Stammstrecken-Baustelle am Marienhof: So tief wie nie zuvor
München - Die riesige Baggerschaufel verschwindet in der Grube und taucht kurz darauf wieder auf. Dann schwenkt der Fahrer des Seilbaggers die Schaufel im Kreis, um sie zu entladen.
Zweite Stammstrecke: Neuer Tunnel liegt 40 Meter unter der Oberfläche
Ein Vorgang, der sich in den nächsten Jahren Tag für Tag unzählige Male wiederholen wird. Täglich verlassen mehr als 50 Lastwagen die fast 5.000 Quadratmeter große Baugrube am Marienhof und schaffen den Schutt weg. Unmengen an Erdmasse werden hier bewegt. Das wirklich Spannende findet aber unter der Erdoberfläche statt.
Für die Zweite Stammstrecke wird tief gegraben. Tiefer als je zuvor in München. Der Tunnel und die neuen Bahnhöfe werden etwa 40 Meter unter der Erdoberfläche liegen. Fünf unterirdische Geschosse werden ausgebaggert werden, bis die Maschinen schließlich die Bahngleisebene erreichen. Das wird wohl 2024 der Fall sein.
Eine riesige unterirdische Bahnhofshalle entsteht
2017 war Spatenstich. Heute ist man am Marienhof hinter dem Rathaus dabei, das erste Untergeschoss auszugraben. Bagger und Lader flitzen zwischen Betonstützen umher, verladen den Boden unter die Öffnung, durch welche er dann von der großen Baggerschaufel hinaufbefördert wird. Das erste Untergeschoss ähnelt im Moment noch einer Tiefgarage. Später werden hier Rolltreppen und Aufzüge die Fahrgäste zum Bahngleis und wieder nach oben befördern. Eine riesige unterirdische Bahnhofshalle entsteht.
Die umliegenden Straßen mussten mehrmals aufgerissen werden
In den letzten fünf Jahren ist viel passiert, wenn auch noch nicht so viel zu sehen ist. Zuerst mussten alle Leitungen aus dem Baustellenbereich umverlegt werden: Strom, Fernwärme, Kanal. Die umliegenden Straßen mussten dazu zum Leidwesen der Ladenbesitzer mehrmals aufgerissen werden.
Es wurden auch über 100 Förderbrunnen gebohrt. Denn der Wasserdruck des Grundwassers ist zu hoch. Das Wasser muss abgepumpt werden, um die Bauarbeiten in der Tiefe umsetzen zu können. Die Baustelle wird dazu nicht trockengelegt, der Wasserdruck wird nur entspannt, wie Franz-Xaver Trauner, Teamleiter im Bereich Tunnelbau und Geotechnik, betont. Und das auch nur temporär, solange gebaut wird. Denn am Schluss werden die dicken Stahlbetondecken und Mauern dem Druck des Grundwassers standhalten können.
In 40 Metern Tiefe beträgt der Druck 3,5 Bar. "Das entspricht dem Wasserdruck bei einem Tauchgang in 35 Metern Tiefe", so Trauner. Das temporäre Abpumpen des Wassers nennt man Bauwasserhaltung. Mit Hilfe von drei Leitungen wird Wasser in den westlichen Stadtgrabenbach umgeleitet, 20 bis 25 Liter Wasser pro Sekunde hinaufgepumpt.
Im nächsten Schritt wurde die Außenbegrenzung der Baugrube hergestellt, sogenannte Schlitzwände wurden aus Beton 54 Meter in die Tiefe gegossen, in einer Stärke von eineinhalb Metern. Das reicht aber nicht, um die Grube zu stabilisieren, es wurden noch 50 Primärstützen aus Beton hergestellt. Sie sind über die Baugrube verteilt und reichen 66 Meter in die Tiefe.
Drei bis vier Monate Bauzeit für jedes Untergeschoss
Sie stützen die Betondecke, die auf der gesamten Fläche gegossen wurde. Nicht ganz auf der gesamten Fläche, sechs Öffnungen werden für die Logistik benötigt, schließlich muss der Bauschutt hinaufbefördert werden, und Material und Maschinen müssen nach unten. Die Stützen werden hinterher entfernt, wenn sie ihre statischen Zwecke erfüllt haben.
"Alle sieben bis siebeneinhalb Meter wird wieder eine Betondecke gegossen", erklärt Alexander Jambor, Teamleiter im Bereich konstruktiver Ingenieurbau. Für jedes Untergeschoss werden etwa drei bis vier Monate Bauzeit benötigt. So arbeiten sich die Maschinen in "Deckelbauweise" Geschoss um Geschoss nach unten.

Der 200 Meter lange Bahnsteig passt allerdings nicht in die 100 Meter lange Baugrube. Daher werden in östlicher und westlicher Richtung Tunnel angeschlagen, in welche der Bahnsteig hineinreicht. "Dort treffen wir dann, wenn alles gut läuft, auf die Tunnelvortriebsmaschinen", so Teamleiter Jambor.
Daria Mundt, Projektingenieurin im konstruktiven Ingenieurbau, erklärt den enormen logistischen Aufwand, der bei so einem riesigen Projekt mitten in der Stadt entsteht. Die LKW müssen so gelenkt werden, dass sie den Verkehr nicht zu stark behindern. Bevor sie die Baustelle verlassen, werden sie in einer Reifenwaschanlage vom Baustellendreck befreit.
Zweite Stammstrecke soll 2028 fertig sein
"Uns ist es wichtig, die Belastung für die Anlieger möglichst gering zu halten", sagt die Bauingenieurin. Dazu gehört auch der Lärmschutz. Eine 4,50 Meter hohe Schallschutzwand umgibt die Baugrube. Dort, wo sie nicht ausreichend schützt, wurden Schallschutzfenster eingebaut.
Ganz ohne Unannehmlichkeiten für die Anlieger wird das Projekt aber nicht durchführbar sein, am Ende wiegt der Nutzen für die Münchner die Belastungen hoffentlich auf. Laut aktuellem Planungsstand wird die Zweite Stammstrecke 2028 fertiggestellt.
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