Wollkorb macht dicht: Nach 40 Jahren ausgestrickt

Der Wollkorb in der Sendlinger Straße schließt im Mai – weil sich ein Nachfolger erst zu spät fand.
von  Lisa Marie Albrecht
Der Laden direkt hinterm Sendlinger Tor ist noch bis Ende April offen.
Der Laden direkt hinterm Sendlinger Tor ist noch bis Ende April offen. © lma

Altstadt – Kritisch betrachtet Alexander Hordienko das obere Regal, an dem er gerade, auf der Leiter balancierend, ein Schild angeklebt hat. „20 %“ steht darauf, mit zwei nach unten zeigenden Pfeilen. Der Besitzer des Wollkorbs in der Sendlinger Straße 62 will, dass die Rabatte genau gekennzeichnet sind – damit noch möglichst viel Wolle verkauft wird, bevor er zum ersten Mai seinen Laden endgültig aufgibt.

Eigentlich ist der Grund für die Schließung des Wollgeschäfts simpel: Im März ist Hordienko 65 Jahre alt geworden und möchte in den Ruhestand gehen. Trotzdem ist es für ihn ein ganz komisches Gefühl, erzählt der gebürtige Münchner mit russischen und ukrainischen Wurzeln. „40 Jahre lang war das jetzt mein Leben und es hat mir immer Spaß gemacht.“ Dabei wollte eigentlich die Freundin des damals 25-jährigen Betriebswirtschafts-Studenten unbedingt ein Wollgeschäft eröffnen. Doch da sie nicht sehr wirtschaftlich arbeite, eröffnete er schließlich den Laden. Die Beziehung hielt nicht, das Wollgeschäft schon.

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Wollkorb und der Strick-Boom der 70er- und 80er-Jahre

 

Seinen ersten Laden entdeckt Hordienko 1976 am Max-Weber-Platz. Der Hausbesitzer fragt ihn: „Kann man davon leben?“ – „Na ja, das weiß ich auch noch nicht“, antwortet er und bekommt den Laden trotzdem, für 400 Mark Miete und ohne Kaution. „Das würde es heute so überhaupt nicht mehr geben.“ Der Wollkorb profitiert vom Strick-Boom der 70er- und 80er-Jahre, Hordienko eröffnet weitere Filialen. Doch als der Trend vorbei ist, bricht der Umsatz ein. Deshalb entwickelt er das zweite Standbein und verkauft seitdem auch hochwertige Damenkleidung.

Vier Läden sind vom Woll-Boom übrig geblieben, am Rotkreuzplatz, in der Türkenstraße, am Pasinger Bahnhof und in der Sendlinger Straße. Dass sich für das Geschäft kein Nachfolger finden ließ, bedauert der Besitzer: „Die Interessenten haben alle sehr lange gezögert, sodass die Hausverwaltung den Laden weitergegeben hat.“ Danach bot sogar eine Kundin an, das Geschäft zu übernehmen, doch da war es bereits zu spät, da der Vorvertrag mit dem neuen Mieter schon unterschrieben war. Wer einzieht, weiß Hordienko aber noch nicht.

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Die Läden am Pasinger Bahnhof und am Rotkreuzplatz will er ebenfalls abgeben, eine langjährige Mitarbeiterin soll einen davon übernehmen. Ob es klappt, ist noch nicht sicher. Jetzt will Hordienko erst einmal den Räumungsverkauf bis Ende April übernehmen, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Helga Stark. Und dann einen schönen Ruhestand mit Enkeln und Reisen verbringen.

Sie werden den Wollkorb vermissen? Große Auswahl an Strickwaren gibt es in der Nähe bei Wolle Rödel im Rosental 9 (geöffnet täglich 9.30 Uhr bis 19 Uhr außer So, Sa bis 18 Uhr) oder in der Müllerstraße 50 im Geschäft „Die Wolle“ von Petra Perle. Geöffnet Dienstag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, Samstag bis 16 Uhr

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