Tierschutzverein über wartende Listenhunde: "Die Verantwortung steht hinter der Leine"
München - Der American Staffordshire Terrier zeichne sich aus durch Aggressivität und Gefährlichkeit, die den Hunden dieser Rasse unwiderlegbar unterstellt wird - so heißt es zumindest in den rechtlichen Regelungen, die begründen, warum ihre Haltung in Bayern nicht erlaubt ist. Ace scheint davon nichts zu wissen. Seelenruhig liegt der dreijährige Rüde zu Füßen von Tierheimsleiterin Eva-Maria Natzer. Später stützt er sich schwanzwedelnd mit den Pfoten auf den Knien von Claus Reichinger ab, um sich von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Münchner Tierschutzvereins streicheln zu lassen.
Münchner Tierheim: 24 Listenhunde warten hier auf ein neues Zuhause
Ace, der American Staffordshire, ist einer von 24 sogenannten Listenhunden, die derzeit im Münchner Tierheim auf ein neues Zuhause warten. Sie stehen stellvertretend für einen Trend, wie Reichinger bei der Jahrespressekonferenz berichtete: Immer mehr vermeintlich gefährliche Hunde landen im Tierheim und können nur schwer vermittelt werden. Hintergrund ist laut Reichinger oft Unwissen: Insbesondere aus dem Ausland würden sich vermehrt Menschen Hunde holen, ohne so genau zu wissen, um welche Rasse es sich da eigentlich handele und wie man mit ihr umgehen müsse. Denn Listenhunde seien nicht automatisch aggressiv, sagt Reichinger: "Die Verantwortung kommt von dem, der hinter der Leine steht." Mit der richtigen Erziehung könnten die Rassen zu Familienhunden werden.
Überforderte und uninformierte Besitzer sind eines der Hauptprobleme
Am adäquaten Umgang scheitert es jedoch häufig. Das Team des Tierheims erlebt laut Reichinger vermehrt, dass uninformierte Besitzer letztlich doch überfordert sind und den Vierbeiner abgeben. Dann sei es oft schon zu spät und der Hund habe aufgrund der falschen Sozialisierung Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. So kommt es, dass im Münchner Tierheim immer mehr schwer vermittelbare Tiere ausharren. Auch die Auswirkungen der Pandemie zeigen sich noch: In den Lockdown-Phasen kauften sich viele unüberlegt ein Tier, nur um festzustellen, dass doch die Zeit fehlt oder die Verantwortung zu groß ist. Viele der Haustiere landeten schnell wieder im Tierheim. Mittlerweile ist die Nachfrage gesunken, sagt Reichinger. Während vor der Pandemie noch zwischen 500 und 600 Hunde pro Jahr vermittelt wurden, waren es im vergangenen Jahr nur 330. Insgesamt versorgte das Tierheim im Schnitt 2023 rund 800 Tiere pro Tag.
Gleichzeitig wird die finanzielle Lage immer schwieriger: Insbesondere die enorm gestiegenen Tierarztkosten machen dem Tierheim zu schaffen. Insgesamt rund 13,5 Millionen Euro Ausgaben hatte der Tierschutzverein im vergangenen Jahr, davon allein 6,5 Millionen an freiwilligen Leistungen wie beispielsweise die Tierschutzinspektion, die unter anderem Tiere aus Misshandlung rettet. Von Stadt und Landkreis München erhält der Verein laut Reichinger nur insgesamt rund 1,1 Millionen erstattet. So sei man auf Erbschaften und Spenden angewiesen - die seien aber nur schwer kalkulierbar. Reichinger wünscht sich mehr Unterstützung von der Stadt. Freiwillige Leistungen seien nicht verzichtbar: "Wir werden nicht ein Tier nicht versorgen, nur weil es nicht in die Pflichtaufgaben fällt."
Aktionstag für Listenhunde am Samstag
Das Team hat noch viel vor, wie Reichinger erzählt. Aktuell ist ein neues Projekt zur Auswilderung von Wildvögeln in Planung, in das der Verein circa 100.000 Euro investiert. Zudem will das Tierheim Listenhunde wie Ace populärer machen. Bei einem Aktionstag an diesem Samstag (11 bis 17 Uhr) will es mit Vorurteilen aufräumen. "Man kann Rassen nicht in eine Schublade stecken, sondern muss jedes Lebewesen einzeln anschauen", sagt Reichinger.
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