Kein Stift dabei: Senior wird zum Schwarzfahrer

Ein Fahrgast hat sein Bayern-Ticket nicht unterschrieben –und soll deshalb 60 Euro zahlen. Rechtlich ist der Fall klar, aber er wirft Fragen auf.
Thilo Schröder |
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Rudolf Scheglmann mit seinem BOB-Ticket. Strafe zahlen muss er trotzdem.
Daniel von Loeper Rudolf Scheglmann mit seinem BOB-Ticket. Strafe zahlen muss er trotzdem.

Ein Fahrgast hat sein Bayern-Ticket nicht unterschrieben – und soll deshalb 60 Euro zahlen. Rechtlich ist der Fall klar, aber er wirft Fragen auf.

München - Als Rudolf Scheglmann (75) am 19. Oktober am Hauptbahnhof in die Bayerische Oberlandbahn (BOB) Richtung Osterhofen bei Bayrischzell steigt, ist er sich keines Fehlverhaltens bewusst. Am Bahnsteig hat er ein Bayern-Ticket gelöst. Als wenige Minuten nach Abfahrt eine Schaffnerin kommt, bittet er sie um einen Kugelschreiber, um seinen Namen darauf einzutragen.

Doch sie nimmt ihm das Ticket aus der Hand und verlangt nach seinem Ausweis. Nein, sie könne ihm keinen Stift geben. Sie hätten derzeit verschärfte Kontrollen. Es würde zu viel getrickst und Fahrkarten untereinander ausgetauscht. Sie stellt Scheglmann einen Bußgeldbescheid über 60 Euro aus.

So schildert er es der AZ. Scheglmann ist empört: "Ich hab’ gleich gefragt, weil ich ja weiß, dass man den Namen eintragen soll. Was soll diese Schikane?"

BOB-Sprecher rechtfertigt Vorgehen

Die Bahnen des bayerischen Nahverkehrs kontrollierten im Oktober verstärkt in ihren Zügen. Sie achteten dabei insbesondere auf die korrekte Nutzung von Pauschalpreistickets, wie dem Bayern-Ticket. "Wir möchten die Fahrgäste sensibilisieren, wie mit diesen stark rabattierten Angeboten umzugehen ist", sagt BOB-Sprecher Christopher Raabe. Das werde auch in den Zügen durchgesagt.

Bewusster und unbewusster Missbrauch führten zu Einnahmeverlusten, heißt es in einer Pressemitteilung. Und das bestrafe ehrliche Fahrgäste, sollten die Bahnen solche Tickets deshalb gegebenenfalls mittelfristig nicht mehr anbieten können. Das Bayern-Ticket ist mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro das bundesweit erfolgreichste Länderticket.

Scheglmann habe sich "etwas ungeschickt" verhalten, in dem er sich vorab nicht ausreichend über die Beförderungsbedingungen informiert habe, sagt Raabe. Bayern-Tickets müssten "grundsätzlich vor Fahrtantritt unterschrieben und ausgefüllt" werden.

ProBahn kritisiert: "Nicht verhältnismäßig"

Ein Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn stimmt zwar grundsätzlich zu, dass diese Regelung einzuhalten sei. In diesem Fall sei das aber "nicht verhältnismäßig", weil Scheglmann sich ja gleich an die Schaffnerin gewandt und keine Betrugsabsicht gehabt habe. In solchen Situationen sei es üblich, Kulanz zu zeigen.

"Es gibt natürlich auch immer Kulanzregelungen", räumt BOB-Sprecher Raabe ein. Im Zweifelsfall könnten sich Fahrgäste aber nicht darauf berufen. Wer keinen Stift zur Hand habe, solle sich vorab an ein Kundencenter wenden, andere Fahrgäste fragen oder proaktiv auf den Schaffner zugehen.

Letzteres hat Scheglmann getan. Er kritisiert: "Die müssen das System ändern, sodass man direkt am Automaten seinen Namen einträgt."

Das MVV-Ticket hätte auch in der BOB gegolten

Der Fall ist aber noch verzwickter. Scheglmann besitzt eine Seniorenkarte für das MVV-Gesamtnetz, das der Zug zum Kontrollzeitpunkt noch nicht verlassen hatte. Folglich besaß er einen gültigen Fahrschein, hätte das Bayern-Ticket also noch ausfüllen dürfen. Dass die Karte auch in den BOB-Zügen gilt, das habe er jedoch nicht gewusst, sagt Scheglmann, und der Kontrolleurin deshalb die Karte nicht gezeigt.

BOB-Sprecher Raabe sieht ihn in der Verantwortung. Es sei "grundsätzlich nachvollziehbar, dass Kundenbetreuer in solchen Fällen nicht nach anderen Fahrscheinen fragen".

BOB verlangt volle Strafe von 60 Euro

Doch für Scheglmann kommt es noch schlimmer. Er wendet sich an ein BOB-Kundencenter, dort sagt man ihm: Da Seniorenkarten übertragbar seien, könne im Nachhinein nicht festgestellt werden, ob er die vorgelegte zum Kontrollzeitpunkt bei sich gehabt habe. Er müsse die vollen 60 Euro Strafe zahlen und nicht nur die reduzierte Gebühr von 7 Euro.

Rudolf Scheglmann fühlt sich ungerecht behandelt. "Es geht mir nicht um die 60 Euro, sondern ums Prinzip", sagt er. "Das passiert ja vielen." Am Samstag läuft die 14-tägige Zahlungsfrist ab. "Bis jetzt hab ich noch nichts gezahlt. Ich überlege, es drauf ankommen zu lassen."

Der Pro-Bahn-Sprecher rät ihm, sich an eine Schlichtungsstelle zu wenden, um eine Kulanzregelung zu erzielen. Denn rein rechtlich gesehen, so die Verbraucherzentrale Bayern, ist die Bußgeldforderung gerechtfertigt.

Lesen Sie hier: Riskante Spurführung für Radler in der Marsstraße

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