Sternekoch in München: Warum Alexander Herrmann nichts von Verzicht hält

Sterneköche Alexander Herrmann und Tobias Bätz zeigen, wie sie die Gourmetwelt von Franken aus umkrempeln – und wie das auch zuhause gelingen kann.
Ruth Frömmer
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Tobias Bätz (l.) und Alexander Herrmann strahlen um die Wette, als sie ihr Konzept der grenzenlosen Heimat in München vorstellen. Die beiden Sterneköche und ihr Team tauchen tief in die Welt der Lebensmittel ein und servieren Regionales von der Rübe bis zum Wein.
Tobias Bätz (l.) und Alexander Herrmann strahlen um die Wette, als sie ihr Konzept der grenzenlosen Heimat in München vorstellen. Die beiden Sterneköche und ihr Team tauchen tief in die Welt der Lebensmittel ein und servieren Regionales von der Rübe bis zum Wein. © ruf

München – Der locker-flockige Franke Alexander Herrmann, den alle aus dem Fernsehen kennen, ist nicht nur ein Vorbild für Hobbyköche, sondern befasst sich ernsthaft und akribisch mit dem Thema Lebensmittel und Geschmack.

Und weil der Sternekoch und Unternehmer einen prall gefüllten Terminkalender hat, stellt er das Kochbuch, das erst im November erscheint, schon jetzt in München vor.

Regionale Sterneküche aus Franken

Aura & Anima wird das Werk heißen, an dem er gerade noch gemeinsam mit seinem Koch-Kollegen Tobias Bätz arbeitet. Es richtet sich an Profiköche und Menschen, die richtig tief in die Welt der sehr speziellen regionalen Sterneküche mit angeschlossenem Lebensmittel-Labor eintauchen möchten.

In Wirsberg wird eingelegt und experimentiert, bis es perfekt ist.
In Wirsberg wird eingelegt und experimentiert, bis es perfekt ist. © ruf

Das klingt alles sehr verkopft und theoretisch, aber Alexander Herrmann betont immer wieder, dass er ein herzgesteuerter Mensch sei. Er nimmt sich viel Zeit, um zu erklären, worum es ihm bei seiner Arbeit im fränkischen Wirsberg geht.

Die Opulenz der eigenen Produkte

Die im Moment angesagte regionale Küche und Nose-to-tail-Philosophie (Verwertung des ganzen Tieres, die Red.) schreibt er sich nicht einfach auf die Fahnen. "Nichts wegwerfen, einfach nur, um nichts wegzuwerfen, macht keinen Sinn", erklärt Herrmann, "es muss ja schmecken."

Auch das Wort Verzicht mag Herrmann nicht. Das schwinge ja immer mit bei regionalen Konzepten. "Dem stellen wir die Opulenz unserer eigenen Produkte entgegen", sagt Herrmann selbstbewusst.

Aura ist das, was die Seele nach außen zeigt

Aber es geht nicht nur um Produkte, sondern um eine Art Philosophie. Vor ein paar Jahren hat er sein Restaurant Alexander Herrmann in Wirsberg umbenannt in "Aura by Alexander Herrmann & Tobias Bätz". "Aura ist das, was die Seele nach außen zeigt", sagt Herrmann. Seele, "Anima", hat er sein Lebensmittellabor, neudeutsch Future Lab, genannt.

Sein Mitarbeiter Joshi Osswald bildet die Schnittstelle zwischen der Küche und den Landwirten und fragt: "Wenn Leute extra nach Wirsberg ins Restaurant kommen: Brauche ich dann Steinbutt und Hummer?" Die Antwort lautet Nein.

Das Weiße auf dem Teller ist die Steckrübe noch in der Hülle, vorne in Orange das Innere aufgeschnitten. Daneben liegt eine fermentierte Urkarotte.
Das Weiße auf dem Teller ist die Steckrübe noch in der Hülle, vorne in Orange das Innere aufgeschnitten. Daneben liegt eine fermentierte Urkarotte. © ruf

Inzwischen hat er ein Netzwerk von über 80 Produzenten aus der Umgebung und ist in der Lage, regionale Lebensmittel und Zutaten für das ganze Jahr bereitzustellen.

"Geschmacksrichtungen, die man so wirklich noch nicht auf der Zunge hatte"

Klingt einfach, ist es aber nicht. "Hier entstehen Lebensmittel, die man so noch nie probiert hat, obwohl sie von hier sind", erklärt Herrmann. Joshi Osswald ist sein Foodscout. Er entdeckt die Lebensmittel – das können besondere Kartoffelsorten, regionale Melonen oder Rindfleisch sein – in der Umgebung und schafft mittels Fermentationstechniken und viel chemischem Fachwissen Geschmacksrichtungen, die man so wirklich noch nicht auf der Zunge hatte.

Die AZ war begeistert von einer fermentierten Steckrübe, die von der Konsistenz und vom Geschmack her an Schinken erinnert. Aber auch Spargel, Radieserl, Kohlrabi, Bärlauch und noch viel mehr werden hier veredelt. "Es ist, als ob wir unsere eigenen Gewürze herstellen", erklärt Herrmann.

Von den Knospen über die Blätter bis zu den Blüten: Der Bärlauch wird von Kopf bis Fuß verwendet.
Von den Knospen über die Blätter bis zu den Blüten: Der Bärlauch wird von Kopf bis Fuß verwendet. © ruf

Zum Beispiel ergänzt ein Kirschblüten-Salz mit seinem wunderbaren Marzipan-Aroma perfekt den rauchigen Geschmack von Speck. Sogar die Würzpaste Miso oder eine geschmacksintensive Sojasoße aus gegrilltem Lauch entstehen im Labor.

Ein bisserl probieren – oder Rezepte nachkochen

Tobias Bätz erklärt die Arbeit des Teams unter dem Motto grenzenlose Heimat: "Das ist keine dogmatische Regionalküche." Dahinter stecke viel Leidenschaft, "und meine Leidenschaft ist, Menschen nach ihren Stärken zu beurteilen". Deshalb vertrauen er und Alexander Herrmann ihrem Team auch blind.


Es klingt fast wie eine Mission, die das ganze Team hier gerade zusammen erfüllt. Im Miele-Penthouse in der FCB World erzählen und erklären alle abwechselnd ihr Tun und reichen zwischendurch immer wieder Kostproben, die wirklich außergewöhnlich schmecken. Stundenlang könnte man so weitermachen, hier ein bisserl probieren und passend dazu die Theorie serviert bekommen.

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Wer sich ein Wochenende in Wirsberg mit Zwei-Sterne-Menü nicht leisten kann, der investiert 89,90 Euro in das Buch Aura & Anima. Es enthält Geschichten und Rezepte mit Anspruch und erscheint im November im Münchner Matthaes Verlag.

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2 Kommentare
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  • HanneloreH. am 23.07.2024 17:34 Uhr / Bewertung:

    Hat der eigentlich noch ein eigenes Restaurant oder macht er auch nur noch Showbühne?

  • ClimateEmergency am 23.07.2024 03:28 Uhr / Bewertung:

    "Nichts wegwerfen, einfach nur, um nichts wegzuwerfen, macht keinen Sinn"

    Stimmt, denn es *ergibt* Sinn, weil es die Lebensmittelverschwendung reduziert

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