Süße Früchte, bittere Erfahrungen: Ex-Wiesn-Schausteller feiert Auferstehung

Besuch bei Rudi Krug (69): Der ehemalige Wiesn-Schausteller feiert derzeit in Nürnberg Auferstehung nach einem harten Schicksalsschlag.
Peter Budig |
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Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin.
Berny Meyer 4 Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin.
Rudi Krug (69) in seinem neuen Verkaufsstand.
Berny Meyer 4 Rudi Krug (69) in seinem neuen Verkaufsstand.
Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin.
Berny Meyer 4 Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin.
Süße Früchte sind die Leidenschaft der Schaustellerfamilie Krug, die derzeit in Nürnberg verkauft.
Berny Meyer 4 Süße Früchte sind die Leidenschaft der Schaustellerfamilie Krug, die derzeit in Nürnberg verkauft.

München - Obst herrichten, saftige Erdbeeren oder süße Bananen aufstecken, den Spieß in flüssige "beste Schokolade" tauchen, das geht Rudolph "Rudi" Krug wie von selbst von der Hand. Seine Schokospieße sind in Bayern berühmt. Der knapp 70-jährige steht dabei in seinem nagelneuen Verkaufswagen am Nürnberger NürnBärLand, einem Ersatzformat zu Coronazeiten für die ausgefallenen Volksfeste.

"In zwei Sekunden die ganz Existenz verloren"

Das blitzende Verkaufsgeschäft, erst kürzlich fertiggestellt, steht vor der mächtigen Kulisse der Nürnberger Kongresshalle. Der Hintergrund dieser Neuanschaffung ist eine von zahlreichen Katastrophen, die einen so in 40-jähriger Schausteller-Früchte-Krug Familiengeschichte ereilen. Und dann kam ja noch das andere dazu.

Rudi Krug (69) in seinem neuen Verkaufsstand.
Rudi Krug (69) in seinem neuen Verkaufsstand. © Berny Meyer

Im August 2019, Sohn Simon Krug war auf dem Weg zum neuen Standort von Günzburg nach Hof, ereignete sich ein schwerer Unfall. Das Lenksystem des Zugfahrzeuges verkeilte sich ohne ersichtlichen Grund und blockierte. Der Lastwagen und der Verkaufsladen im Schlepptau überschlugen sich und erlitten einen Totalschaden. Wie durch ein Wunder kam der Sohn von Rudi Krug mit ein paar Kratzern davon. "In zwei Sekunden die ganze Existenz verloren", seufzt Krug rückblickend.

Und jetzt? Für den in die Jahre gekommenen Lastkraftwagen gab es keine Entschädigung von der Versicherung, fürs Geschäft viel zu wenig. Da steht eine Schausteller-Dynastie von acht Generationen am Scheideweg. Investitionen von einigen 100.000 Euro türmen sich wie schwarze Wolken am Himmel auf. Woher nehmen?

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Der Familienrat der Krugs tagte. Vater Rudolf, 1952 geboren, seit 1975 mit glasierten Früchten unterwegs, aus einer uralten Dynastie stammend, ein frühes Foto zeigt den Urgroßvater und dessen Brüder in Akrobatenkleidung, in Nürnberg war das "Teufelsrad" bekannt. Die Ehefrau, geborene Strasser, die Familie besaß ein Kinderkarussell. Die Söhne Simon (39) und Josef (30) versicherten, dass sie das Geschäft weiter betreiben wollten; insgesamt zwei Verkaufswägen, die in normalen Jahren nonstop auf Volksfesten und Kirchweihen in Bayern unterwegs sind.

Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin.
Mutter Henriette und Sohn Josef Krug mit einer Mitarbeiterin. © Berny Meyer

Also wurden Ersparnisse zusammengelegt, die Altersvorsorge von Vater Rudi aufgelöst, der neue, wieder knallrote Wagen in Auftrag gegeben. Er hat eine viel größere Produktionsfläche, mit bunten Früchtebildern, "Glasierte Früchte" steht in einem geschwungenen Schriftzug über allem. Endlich starten, Geld verdienen. Doch dann kam Corona - und für Schausteller fast zwei Jahre im Berufsverbot.

