Triumph für Tierschützer

Für eine Reportage über gequälte Gänse soll der Journalist Friedrich Mülln illegale Aufnahmen veranlasst haben. Das Verfahren wird eingestellt, der Richter sagt: „Setzen Sie sich weiter ein!"
Natalie Kettinger |
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Vor dem Gericht demonstrierten vor und während der Verhandlung 50 bis 60 Tierschützer.
nk 2 Vor dem Gericht demonstrierten vor und während der Verhandlung 50 bis 60 Tierschützer.
Friedrich Mülln mit seiner Gans Houdini. Auch sie hat er gerettet.
Soko Tierschutz 2 Friedrich Mülln mit seiner Gans Houdini. Auch sie hat er gerettet.

München - Panisch flatternde Gänse, denen brutal die Brustfedern ausgerissen werden, während die Tiere in Todesangst gegen ihre Peiniger anstrampeln. Gänse, die kaum noch laufen können, mit blutig gerupften Brüsten und gebrochenen Flügeln.

Der Journalisten Friedrich Mülln (34) kennt diese Bilder nur zu gut. Jahrelang hat der Augsburger in Ungarn und Polen recherchiert, um zu belegen, dass weiterhin Gänse für die Daunengewinnung leiden müssen, obwohl der so genannte Lebendrupf EU-weit verboten ist. Daunen dürfen nur in der Mauser oder von toten Tieren gewonnen werden.

Am Mittwoch musste sich der Gründer des Vereins „Soko Tierschutz“ vor dem Münchner Amtsgericht verantworten, weil er einen Informanten zu heimlichen Ton- und Bild-Aufnahmen angestiftet haben soll, die später in einem TV-Beitrag wiedergegeben wurden. Das Verfahren wurde mit der Auflage eingestellt, dass Friedrich Mülln 1500 Euro an den Tierschutzverein München zahlt.

Im Sommer 2010 dokumentierte Mülln, damals noch für die Organisation „Vier Pfoten“, den Lebendrupf in Osteuropa. Ein Mitarbeiter, den die Tierschützer in eine ungarische Gänse-Farm eingeschleust hatten, sammelte Belege dafür, dass die Daunen zum größten Teil nach Deutschland geliefert werden. „Wir haben einen Daunentransporter bis zu Firmen in Cham und München verfolgt“, sagte Mülln der AZ. Auf dem Gelände von Rohdex Bettfedern in Unterschleißheim entstanden dann die umstrittenen Mittschnitte. Mülln: „Ein Informant hat Audioaufnahmen gemacht, auf denen zu hören ist, wie ein Lagerarbeiter sinngemäß sagt: Das ist doch Lebendrupf, das ist verboten.“

Lesen Sie dazu: Weil er einen Skandal enthüllte - Tierschützer vor Gericht

Verboten ist allerdings auch, Gespräche aufzuzeichnen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Wegen „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ sollte der Tierschützer deshalb rund 3500 Euro Strafe zahlen. Friedrich Mülln weigerte sich. Begründung: „Unsere Informanten sind keine angestifteten Täter. Das sind Whistleblower. Tierfreunde, die eigenverantwortlich handeln, auf Missstände in ihren Betrieben aufmerksam machen wollen und sich deshalb an mich wenden.“ Es kam zum Prozess – und einem Urteil im Sinne des Tierschutzes.

Er habe sich die Lebendrupf-Reportage angesehen, sagte Richter Alexander Metz. „Das ist etwas, gegen das man kämpfen muss und dazu bedarf es Menschen wie Ihnen. Ich begrüße Ihre Arbeit für den Tierschutz deshalb außerordentlich“, so der Vorsitzende. „Aber juristisch sind mir die Hände gebunden.“
Da der Tierschutz jedoch eine große Bedeutung habe, die Beschuldigungen relativ geringfügig und in Müllns Führungszeugnis keine strafbewährten Vorwürfe zu finden seien, schlug Richter Metz vor, das Verfahren einzustellen. „Gegen eine Zahlung von 1500 Euro ans Tierheim München. Ich denke, es ist auch in Ihrem Sinne, dass das Geld einer Tierschutz-Organisation zu Gute kommt.“

Friedrich Mülln willigte nicht sofort ein. „Dafür, dass ich unschuldig bin, ist das ganz schön viel Geld. Auch wenn ich es dem Tierheim gönne, weil die gute Arbeit machen.“ Schließlich einigte man sich auf drei Raten – und Richter Alexander Metz verabschiedete sich mit den Worten: „Also dann, setzen Sie sich weiter für den Tierschutz ein.“

Es sei schön, dass vor Gericht deutlich geworden sei, dass Tierschutz keine Bagatelle ist“, sagte Friedrich Mülln nach der Verhandlung – und versprach seinen Mitstreitern und Unterstützern, die zahlreich zum Prozess gekommen waren: „Ich mache weiter.“

 

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