Streit mit der MVG: Schwarzfahrer trotz Ticket
München - Peter Marwan ringt noch immer um Fassung, als er der AZ erzählt, wie er zum Schwarzfahrer wurde. Dabei hatte der Tag damals bei goldenem Oktoberwetter so schön begonnen. Marwan ging nach Feierabend zu einem Freizeitkick nahe dem Kolumbusplatz. Auf dem Rückweg in der U2 Richtung Feldmoching wurde er kontrolliert. Marwan zeigte gelassen seine Fahrkarte.
Bußgeld trotz gültiger Fahrkarte
"Ich war mit einer gültigen Wochenkarte unterwegs, von Ring 2 bis 7", sagt Marwan, der am 20. Oktober an der Theresienstraße kontrolliert wurde. Die Haltestelle liegt auf der Grenze zwischen Ring 1 und 2. Doch die Kontrolleure sahen das anders. Er müsse ja schon innerhalb des ersten Ringes eingestiegen sein, so ihr Argument, da ja Marwan bereits im Zug gesessen habe, als die U2 an der Theresienstraße losfuhr.
Also stellten die beiden Kontrolleure Marwan trotz gültiger Karte das "erhöhte Beförderungsentgelt" aus, in Höhe von 60 Euro. Alle Erklärungsversuche halfen nichts. Marwan vergaß zu erwähnen, dass er innerhalb des ersten Ringes mit einer Fußballergruppe unterwegs gewesen ist, die ein Gruppenticket hatte. "Aber das hätte ich in dem Moment eh nicht beweisen können und fand es auch nicht relevant", sagt Marwan.

Online-Beschwerde bei der MVG: Nur automatisierte Antwort
Als er zu Hause in Unterschleißheim ankam – inzwischen war die Aufregung ein wenig verflogen –, setzte er sich an den Computer und rief die Online-Beschwerde-Seiten der MVG auf. Das Online-Formular füllte er aus. Diesmal vergaß er auch nicht, zu erwähnen, dass er zuvor im Ring 1 mit einem gültigen Gruppenticket unterwegs gewesen ist.
Doch die Antwort per Mail war ernüchternd. Sie klang automatisiert, da sie nicht auf die Details einging, die Marwan genannt hatte. Die lapidare Bitte: Er solle doch das erhöhte Beförderungsentgelt begleichen, weil er schlicht ohne gültige Fahrkarte erwischt worden sei. Irritierend fand Marwan, dass am Ende ein Mitarbeiter einer Inkasso-Firma namens "EBE" unterschrieb, was einschüchternd und bedrohlich wirkte. Er verzweifelte langsam. Offenbar hörte ihm keiner richtig zu. Sollte er einfach zahlen und seine Ruhe haben?
Schlichtungsstelle SÖP: Ticketkontrolle für gefahrene Strecke zulässig
Für genau solche Fälle gibt es eigentlich die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin. Sie wird aktiv, wenn sich Fahrgäste wie Marwan an sie wenden. Die SÖP versucht auszuloten, ob es beim Bußgeld Verhandlungsspielraum gibt oder nicht – und ob es überhaupt zu Recht ausgesprochen wurde.
Zunächst schien die Rechtslage gegen Marwan zu sprechen. Denn: "Kontrolleure dürfen grundsätzlich auch für die bereits zurückgelegte Strecke ein gültiges Ticket verlangen", sagt der Geschäftsführer der SÖP Heinz Klewe.

Geregelt ist das alles in der "Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen", § 9 Abs. 2 BefBedV. Hier heißt es etwas allgemein formuliert: "hierbei kann das erhöhte Beförderungsentgelt nach dem Ausgangspunkt der Linie berechnet werden, wenn der Fahrgast die zurückgelegte Strecke nicht nachweisen kann".
MVG: "Entscheidend ist für uns der Zeitpunkt der Kontrolle."
Doch die Praxis unterscheidet sich offenbar je nach Betreiber und Bundesland. Denn die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) prüfte nach einer AZ-Anfrage den Fall Marwan – und entschuldigte sich. "Wir werden den Betrag umgehend erstatten", stand in der Mail der MVG von Sprecher Matthias Korte. Grundsätzlich sei es so: "Entscheidend ist für uns der Zeitpunkt der Kontrolle."
Marwan ist erleichtert. Mit Hilfe der AZ konnte er sich einen wochenlangen Streit mit der MVG, beziehungsweise einer Inkasso-Firma ersparen. Doch warum nicht gleich so, fragt man sich im Nachhinein. Waren die Kontrolleure schlecht geschult oder wollten sie ein Bußgeld erzwingen, um ihre Treffer-Quote zu steigern? Die MVG antwortete auf diese Fragen nicht konkret.
Ab 15. Dezember einheitlicher Innenraumtarif
Marwans Geschichte zeigt: Häufig lohnt es sich, gerade bei so komplexen Schwarzfahrer-Situationen um sein Recht zu kämpfen, auch wenn es ähnliche Vorfälle in einigen Monaten nicht mehr geben wird – zumindest nicht im Innenraum. Ab 15. Dezember wird das Stadtgebiet zu einer einzigen Zone M ohne Ringe zusammengefasst. Die Grenze dieser M-Zone verläuft dann bei Haltestellen wie Feldmoching, Ottobrunn oder Planegg. "Als jemand, der etwas außerhalb Münchens wohnt, freue ich mich sehr auf die Reform", sagt Marwan, "denn eigentlich nutze ich den ÖPNV gerne."
Für Marwan und für die Kontrolleure wird die Lage ab 15. Dezember deutlich einfacher. Nach der MVV-Reform wird zum Beispiel das M-Zonen-Monatsticket (Heute Ring 1 bis 4) 55,20 Euro kosten. Das ist günstiger als das heutige Monatsticket für die Ringe 1 und 2.
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