Tierschützer vor Gericht
München - Im Mai deckten Aktivisten der „Soko Tierschutz“ schockierende Missstände in mehreren süddeutschen Mastbetrieben auf. Die Empörung war groß – und dann?
AZ: Herr Mülln, was ist seit Bekanntwerden des Skandals passiert?
FRIEDRICH MÜLLN: Nichts – obwohl wir gegen zwei Betriebe im Kreis Dillingen Anzeige erstattet haben, wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und die Fleischhygiene. Der erste galt als absoluter Vorzeigestall. Aber wir haben gefilmt, wie versucht wurde, etwa 20 Puten mit Knüppeln totzuschlagen und wie Tiere lebend, teils noch flatternd in Mülltonnen geworfen wurden. Außerdem haben wir dokumentiert, wie einige Tiere aus der Krankenstation im Hinterhof geschächtet wurden. Die kranken Tiere wurden dann ab Hof zum Kauf angeboten oder vermutlich sogar zu Sportfesten verschenkt.
Was haben Sie im zweiten Mastbetrieb beobachtet?
Unsere verdeckte Ermittlerin hat gefilmt, wie Puten auf Geheiß der Firmenchefin mit Knüppeln und Zange getötet wurden. Dabei waren das Tiere am Ende der Mast mit 15 bis 20 Kilogramm. Laut Gesetz muss in dieser Gewichtsklasse ein Bolzenschussgerät verwendet werden. Die Frau wusste das auch. Sie hat halbtags als Kontrolleurin beim Landratsamt Dillingen gearbeitet und war dort unter anderem für Tierschutz zuständig.
Die Frau wurde beurlaubt. Was geschah noch?
Von Seiten der Polizei Dillingen wurde massiver Druck auf uns Tierschützer ausgeübt: Wir sollen unsere Informanten nennen, hieß es. Obwohl wir den Ermittlern unser gesamtes Material zur Verfügung gestellt haben, wurde ich wegen Strafvereitelung, Hausfriedensbruch und Filmen im höchstpersönlichen Lebensbereich – gemeint ist übrigens der Putenstall – angezeigt. Letzteres gilt auch für die verdeckte Ermittlerin. In Sachen Anzeigen steht es also 2 gegen 4, leider zu unserem Nachteil.
Welche Konsequenzen hatte die Story für die Mäster?
Bislang keine. Beide Betriebe produzieren, die Ställe sind voll. Im einen gab es eine Razzia, allerdings zehn Tage nach der Aufdeckung des Skandals – dass man da nichts mehr findet, ist wenig verwunderlich.
In einem anderen Fall kam der von Ihnen beanstandete Betrieb mit einer Buße von 1800 Euro davon. Recht wenig im Vergleich zu der Münchnerin, die 14 Katzen verwahrlosen ließ und 7500 zahlen musste.
Diese Firma südlich von Hamburg hatte Schlachtrupfmaschinen zur Daunengewinnung bei toten Gänsen an lebenden Tieren eingesetzt. Das Verfahren wurde eingestellt. Die industrielle Tierhaltung ist eben eine heilige Kuh. Dass bei Privatpersonen mit anderem Maß gemessen wird, erleben wir immer wieder.
Kommenden Mittwoch stehen Sie selbst in München vor Gericht. Warum?
2010 haben wir – damals war ich noch bei einer anderen Tierschutz-Organisation – in Ungarn dokumentiert, wie Gänse bei lebendigem Leib gerupft wurden, was in der gesamten EU verboten ist. Wir haben einen Daunentransporter bis zu Firmen in Cham und München verfolgt, auch die AZ hat anschließend darüber berichtet. Ein Informant hat damals Audioaufnahmen gemacht, auf denen zu hören ist, wie ein Lagerarbeiter sinngemäß sagt: Das ist doch Lebendrupf, das ist verboten.
Was wirft man Ihnen vor?
Dass ich diesen Informanten zu Aufnahmen im höchstpersönlichen Bereich – diesmal eine Lkw-Rampe – angestiftet hätte. Das ist falsch. Die haben nichts, außer der Tatsache, dass ich mich in den letzten Jahren extrem gegen Lebendrupf engagiert habe. Trotzdem soll ich knapp 4000 Euro zahlen und dagegen wehre ich mich. Was mich übrigens besonders ärgert: Während gegen mich ermittelt wird, wurden alle unsere Anzeigen wegen Lebendrupf eingestellt.
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