Tempo 30 in der ganzen Stadt? München macht nicht mit

Sieben deutsche Großstädte wollen, dass 30 km/h die neue Regelgeschwindigkeit wird. München ist bei dem Projekt nicht dabei - warum die Grünen das bedauern.
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Würde es in der Maximilianstraße weniger chaotisch zugehen, wenn Autos in der ganzen Stadt nur noch 30 km/h fahren dürften?
Würde es in der Maximilianstraße weniger chaotisch zugehen, wenn Autos in der ganzen Stadt nur noch 30 km/h fahren dürften? © Peter Kneffel/dpa

München - Was haben Paris und Barcelona gemeinsam? Beides sind Großstädte mit Sinn für Kultur, Ästhetik, Genuss - in beiden war Picasso eine Zeit lang zu Hause. Und in beiden regieren Frauen, die ihre Städte grüner und lebenswerter machen wollen.

Dafür haben beide die gleiche Entscheidung getroffen: Autos sollen dort nur noch Tempo 30 fahren. Ab Ende August müssen sich Autofahrer in Paris an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Ausnahmen gelten nur noch für wenige große Straßen.

Weniger Lärm, mehr Sicherheit

In Barcelona wird schon seit mehr als einem Jahr Tempo 30 immer weiter ausgebaut. Und seit diesem Mai gilt in ganz Spanien innerorts 30 km/h als Regelgeschwindigkeit.

Die Argumente sind die gleichen wie in Paris: Weniger Lärm, mehr Sicherheit, weniger Schadstoffbelastung, mehr Klimaschutz.

Die Kommunen dürfen selbst entscheiden

Auch in Deutschland wollen sieben Großstädte ein flächendeckendes Tempolimit testen. Vorher müsste aber erst der Bundestag ein Gesetz ändern. Denn über die Regelgeschwindigkeit dürfen Kommunen bis jetzt nicht selbst entscheiden.

Nach der Bundestagswahl könnte sich das ändern. Dann sollen in Aachen, Augsburg, Freiburg im Breisgau, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm Autos nur auf großen Verkehrsadern mit 50 km/h unterwegs sein. München ist bei dem Projekt nicht mit dabei.

Die Grünen zeigen sich enttäuscht

Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher, der als Verkehrsplaner arbeitet, ist darüber enttäuscht: "Wir hätten gleich als erste Stadt vorne mit dabei sein können." Seine Fraktion hatte bereits Anfang des Jahres gefordert, dass sich die Stadt München beim Verkehrsministerium als Modellkommune für Tempo 30 bewirbt.

Für ein Tempolimit: Paul Bickelbacher (Grüne).
Für ein Tempolimit: Paul Bickelbacher (Grüne). © Gregor

Doch dazu kam es nicht. Denn es entspann sich ein Streit im Rathaus, der beinahe die Koalition gesprengt hätte. Der Vorschlag sei nicht abgesprochen gewesen, klagte die SPD damals. Man unterstütze keine "Anti-Auto-Ideologie".

Paul Bickelbacher ist jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass ein Tempolimit auch in München positive Effekte hätte. Zum Beispiel gehen die Grünen davon aus, dass der Verkehr sicherer würde und dass weniger Lärm und Abgase entstehen - weil der Verkehr besser fließen könne.

Die Stadt muss die Begrenzung immer erst genehmigen

Außerdem glaubt Bickelbacher, dass für Autofahrer die Verkehrsregeln einfacher zu durchschauen wären und dass Tausende Schilder abgebaut werden könnten.

Denn schon heute gilt auf 85 bis 90 Prozent der Straßen Tempo 30. Doch die Stadt muss die Begrenzung, zum Beispiel vor Schulen oder in Wohngebieten immer erst genehmigen - und dafür ein extra Schild aufstellen.

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Bereits 2011 habe die Verwaltung Tempo 30 vorgeschlagen und berechnet, dass dann nur noch ein Drittel der Verkehrsschilder notwendig wären, sagt Bickelbacher - nämlich bloß noch 4.000 statt wie heute 12.000.

Die SPD fordert einen Austausch der Schilder

Die SPD sieht das anders. Die Stadt könne die Schilder nicht einfach abbauen, sondern müsste sie austauschen, sagt der Verkehrsexperte der SPD, Nikolaus Gradl. Das sei aufwendig, teuer - und für viele Autofahrer verwirrend.

Gegen eine Begrenzung: Nikolaus Gradl (SPD).
Gegen eine Begrenzung: Nikolaus Gradl (SPD). © SPD

Außerdem könnte ein flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h den öffentlichen Nahverkehr ausbremsen, meint Gradl. Er hält es deshalb für richtig, dass Bezirksausschüsse der Verwaltung einzelne Straßen vorschlagen.

Das sagt das Mobilitätsreferat 

Tatsächlich würde sich in München wenig ändern, wenn die ganze Stadt zur Tempo-30-Zone würde. Das antwortet das Mobilitätsreferat auf eine Anfrage der AZ. Allerdings beobachtet das Referat auch, dass sich viele Bürger und Bezirksausschüsse mehr solcher Begrenzungen wünschen.

Gerade, wenn die Stadt in einzelnen Vierteln neue Verkehrskonzepte erarbeiten muss, könne "die Ausweitung von Tempo-30-Abschnitten ein erfolgversprechendes Ergebnis" sein. Auf gut Deutsch: In Zukunft müssen Autofahrer wohl auf noch mehr Straßen abbremsen.

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59 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Karl-Eva am 20.07.2021 15:05 Uhr / Bewertung:

    Weniger Schadstoffbelastung?
    Mein Auto braucht am wenigsten bei konstant 50 - 60 km/h. Kann ich auch nachvollziehen, da ich bei 30 km/h für 100 km über drei Stunden bräuchte, drei Stunden, in denen der Motor läuft, Roll- und Luftwiderstand überwunden werden müssen und Zusatzaggregate wie etwa die ganze Elektronik laufen.

  • Bürger Münchens am 20.07.2021 14:28 Uhr / Bewertung:

    Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit ist absolut sinnvoll.
    Und Regelgeschwindigkeit bedeutet auch, dass es Ausnahmen von der Regel geben kann!!!

    Aber dann müssen die Ausnahmen von der 30er Regel genau begründet und abgewogen werden, nicht umgekehrt wie bisher. Wieso sich die Münchner SPD bei Tempo 30 der modernen Wissenschaft zum Trotz, so ewig gestrig anstellt weiß wohl nur OB Reiter persönlich.

  • Der wahre tscharlie am 19.07.2021 19:43 Uhr / Bewertung:

    Seit heute morgen 50 Kommentare zu dem Thema. Respekt grinsen
    Ok, dass die "Autofetischisten" bei dem Thema Schnappatmung bekommen, normal. Genauso normal, wie die Breitseite gegen die "grünen Ideologen".

    Dass sich die Bürgermeisterinnen von Paris und Barcelona etwas bei der Tempo 30 Ausweitung gedacht haben, scheint völlig unterzugehen. Genauso, wie das Tempo 30 anscheinend nur innerhalb des Altstadtringes gelten soll. Was natürlich Sinn macht.

    Der Vorschlag ist also absolut zu befürworten:

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