Tierisch amourös – so feiert der Tierpark Hellabrunn den Pride Month
München - Bei Max und Benny geht es manchmal so heiß her, bis der Rücken komplett nass ist. Die beiden Zoolöwen vertreiben sich gerne die Zeit beim Liebesspiel – beide sind männlich.
In Hellabrunn sind die beiden Großkatzen sogar als die schwulen Löwen bekannt. Damit sind sie aber längst nicht die einzigen Tiere, die homosexuelles Verhalten zeigen.
Löwen im Tierpark Hellabrunn zeigen: Homosexualität gibt es auch im Tierreich
Im Zuge der Pride Weeks bietet der Tierpark Hellabrunn als Kooperationspartner des CSD München wieder Sonderführungen an. Zu den Themen "Homosexualität im Tierreich" sowie "Tierische Diversität im Zeichen des Regenbogens" erklärt Zooführerin Ilse Tutter allerhand Spannendes zum Sexualverhalten verschiedener Tierarten. Recht schnell ist klar: Dass Tiere Sex rein aus Fortpflanzungsgründen hätten, ist Blödsinn.
Ganz wichtig ist Tutter, zu betonen: "Tiere zeigen homosexuelles Verhalten, sie sind nicht homosexuell. Zumindest können wir sie das nicht fragen", erklärt Tutter.

Eine Sexualkunde-Lehrerin führt durch den Tierpark Hellabrunn
Seit 20 Jahren ist sie in Hellabrunn tätig. Früher hat sie Sexualkunde unterrichtet. Ein homosexueller Zookollege berichtete ihr früher immer wieder, wie schwer der Kampf für Akzeptanz sei. "Da ist die Führung doch eine wunderbare Sache. Außerdem: Über Sex zu reden macht doch eigentlich Spaß", sagt sie. Seit drei Jahren gibt es die Führung nun.
Tutter startet die Tour bei den Flamingos – allein schon wegen seiner Farbe gerne als Wappentier der Community angesehen. In Hellabrunn gibt es zwei verschiedene Arten der Vögel. Den roten und den rosa Flamingo. Untereinander wird sich nicht gepaart. Die jeweilige Art untereinander aber lässt es krachen. Zwar sind die Geschlechter der Vögel für Laien kaum zu erkennen.
Männliche Flamingopärchen adoptieren einsame Küken
Aber Beobachtungen zeigen: Es gibt sehr wohl schwule Flamingo-Pärchen. Die brüten in manchen Fällen sogar Eier aus. "Das homosexuelle Verhalten ist für Koloniebrüter wie die Flamingos sogar von Vorteil", weiß Tutter. Wird ein Küken verstoßen oder das Elternpaar stirbt, werden die Küken häufig von männlichen Flamingopärchen adoptiert.

So wird das auch bei Humboldt-Pinguinen beobachtet. Sie mögen es für Pinguinverhältnisse warm und leben ebenfalls in Hellabrunn. "Pinguinpaare bleiben ein Leben lang zusammen", so die Zooführerin. Aber auch Fremdgänger habe man unter den Wasservögeln schon beobachtet. Genauso wie homosexuelle Pärchen, die sich ebenfalls ihr Leben lang treu bleiben.
Münchner Zoo: "Flotte Dreier" bei den Graugänsen
"Die Annahme, dass Tiere nur zur Fortpflanzung sexuell aktiv werden, ist falsch. Bei den Waldbisons ist das häufig ein Ausdruck von Loyalität und Gruppenzugehörigkeit", erklärt Tutter.
Bei den Bisons in Hellabrunn watscheln auch ein paar Graugänse durchs Gehege. "Da kommt es schon mal zum sogenannten flotten Dreier", sagt Tutter verschmitzt. "Bei den Gänsen liegt es aber häufig daran, dass sich zwei Männchen um ein Weibchen streiten."

Das Motto der Bonobos: Make love, not war!
Auch Selbstbefriedigung sei ein Thema, das sich bei vielen Tieren beobachten lasse. Beim AZ-Besuch legt Gorilla-Dame Sonja eben schnell selbst Hand an. Kurz darauf droht sie den unerwünschten Zuschauern aber mit einem Kot-Wurf. Tutter: "Make love, not war! Das ist das Motto der Bonobos." Die genetisch nächsten Verwandten des Menschen – nicht in Hellabrunn ansässig – lösen nahezu jeden Konflikt mit sexuellem Kontakt.
"Von Delfinen wiederum weiß man, dass gegenseitig die Blaslöcher stimuliert werden. Auch gleichgeschlechtlich", fügt Tutter hinzu. Bei Giraffen wiederum seien sogar zwischen 30 und 40 Prozent der sexuellen Kontakte homosexuell. Damit sind sie queere Spitzenreiter.
Albatrosse nutzen Samenspende
Am Rande erzählt Tutter noch von einer Albatros-Art, von der rund 30 Prozent der brütenden Paare rein weiblich sind. Und wo kommt das Ei her? "Hier kann man wohl von einer Samenspende sprechen", sagt Tutter und lacht.
Auch über Transgeschlechtlichkeit spricht die Expertin. Anemonenfische – auch als Clownfische bekannt – können im Lauf ihres Lebens das Geschlecht wechseln. Wenn beispielsweise das Weibchen stirbt, wandelt das Männchen das Geschlecht und kümmert sich um die Jungen.
"Von 1.500 Arten weiß man, dass sie homosexuelles Verhalten zeigen – weil man es beobachtet hat. Das heißt nicht, dass es nicht viel mehr Arten gibt. Das gibt es in Gefangenschaft genauso wie in freier Wildbahn", erklärt die Führerin. Früher seien solche Beobachtungen häufig falsch dokumentiert worden. Tutter: "Was damals nicht sein 'durfte', wurde anders dargestellt. Dabei wurde bereits von Aristoteles Homosexualität im Tierreich dokumentiert."

Alexander Kluge, Geschäftsführer des CSD München, ist ob der Informationen ganz angetan von der Führung. "Ich glaube, jeder, der sich für Tiere interessiert kann aus der Führung etwas mitnehmen", sagt er. Über die Kooperation freut er sich, da durch wissenschaftliche Fakten im besten Fall Akzeptanz geschaffen werde.
Zooführerin im Tierpark Hellabrunn: Homophobie kennen nur Menschen
Tutter erklärt eine Menge interessanter Dinge; alles anschaulich und locker vorgetragen. Lernen kann dabei sicher jeder Besucher etwas. Der eine Fakt, der sich wohl am stärksten einprägt: "Homosexuelles Verhalten gibt es überall in der Natur. Homophobie wiederum existiert nur bei einer Spezies – dem Menschen."
An fünf Abenden werden die 90-minütigen Führungen angeboten. Treffpunkt ist je um 18 Uhr am Flamingo-Eingang. Die Führungen können ab sofort unter www.hellabrunn.de gebucht werden. Das Mindestalter beträgt 16 Jahre. Die Führung kostet 9,50 Euro zzgl. dem ermäßigten Eintritt von 13 Euro pro Person.
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