Wie geht es weiter mit der SEM in Daglfing?

Abgeordnete des Landtags besuchen das Areal rund um Daglfing, auf dem ein neues Megaviertel entstehen soll. Landwirte sprechen von "Tricksereien".
Gabriele Mühlthaler |
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Münchner Landwirte erzählen Abgeordneten von "Tricksereien". (Symbolbild)
Münchner Landwirte erzählen Abgeordneten von "Tricksereien". (Symbolbild) © Imago Images

Daglfing - Ein neues Viertel für bis zu 30.000 Münchner und 10.000 Arbeitsplätze plant die Stadt auf rund 600 Hektar Grün- und Ackerfläche im Münchner Nordosten. Nur wollen viele Landwirte, die auf dem Gelände schon seit Generationen säen und ernten, das auch in Zukunft tun.

Was ihnen Sorge macht: Mit dem Instrument "Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme" (SEM), die der Stadtrat dort ausgewiesen hat, könnten unwillige Grundbesitzer enteignet werden.

So fürchtet zumindest mancher vor Ort - die Stadt-Spitze hat das stets von sich gewiesen.

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Solche Sorgen treiben auf jeden Fall auch die Bauern in Feldmoching um, weshalb sich die Betroffenen im Münchner Norden und Nordosten vor Jahren schon in der Initiative "Heimatboden" organisiert und 2018 eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht haben.

Traktor-Kutschen-Rundfahrt für Abgeordnete

Am Montag machten sich Abgeordnete der zuständigen Ausschüsse "Petitionen" und "Wohnen, Bauen, Verkehr" bei einer Traktor-Kutschen-Rundfahrt ein Bild.

Weite, wogende Wiesen, Braugersten- und Maisfelder, Baum- und Gehölzgruppen - im Hintergrund das Heizkraftwerk Oberföhring, das Hochhaus der "Süddeutschen Zeitung", das Dornacher Industriegebiet.

Diese Impressionen boten sich den Abgeordneten, und Landwirt Johann Oberfranz konnte ihnen genau erklärten, wo nach städtischen Plänen mit der Bebauung begonnen werden soll, wo einst ein Badesee liegen und eine ökologische Vorrangfläche ausgewiesen werden sollen, auf der Kiesabbau erlaubt ist.

Ein Acker wird als "Freizeitfläche" ausgewiesen

"Es ist naheliegend, dass das aktiviert wird bei der Riesenbaustelle daneben", fürchtet Oberfranz. Für ihn ist die Gegend Heimat und Erwerbsquelle zugleich, die er von seinem Daglfinger Kotterhof, der 1305 erstmals urkundlich erwähnt wurde, bewirtschaftet.

Verwundert erfuhren die Abgeordneten, dass ein großer Acker, auf dem Braugerste für Augustiner sprießt, planungsrechtlich als "Freizeitfläche" ausgewiesen ist. "Das ist Trickserei, um die Grundstückspreise zu verschleiern", meint Oberfranz.

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Es ist nicht das einzige große Grundstück, welches für gutes Geld an die Stadt oder andere Investoren wechselte. Zudem, erstmals beantragte die Stadtrats-SPD laut Oberfranz 1994, die Flächen in Johanneskirchen und Daglfing zu bebauen.

Laut Rechtsanwalt Benno Ziegler, der Heimatboden betreut, gibt es im ganzen Verfahren um die SEM so einige rechtliche Ungereimtheiten.

Beispielsweise scheide für eine Entwicklungsdauer von Jahrzehnten - die das Planungsreferat für den Bereich ansetzt - eine förmliche Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme aus.

Verletzt die Stadt die Rechtsstaatlichkeit?

Zudem sei der leitende Verwaltungsdirektor der SEM im Gutachterausschuss für die Bodenrichtwerte gesessen.

Das Ziel der Stadt, Grund billig von Altbesitzern zu erwerben, verletze mindestens zweimal die "Rechtsstaatlichkeit", beispielsweise bei der Bewertung der Grundstückspreise. Die Petition selbst ist allerdings eher symbolischer Natur.

Ihr Ziel ist es, das Vertrauen in die Arbeit des Gutachterausschusses der Stadt wiederherzustellen, so die Petenten, und darauf, dass die Verwaltung sich ausschließlich an Recht und Gesetz orientiert, wiederherzustellen.

Die Landtagsabgeordneten beraten nun, ob sie dies übernehmen.

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14 Kommentare
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  • ShotgunHorst am 06.07.2021 17:00 Uhr / Bewertung:

    So schön, Romantik pur: der Landwirt der einfach nur sein Feld bewirtschaften will, weil sein Opa und auch dessen Opa das schon so gemacht hat und er will, dass seine Söhne das auch machen können.

    Wer sowas glaubt, der lässt sich auch sonst um jeden Finger wickeln.

    Bevor hier Ackerbau betrieben wurde, war da ein Wald, mit Schmetterlingen und Rehen, der wurde abgeholzt und gerodet, und jetzt wird Futtermais angebaut und Insektizide gespritzt.

    Vielleicht lassen wir das Sentimentale einfach raus, der Landwirt sagt dass ihm der Preis nicht passt, man einigt sich und weiter gehts. Bayern ist riesig und 5km vom Marienplatz muss keine industrielle Landwirtschaft betrieben werden.

  • Ach so am 06.07.2021 19:15 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von ShotgunHorst

    Klar, lassen Sie sich auch Ihren Besitz, (falls keine Immobilie, dann z.B. ihr Auto ) zu einem Minimalpreis wegnehmen, weil RG sagt, in der Stadt bräuchten Sie schließlich keins? Oder das Spielzeug der Kinder, weil wer beschließt, dass jedes Kind mit 2 Spielzeugen genug hat? Es ist ersxhreckend, wie schnell jemand Enteignungen gut findet, solange er nicht selbst betroffen ist.
    Noch haben Sie oder andere nicht zu entscheiden, ob und wie landwirtschaftl. Flächen in München vom Eigentümer genutzt werden dürfen. Der OB hatte Daglfing (auch Freimann?) ja urspr. zugesagt, dass es dort SEM nicht geben wird. Aber wie bei so vielen Poli tikern scheint auch hier zu gelten: was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Für so manche wirft man halt all seine Versprechungen gern über Bord. Dafür haben die Menschen im Osten vor über 30 Jahren nicht so hart gekämpft, dass deren alte Prinzipien hier wieder eingeführt werden .

  • ShotgunHorst am 06.07.2021 20:25 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Ach so

    Wer sagt was von Enteignungen? Ich habe doch klar und deutlich geschrieben, dass man sich auf einen fairen Preis einigen sollte. Dass der Landwirt aber ein Bild zeichnet, als wolle er doch nur so gerne weiter seinen Acker bestellen ist einfach verlogen. Wäre das so, könnte er mit dem Geld woanders weiter außerhalb einen anderen Acker besorgen und den bestellen. Aber nein es muss unbedingt mitten in der Großstadt sein, und nicht nur in irgendeiner, auch noch in der Stadt in der die Menschen deutschlandweit am meisten unter Wohnraummangel leiden. 30.000 Leute könnten hier ein Dach über dem Kopf finden, dazu kommt ein See, ein Park, Schulen etc.. Aber einer muss hier auf biegen und brechen den sein Futtermais züchten. Absolut unverhältnismäßig!

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