der Fraktionsvize der Grünen, Dominik Krause, hingegen erklärte: "Wir halten am Bürgerentscheid und dem Ausstieg 2022 fest." Krause glaubt, dass es rechtlich möglich wäre, das Kraftwerk für den Notfall stehenzulassen, aber im Alltag nicht mehr zu betreiben.
Lesen Sie dazu den AZ-Kommentar: HKW-Bürgerentscheid ist unwirksam? So nicht