Statt Neun-Euro-Ticket: Länder empfehlen ÖPNV zum Nulltarif!

Das von der Ampel-Regierung beschlossene günstige Monatsticket für neun Euro lässt weiter viele Fragen offen. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, bringen die Länder komplett kostenlosen ÖPNV ins Spiel.
Michael Schleicher |
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Vollkommen kostenlos mit der U-Bahn fahren? Das empfehlen die Verkehrsminister der Bundesländer.
Vollkommen kostenlos mit der U-Bahn fahren? Das empfehlen die Verkehrsminister der Bundesländer. © imago/Sven Simon

München - Für nur neun Euro im Monat den ÖPNV nutzen – klingt fast zu schön, um wahr zu sein! Doch das vergünstigte Ticket soll kommen, darauf hat sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung im Rahmen seines Entlastungspakets geeinigt.

Für insgesamt drei Monate sollen die Menschen dann deutlich günstiger Bus und Bahn nutzen können. Zum Vergleich: Wer aktuell ein Monatsticket in München für die Zone M möchte, muss satte 59,10 Euro hinblättern.

Wie genau das geplante Monatsticket umgesetzt werden kann, ist noch unklar. Am Freitag kamen die Verkehrsminister der Länder mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu einer Sonderkonferenz zusammen, in der es auch um das Neun-Euro-Ticket ging. Wissing sprach von Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern erstatte. Wenn mehr Geld notwendig sei, werde sich der Bund nicht verweigern.

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Gegenvorschlag der Länder: ÖPNV zum Nulltarif

Doch möglicherweise wird das Fahren mit dem ÖPNV in den kommenden Monaten auch überhaupt nichts kosten.

Denn als Reaktion auf den Vorstoß der Bundesregierung haben die Länder ein Nulltarif-Ticket ins Spiel gebracht. Auf diese Weise könne der administrative Aufwand für die Verkehrsverbünde niedrig gehalten werden, betonte die Vorsitzende der Konferenz, Bremens Bürgermeisterin Maike Schäfer, im Anschluss an die Sitzung. Diese Empfehlung soll nun in einer speziellen Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft werden.

Das geplante Neun-Euro-Ticket soll laut Wissing auch für Abonnenten gelten. Die Kosten für Abos würden dann entweder nicht abgebucht oder erstattet, sagte Wissing. Es gebe keinen Grund, wegen des geplanten Tickets ein Abo zu kündigen. Er halte das günstige Ticket für relativ schnell umsetzbar, wenn man Online-Tickets anbiete, sagte Wissing.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing. © Christoph Soeder/dpa

Bayerns Verkehrsminister kritisiert Ampel-Vorschlag

Bei den Unionsländern stößt der Vorschlag des befristeten Neun-Euro-Tickets auf Kritik. Es wäre besser gewesen, vorher mit den Ländern zu sprechen, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Freitag. Er sprach dabei auch im Namen der übrigen Länder, in denen nicht die SPD die Koalition anführt.

Kommunen und Verkehrsverbünde hätten keine Ahnung, wie sie den Beschluss umsetzen sollten. Zudem sehe er eine Benachteiligung des ländlichen Raums, da hier weniger Menschen aufgrund der großen Distanzen den Öffentlichen Personennahverkehr nutzten.

Das Neun-Euro-Ticket sei ein "Schnellschuss", ein "Lockangebot", welches dem eigentlichen Problem nicht gerecht werde, sagte Bernreiter. Der ÖPNV müsse dauerhaft ausgebaut werden, Kostensteigerungen müssten dauerhaft kompensiert werden. So sehr man es sich wünsche, weder die Ukraine-Krise noch ihre Folgen seien in drei Monaten wieder vorbei.

Die Umsetzung würde in Bayern nach einer ersten Prognose zwischen 250 und 450 Millionen Euro kosten. Das teilte das bayerische Verkehrsministerium am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Wie hoch die Kosten konkret seien, komme darauf an, wie viele Menschen das Monatsticket dann kaufen würden.

MVV will Neun-Euro-Ticket möglichst schnell umsetzen

Bereits vor der Sonderkonferenz hatte der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) angekündigt, das Ticket so schnell wie möglich umsetzen zu wollen. Dafür bedürfe es aber noch Beratungen mit dem Freistaat Bayern und den anderen Verkehrsunternehmen im Verbund.

Für den MVV müssen auch die Abonnenten vom Ticket profitieren. "Daher möchten wir alle Kundinnen und Kunden bitten, ihre Abos nicht zu kündigen, sondern unsere Kommunikation abzuwarten. Wir bitten hier noch um etwas Geduld", sagte MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch am Freitag.

Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) müsse zunächst prüfen, wie genau der Beschluss des Bundes umgesetzt werden kann. "Für die MVG ist entscheidend, dass sämtliche Einnahmeausfälle durch das Neun-Euro-Ticket, einschließlich des Mehraufwandes für die Umsetzung, durch den Bund finanziert werden", teilte MVG-Chef Ingo Wortmann auf AZ-Nachfrage mit.

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Fahrgastverband "Pro Bahn": Abo-Kunden dürfen nicht benachteiligt werden

Beim Fahrgastverband "Pro Bahn" gab es vor der Sonderkonferenz ebenfalls noch viele Fragen. "Leider ist aber noch unklar, wie die Neun-Euro-Fahrkarte genau aussieht und wo sie gilt. Es drängt sich schon der Eindruck auf, dass keiner der Entscheider in den letzten Jahren selbst Fahrkarten gekauft hat", sagte Andreas Barth vom Fahrgastverband am Freitag der AZ. Auch bei "Pro Bahn" ist man der Meinung, dass die Abonnenten durch das Ticket nicht benachteiligt werden dürfen.

Neun-Euro-Ticket: Arbeitsgruppe soll offene Fragen klären

Ob und wann das Neun-Euro-Ticket kommt oder ob man bald doch den ÖPNV zum Nulltarif bekommt, ist auch nach der Sonderkonferenz der Verkehrsminister noch unklar. Die Arbeitsgruppe muss nun die weiter offenen Fragen klären.

Viel Zeit soll nicht verstreichen: Die Länder möchten die ÖPNV-Vergünstigung bereits im Mai starten. "Wir wollen jetzt nicht noch drei, vier, fünf Monate warten, bis das umgesetzt wird. Die Menschen sollen möglichst jetzt den Benefit von einem kostengünstigen Ticket bekommen und dann auch wieder Lust haben, mit dem ÖPNV zu fahren", sagte Schäfer.

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34 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • MadridistaMUC am 26.03.2022 20:43 Uhr / Bewertung:

    Sein Sie aber mal ganz ehrlich wieviel sie mit ihrem Auto in München im Stau sehen..

  • TheBMW am 26.03.2022 13:06 Uhr / Bewertung:

    2020 wurden etwa 32.139.000 Liter Diesel und 15.120.000 Liter Benzin in D verbraucht. Das sind 2.687.250l Diesel und 1.260.000l Benzin pro Monat. Damit kosten die drei Monate 11,286 Mio (Diesel) 11,34 Mio (Benzin) Euro an Steuergeld. Gesamt etwa 22,6 Mio €
    Der ÖPNV nahm 2019 13,34 Milliarden Euro bei 10,4 Milliarden Fahrgästen. Pro Monat waren es 1,12 Milliarden Euro bei 866 Mio Fahrgästen.
    Bei 0€ für den ÖPNV kostet das den Steuerzahler 3,36 Milliarden Euro, die Bezuschussung von Kraftstoffen "nur" 22,6 Mio Euro (0,0022 Milliarden).
    2019 nutzten etwa 46% aller Deutschen den ÖPNV. Das wären etwa 38,1 Mio Deutsche
    Bei 9€ belaufen sich die Einnahmen auf gut 1 Milliarde Euro oder eine Steuerbelastung von über 2 Milliarden Euro.
    Aktuell wird der ÖPNV eh schon mit 9,4 Milliarden Euro bezuschußt.

  • mrclpr am 26.03.2022 16:43 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von TheBMW

    Hätte Sie nur eine Sekunde über Ihr Geschriebenes nachgedacht dann wüssten Sie, dass die Zahlen im Leben nicht stimmen können. Ihren Aussagen zufolge soll jeder Bundesbürger (83 Mio.) ungefähr 0,6 Liter Benzin und Diesel zusammen im Jahr verbraucht haben. Das kann doch schon nicht stimmen.
    Laut Statista lag der Benzinverbauch 2020 bei 15,6 bzw. Dieselverbrauch bei 28,6 Millionen Tonnen. So wie ich ruasgefunden habe, sind 1 kg Benzin ca. 0,75 Liter, 1 kg Diesel ca. 1,16 Liter. So, und jetzt mal die korrekte Rechnung: Benzin 11,7 Milliarden Liter, Diesel 33,176 Milliarden Liter.
    Und jetzt rechnen Sie das Ganze erneut durch. Ihre Quelle gibt zwar andere Zahlen an, jedoch bin ich mir relativ sicher, dass es sich hierbei einfach um Mrd. statt Mio. handelt. Entsprächend wäre der Betrag dann 22 Mrd. anstatt Millionen. Da sieht es dann schon etwas anders aus mit Ihrer Rechnung.

    Netter Versuch.

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