Tierisch amourös – so feiert der Tierpark Hellabrunn den Pride Month

Regenbogen-Familien, Selbstbefriedigung und flotte Dreier: Tiere werden nicht nur zur Fortpflanzung sexuell aktiv. Das zeigt eine Sonderführung im Tierpark Hellabrunn zu den Pride Weeks.
Carmen Merckenschlager
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
10  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bei den Flamingos im Tierpark Hellabrunn gibt es homosexuelle Pärchen. Für viele gilt der Flamingo als Wappentier in der queeren Community.
Bei den Flamingos im Tierpark Hellabrunn gibt es homosexuelle Pärchen. Für viele gilt der Flamingo als Wappentier in der queeren Community. © Petra Schramek

München - Bei Max und Benny geht es manchmal so heiß her, bis der Rücken komplett nass ist. Die beiden Zoolöwen vertreiben sich gerne die Zeit beim Liebesspiel – beide sind männlich.

In Hellabrunn sind die beiden Großkatzen sogar als die schwulen Löwen bekannt. Damit sind sie aber längst nicht die einzigen Tiere, die homosexuelles Verhalten zeigen.

Löwen im Tierpark Hellabrunn zeigen: Homosexualität gibt es auch im Tierreich

Im Zuge der Pride Weeks bietet der Tierpark Hellabrunn als Kooperationspartner des CSD München wieder Sonderführungen an. Zu den Themen "Homosexualität im Tierreich" sowie "Tierische Diversität im Zeichen des Regenbogens" erklärt Zooführerin Ilse Tutter allerhand Spannendes zum Sexualverhalten verschiedener Tierarten. Recht schnell ist klar: Dass Tiere Sex rein aus Fortpflanzungsgründen hätten, ist Blödsinn.

Ganz wichtig ist Tutter, zu betonen: "Tiere zeigen homosexuelles Verhalten, sie sind nicht homosexuell. Zumindest können wir sie das nicht fragen", erklärt Tutter.

Alexander Kluge (l.), Geschäftsführer des CSD München und Rasem Baban, Tierparkdirektor von Hellabrunn, freuen sich über die Veranstaltungen mit Zooführerin Ilse Tutter. Heute findet die erste Führung statt.
Alexander Kluge (l.), Geschäftsführer des CSD München und Rasem Baban, Tierparkdirektor von Hellabrunn, freuen sich über die Veranstaltungen mit Zooführerin Ilse Tutter. Heute findet die erste Führung statt. © Petra Schramek

Eine Sexualkunde-Lehrerin führt durch den Tierpark Hellabrunn

Seit 20 Jahren ist sie in Hellabrunn tätig. Früher hat sie Sexualkunde unterrichtet. Ein homosexueller Zookollege berichtete ihr früher immer wieder, wie schwer der Kampf für Akzeptanz sei. "Da ist die Führung doch eine wunderbare Sache. Außerdem: Über Sex zu reden macht doch eigentlich Spaß", sagt sie. Seit drei Jahren gibt es die Führung nun.

Lesen Sie auch

Tutter startet die Tour bei den Flamingos – allein schon wegen seiner Farbe gerne als Wappentier der Community angesehen. In Hellabrunn gibt es zwei verschiedene Arten der Vögel. Den roten und den rosa Flamingo. Untereinander wird sich nicht gepaart. Die jeweilige Art untereinander aber lässt es krachen. Zwar sind die Geschlechter der Vögel für Laien kaum zu erkennen.

Männliche Flamingopärchen adoptieren einsame Küken

Aber Beobachtungen zeigen: Es gibt sehr wohl schwule Flamingo-Pärchen. Die brüten in manchen Fällen sogar Eier aus. "Das homosexuelle Verhalten ist für Koloniebrüter wie die Flamingos sogar von Vorteil", weiß Tutter. Wird ein Küken verstoßen oder das Elternpaar stirbt, werden die Küken häufig von männlichen Flamingopärchen adoptiert.

Humboldt-Pinguine bleiben ein Leben lang ein Paar. Homosexuelle Pärchen brüten häufig verwaiste Eier aus.
Humboldt-Pinguine bleiben ein Leben lang ein Paar. Homosexuelle Pärchen brüten häufig verwaiste Eier aus. © Petra Schramek

So wird das auch bei Humboldt-Pinguinen beobachtet. Sie mögen es für Pinguinverhältnisse warm und leben ebenfalls in Hellabrunn. "Pinguinpaare bleiben ein Leben lang zusammen", so die Zooführerin. Aber auch Fremdgänger habe man unter den Wasservögeln schon beobachtet. Genauso wie homosexuelle Pärchen, die sich ebenfalls ihr Leben lang treu bleiben.

Münchner Zoo: "Flotte Dreier" bei den Graugänsen

"Die Annahme, dass Tiere nur zur Fortpflanzung sexuell aktiv werden, ist falsch. Bei den Waldbisons ist das häufig ein Ausdruck von Loyalität und Gruppenzugehörigkeit", erklärt Tutter.

Bei den Bisons in Hellabrunn watscheln auch ein paar Graugänse durchs Gehege. "Da kommt es schon mal zum sogenannten flotten Dreier", sagt Tutter verschmitzt. "Bei den Gänsen liegt es aber häufig daran, dass sich zwei Männchen um ein Weibchen streiten."

Für Waldbisons ist homosexuelles Verhalten häufig Ausdruck von Loyalität und Gruppenzugehörigkeit.
Für Waldbisons ist homosexuelles Verhalten häufig Ausdruck von Loyalität und Gruppenzugehörigkeit. © Petra Schramek

Das Motto der Bonobos: Make love, not war!