Endlich ein Lichtblick: Das NürnBärLand mit seinen Besucherbeschränkungen ist wirtschaftlich gesehen der berühmte Tropfen, doch Krug ist davon hellauf begeistert.

"Was der Verband in Nürnberg da hingestellt hat [...], es ist wie eine Auferstehung"

Der Schausteller, der mit seiner Frau in München lebt, in Staffelstein eine Ferienwohnung besitzt, ging in der Lockdown-Zeit so viel in der Fränkischen Schweiz wandern, wie im ganzen Leben bisher nicht: "Was der Verband in Nürnberg da hingestellt, uns ermöglicht hat, dass wir wieder raus können, dass unser Leben zurück ist, die Lichter, die Geräusche, alle die bekannten Gesichter, die große Krugfamilie beisammen, es ist wie eine Auferstehung", sagt er.

In der Vitrine, sauber aufgereiht, locken die Erdbeer-, Ananas-, Bananen-, Traubenspieße in Vollmilch-, weißer oder Zartbitterschokolade. Viele Volksfestfans sagen: die besten am Platz. Die Früchte werden morgens am Großmarkt handverlesen ausgewählt.

Süße Früchte sind die Leidenschaft der Schaustellerfamilie Krug, die derzeit in Nürnberg verkauft.
Süße Früchte sind die Leidenschaft der Schaustellerfamilie Krug, die derzeit in Nürnberg verkauft. © Berny Meyer

Um 1975, Rudi Krug lebte in München und verkaufte gebrannte Mandeln und Süßkram, kam der Impuls: "Es gab zu wenig Feste. Also hab ich mit dem Haberl vereinbart, dass ich in der Olympiahalle beim Sieben-Tage-Radrennen oder bei Musikveranstaltungen meinen Stand aufbauen darf."

"Bananen und Erdbeeren gehen immer am besten"

Hermann Haberl, 2011 mit 71 Jahren verstorben, ist eine Münchner Gastronomen-Legende, Wiesnwirt der Ochsenbraterei, Chinesischer Turm, Am Flaucher, Olympiahalle, ein kleines Imperium und ein Chef, der den Beruf, der seine Leute liebte, der Charme besaß und Humor. Haberl öffnete Krug die Türen für ein neues Einkommen und andere Verkaufsmöglichkeiten. "Ich hab meine Waren, Popcorn, gebrannte Mandeln, bei Konzerten von Pink Floyd und den Rolling Stones verkauft, das war aufregend".

Dann erweiterte er das Angebot, experimentierte mit zuckerglasierten Äpfeln, bald kamen Weintrauben hinzu. Das erste neue Geschäft mit Früchten hat noch Henriette Krug selbst bemalt, "ich hab ein Händchen für sowas, immer gehabt", sagt die Seniorchefin lächelnd, die ebenso im Wagen am NürnBärLand steht und verkauft. Bis 2019 standen sie auf der Wiesn.

"Ob Bayern oder Franken, Bananen und Erdbeeren gehen am besten", so Krug, der selbst am liebsten Erdbeerspieße isst, "und im Winter Mandarinen; meine Frau schwört auf frische Ananas".

Die Rente steckt in diesem Früchtetraum, aber wer ein Leben lang morgens am Großmarkt, bis abends im Verkaufswagen werkelt, der ist nicht so ruhestandsverliebt. Die Leute werden sich freuen, auf die süßen Schokofrüchte vom Krug, die es weiter gibt.

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  • Bluto am 10.09.2021 11:52 Uhr / Bewertung:

    Schöner Text! Danke für einen Blick in die Welt derjenigen, die während der Pandemie unter die Rubrik: "Man wird ja mal für ein paar Wochen aufs Feiern verzichten können!" gefallen sind.

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