Tausende demonstrieren in München gegen Corona-Beschränkungen
München - Am Samstagnachmittag haben sich Tausende Münchner auf dem Marienplatz versammelt, um gegen die Corona-Schutzmassnahmen zu demonstrieren. Anstatt der 80 angemeldeten Teilnehmer nannte die Polizei gegenüber der AZ eine Spitzen-Teilnehmerzahl von über 3.000 Personen. Insgesamt kam es zu sieben Festnahmen wegen Beleidigung, Widerstand, Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
Einige Teilnehmer seien nach Polizeiangaben radikal gesinnten Gruppierungen zuzuordnen gewesen. "Die Stimmung war emotional, das sicherlich", so Polizeisprecher Werner Kraus gegenüber der AZ, "das konnte man auch am Inhalt einiger Plakate ablesen. Aber Lager waren keine auszumachen, es hat sich gemischt."
Kritiker befürchten allerdings eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten.
Hinter dem Protest steht nach Agenturangaben eine Initiative namens "Querdenken". Die Veranstaltung in München war von einer Einzelperson angemeldet worden unter dem Thema "Grundrechte"; mehrere Bündnisse schlossen sich später an.
Der Journalist und Träger des Münchner Publizistikpreises Robert Andreasch, Rechtsextremismusexperte der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle, twittert über "viele Hools und Nazis" auf dem Marienplatz. Auf dem Max-Joseph-Platz etwa habe ein "Neonazi vom Dritten Weg über Amerikanisierung und Fremdherrschaft" gesprochen und dafür "viel Applaus" bekommen.
"Natürlich muss es möglich sein, die aktuellen Massnahmen zu kritisieren und sich politisch zu positionieren", so auch Münchner Grünen-Fraktionsvize Dominik Krause. "Aber die Demos sind recht schwer von "Querfront" geprägt, die ein geschlossenes, radikal rechtsextremes und verschwörungstheoretisches Weltbild vertreten."
Diese Querfront-Bestrebungen würden bewusst nicht als radikale Rechte auftreten, sondern als "besorgte Bürger" - und "massiv Verschwörungstheorien" äußern.
Auf über Twitter verbreiteten Aufnahmen ist zu sehen, dass die Demonstranten die Durchsagen der Polizei mit Pfiffen quittierten. Rufe wie "Lügenpresse", "Schämt Euch" und "wir sind das Volk" waren zu hören.
Polizei löst Demonstration nicht auf
Die Corona-Abstandsregelungen wurden in München nach Polizeiangaben nicht eingehalten. Die Polizei mahnte mit Lautsprecherdurchsagen zu Abstand, "allerdings sind wir aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht eingeschritten", so Polizeisprecher Kraus zur AZ.
Auch hier müsse es in Anschluß an die heutigen Vorfälle zu einer Auseinandersetzung zwischen Kreisverwaltungsreferat und Polizei kommen, kritisiert Politiker Dominik Krause: Es sei "nicht hinnehmbar", dass erlassene Regelungen nicht implementiert würden.
Die Demonstration sei laut Polizei friedlich verlaufen. Rund 300 Einsatzkräfte, darunter auch starke Kräfte, waren vor Ort. Vom Rathausbalkon aus filmte das USK die Veranstaltung.
München: Rechte Randveranstaltung aufgelöst
Unangemeldet versammelten sich zeitgleich am Fischbrunnen klar dem rechten Spektrum zuzuordnende Demonstranten. Sie wurden von der Polizei umstellt, und von 36 Personen wurden die Personalien aufgenommen. Diese Gegenveranstaltung wurde von der Polizei aufgelöst, um Zusammenstöße mit den Teilnehmern der angemeldeten friedlichen Hauptveranstaltung zu vermeiden. Auch auf dem Viktualienmarkt standen Menschen dicht an dicht.
Zeitgleich fanden in zahlreichen anderen Städten Proteste statt. Ein Live-Stream auf Youtube begleitete die Kundgebungen. In Berlin zogen die Demonstranten vor den Bundestag. Vor dem Reichstagsgebäude nahm die Polizei wegen Nichteinhaltung von Regeln zur Corona-Eindämmung etwa 30 Menschen fest. Mehrere Hundert Menschen versammelten sich am Alexanderplatz zu einer nicht angemeldeten Zusammenkunft.
Festnahmen in Berlin, Proteste auch in Stuttgart und Frankfurt
Stuttgart war ein Hotspot der Proteste: Auf dem Cannstatter Wasen waren nach Agenturangaben mehrere Tausend Menschen unterwegs. Die Behörden hatten maximal 10.000 Teilnehmer erlaubt; genaue Zahlen nannte die Polizei nach Agenturangaben heute nicht, betonte allerdings, dass die Sicherheitsbestimmungen hier meist eingehalten worden seien.
In Frankfurt trafen sich etwa 500 Demonstranten zu einer nicht angemeldeten Kundgebung. Auch in Köln kamen mehrere Hundert Menschen unangemeldet ohne Masken zusammen, darunter Kinder. Gegen die mutmaßliche Organisatorin wird nun wegen des Verstoßes gegen die Corona-Schutzverordnung, gegen das Versammlungsgesetz und das Infektionsschutzgesetz ermittelt.
In Nürnberg versammelten sich bei zwei Demonstrationen in der Innenstadt rund 2.000 Teilnehmer mit Schildern wie "Gegen Mundschutz-Pflicht" und "Nein zur Zwangsimpfung". Vor der Lorenzkirche skandierten sie "Wir sind das Volk".
Bereits vor einer Woche war es in München zu friedlichen Demonstrationen gegen die Einschränkungen während der Corona-Ausgangssperren gekommen - allerdings mit deutlich weniger Teilnehmern.
Eindrücke von den Protesten auf dem Marienplatz sehen Sie in der Bildergalerie oben.
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