Auch Selbstbefriedigung sei ein Thema, das sich bei vielen Tieren beobachten lasse. Beim AZ-Besuch legt Gorilla-Dame Sonja eben schnell selbst Hand an. Kurz darauf droht sie den unerwünschten Zuschauern aber mit einem Kot-Wurf. Tutter: "Make love, not war! Das ist das Motto der Bonobos." Die genetisch nächsten Verwandten des Menschen – nicht in Hellabrunn ansässig – lösen nahezu jeden Konflikt mit sexuellem Kontakt.

"Von Delfinen wiederum weiß man, dass gegenseitig die Blaslöcher stimuliert werden. Auch gleichgeschlechtlich", fügt Tutter hinzu. Bei Giraffen wiederum seien sogar zwischen 30 und 40 Prozent der sexuellen Kontakte homosexuell. Damit sind sie queere Spitzenreiter.

Albatrosse nutzen Samenspende

Am Rande erzählt Tutter noch von einer Albatros-Art, von der rund 30 Prozent der brütenden Paare rein weiblich sind. Und wo kommt das Ei her? "Hier kann man wohl von einer Samenspende sprechen", sagt Tutter und lacht.

Auch über Transgeschlechtlichkeit spricht die Expertin. Anemonenfische – auch als Clownfische bekannt – können im Lauf ihres Lebens das Geschlecht wechseln. Wenn beispielsweise das Weibchen stirbt, wandelt das Männchen das Geschlecht und kümmert sich um die Jungen.

Lesen Sie auch

"Von 1.500 Arten weiß man, dass sie homosexuelles Verhalten zeigen – weil man es beobachtet hat. Das heißt nicht, dass es nicht viel mehr Arten gibt. Das gibt es in Gefangenschaft genauso wie in freier Wildbahn", erklärt die Führerin. Früher seien solche Beobachtungen häufig falsch dokumentiert worden. Tutter: "Was damals nicht sein 'durfte', wurde anders dargestellt. Dabei wurde bereits von Aristoteles Homosexualität im Tierreich dokumentiert."

In Hellabrunn gibt es derzeit nur weibliche Giraffen. Bei kaum einer anderen Art kommt es zu so viel gleichgeschlechtlichem sexuellen Kontakt wie bei Giraffen.
In Hellabrunn gibt es derzeit nur weibliche Giraffen. Bei kaum einer anderen Art kommt es zu so viel gleichgeschlechtlichem sexuellen Kontakt wie bei Giraffen. © Petra Schramek

Alexander Kluge, Geschäftsführer des CSD München, ist ob der Informationen ganz angetan von der Führung. "Ich glaube, jeder, der sich für Tiere interessiert kann aus der Führung etwas mitnehmen", sagt er. Über die Kooperation freut er sich, da durch wissenschaftliche Fakten im besten Fall Akzeptanz geschaffen werde.

Zooführerin im Tierpark Hellabrunn: Homophobie kennen nur Menschen

Tutter erklärt eine Menge interessanter Dinge; alles anschaulich und locker vorgetragen. Lernen kann dabei sicher jeder Besucher etwas. Der eine Fakt, der sich wohl am stärksten einprägt: "Homosexuelles Verhalten gibt es überall in der Natur. Homophobie wiederum existiert nur bei einer Spezies – dem Menschen."

An fünf Abenden werden die 90-minütigen Führungen angeboten. Treffpunkt ist je um 18 Uhr am Flamingo-Eingang. Die Führungen können ab sofort unter www.hellabrunn.de gebucht werden. Das Mindestalter beträgt 16 Jahre. Die Führung kostet 9,50 Euro zzgl. dem ermäßigten Eintritt von 13 Euro pro Person.

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
10 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Politikverdrossen am 18.06.2023 17:48 Uhr / Bewertung:

    Schön dass uns nun, nach dem menschlichen, auch das schwule Tierreich nahe gebracht wird. Ich habe das schon sooo vermisst! Wer Anzeichen von Ironie findet könnte richtig liegen.

  • Der wahre tscharlie am 18.06.2023 17:39 Uhr / Bewertung:

    "Homophobie kennen nur Menschen"
    Ja ja, die angebliche Krone der Schöpfung ..... grinsen

  • Dimpfe am 18.06.2023 08:31 Uhr / Bewertung:

    In Zoos werden oft nur gleichgeschlechtliche Gruppen gehalten (in München z.B. bei den Löwen, Giraffen, Eisbären, Bisons....). "Sex" ( = Fortpflanzung, Jungenaufzucht) gehört aber auch zum Leben der Tiere und wie sollen sie "Sex" bekommen, wenn es keinen Partner/Partnerin des anderen Gechlechtes gibt?

    Die Pinguine in Hellabrunn können noch wählen, ob sie einen Partner/Partnerin eines anderen Geschlechts haben möchten oder nicht. Bei den Giraffen, Löwen etc. können die Tiere das in München nicht.

    Wenn in einem Zoo das jeweils andere Geschlecht in einer Herde, Rudel, Gruppe etc. vorhanden ist und das Verhältnis (Anzahl männlicher und weiblicher Tiere) stimmt, haben die meisten Tierarten gar keinen "Bedarf" sich gleichgeschlechtlich zu orientieren. Ausgenommen evtl., wenn sich schwächere Männchen gegen stärkere Mänchen nicht beim "Kampf um eine Frau" durchsetzen können.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.