Stickoxid-Belastung in der Stadt: Hier ist München verpestet

Die Kapuzinerstraße ist laut Greenpeace stärker als die Landshuter Allee mit Stickoxiden belastet: Jetzt beschäftigt sich die Vollversammlung mit der Verschmutzung und ein Bündnis macht Druck.
von  Jasmin Menrad
Völlig verpestet: Die Steinsdorfstraße entlang der Isar.
Völlig verpestet: Die Steinsdorfstraße entlang der Isar. © Grafiken: Greenpeace

München - Schwarz. Rot. Gold. So schaut München auf einer Karte von Greenpeace aus, die die Stickoxid-Belastung von Straßen zeigt: Je dunkler die Farbe, desto höher die Belastung. Schon bei Rot wird der Stickoxidgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten.

Veröffentlicht werden die NO2-Werte von der Stadt. Da nicht jede Straße eine NO2-Messstation hat, berechnen Wissenschaftler die Werte für das Stadtgebiet. Dafür nutzen sie die Ergebnisse der Messstationen, aber auch Faktoren, die die Stickoxidbelastung beeinflussen: Wetter, Verkehrsaufkommen und Bebauung.

Landshuter Allee gilt als dreckigste Straße Münchens

So ist auch zu erklären, warum eine zwar viel befahrene, aber kaum bebaute Straße teilweise besser abschneidet als eine weniger frequentierte, aber eng bebaute Straße, in der Schadstoffe in Straßenschluchten hängenbleiben und nicht vom Wind vertrieben werden.

Laut den Berechnungen von Greenpeace wird in der Frauenstraße nahe des Viktualienmarkts mit über 80 µg/m³ ein ähnlicher Wert erreicht wie an der Landshuter Allee, die bislang als dreckigste Straße Münchens galt. Noch höher ist die Stickstoffdioxidbelastung in der Kapuzinerstraße nahe der Isar. Dort liegt der ermittelte Wert bei über 100 µg/m³. Die Daten für München sind aus dem Jahr 2015. Doch bald kommen viele neue Werte hinzu. (Lesen Sie dazu auch: Tunnel an der Landshuter Allee - Noch in den Kinderschuhen)

20 neue Messstationen für München

Denn jetzt beschäftigt sich auch der Stadtrat mit den schädlichen Stickoxiden. In der Vollversammlung am Mittwoch stellt Umweltreferentin Stephanie Jacobs (parteilos) 20 neue Standorte für Messstationen für Stickstoffdioxid vor. Die Messstationen sollen heuer zusätzlich zu den schon 20 Stationen in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) aufgestellt und betrieben werden. So hat es der Stadtrat im November 2018 beschlossen.

"Damit erhalten wir ein noch genaueres, flächendeckenderes Bild von der tatsächlichen und nicht nur von der berechneten Luftsituation in unserer Stadt", sagt Jacobs. Bisher ist München auf dem unrühmlichen ersten Platz der deutschen Städte mit der höchsten Stickstoffdioxidbelastung. Seit 2005 sollte der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel eingehalten werden.

Doch nach Angaben der Regierung von Oberbayern wird dieser Grenzwert an 260 Straßen im Stadtgebiet überschritten. Ist ihr Viertel auch dabei? Das sind die Vorschläge des Umweltreferats für neue Messstationen: Altstraße 24, Dachauer Str. 264, Lerchenauer Str. 207, Dülferstr. 28, Oberföhringer Str. 236, Tegernseer Landstr. 19, Hansastr. 99, Paul-Heyse-Str. 8, Sauerbruchstr. 52, Belgradstr. 10, Mühlbaurstr. 31, Welfenstr. 38, Bad-Schachener-Str. 69, Putzbrunner Str. 5, Humboldstr. 13, Ridlerstr. 30, Plinganserstr. 18, Elsenheimerstr. 53, Gabelsbergerstr. 81 und Fraunhoferstr. 32.

"Liebt dich deine Stadt?"

Doch nur eine Belastung festzustellen reiche nicht. Deshalb fordert das Bündnis für saubere Luft den Stadtrat auf, das vor zwei Jahren gegebene Versprechen zur Verkehrswende und Luftreinhaltung in München zu erfüllen (und verteilt überall "Liebt dich deine Stadt?"-Aufkleber).


Diese Aufkleber hängen überall in der Stadt. Foto: fm

Am 25. Januar 2017 hat der Stadtrat mit seinem Beschluss zur Luftreinhaltung die Forderungen des Bündnisses für saubere Luft aufgegriffen. Im Bürgerbegehren "Sauba sog i" forderte das Bündnis bis 2025 ganze 80 Prozent des Münchner Verkehrs mit dem Umweltverbund, also Fuß-, Rad- und Öffentlichen Verkehrsmitteln sowie abgasfreien Fahrzeugen abzuwickeln. Das bedeutet eine Halbierung des Autoverkehrs.

Lesen Sie auch: Luftreinhalteplan München - Keiner traut sich an die Diesel ran


So gefährlich sind Stickoxide

Die Umweltorganisation Greenpeace warnt vor den kurz- und langfristigen Gesundheitsschäden in Zusammenhang mit der Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) oder Stickstoffmonoxid (NO). Diese Folgen sieht Greenpeace durch Studien als erwiesen an:

  • Langfristig ist die Sterblichkeit in Gebieten mit hoher NO2-Belastung höher. Für Deutschland rechnet die Europäische Umweltagentur mit über 10.000 vorzeitigen Todesfällen durch NO2.
  • Die Belastung mit Verkehrsemissionen, gemessen mit NO2, ist wahrscheinlich mit einem höheren Risiko für Lungenkrebs verbunden.
  • NO2 oder Schadstoffe aus dem Verkehr beeinträchtigen das Lungenwachstum bei Kindern. In Gegenden mit hoher NO2-Belastung ist auch bei Erwachsenen die Lungenfunktion schlechter.
  • Kinder entwickeln häufiger Asthma, wenn sie in Verkehrsnähe wohnen: Das Asthmarisiko steigt bei einer um 10 µg/m3 höheren NO2-Belastung um 15 Prozent.
  • Bei weiteren Krankheiten ist die Datenlage noch offen, am deutlichsten sind die Hinweise auf ein niedrigeres Geburtsgewicht bei hoher NO2- oder Verkehrsbelastung.
  • Bei kurzfristig erhöhter Belastung ist neben einer erhöhten Sterblichkeit mit mehr Notfallkonsultationen und Krankenhauseintritten zu rechnen, insbesondere für solche, die mit der Atemwegsgesundheit zusammenhängen.
  • An Asthma erkrankte Kinder scheinen empfindlicher zu reagieren als Erwachsene mit Asthma, sie kommen bis zu drei Mal häufiger wegen Atemwegsnotfällen ins Krankenhaus als Erwachsene.
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