Was jetzt aus den Flüchtlingen wird
Ein Flüchtling hatte einen Herzstillstand, mehrere andere lagen im Koma – da löste die Polizei das Camp auf. Zwei Familien bekommen eine Bleibe, viele andere werden jetzt wohl abgeschoben.
München - Das Hunger-Drama auf dem Rindermarkt ist zu Ende. Sonntagfrüh hat die Polizei das Flüchtlingscamp aufgelöst. Das sagen die Verantwortlichen von Stadt und Land:
War der Flüchtlingsprotest legal? Ja. Die Demo am vergangenen Samstag, mit der alles anfing, war genehmigt. Der Protest auf dem Rindermarkt sei dann vor Ort bei der Polizei angemeldet worden, so KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle. „Die Versammlung war rechtens.“
Bilder: Die Polizei räumt das Hungerstreik-Camp
Gab es Verstöße gegen das Versammlungsrecht? Ja. Am Donnerstag hatte das KVR einen „Ergänzungsbescheid“ erlassen. Darin wurde verfügt, dass Ärzte jederzeit Zugang zum Camp bekommen müssen – sowie die Möglichkeit, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen und sie zu behandeln. Doch der Flüchtlings-Sprecher habe sich „das Recht herausgenommen, über all das selbst zu entscheiden“, sagt Blume-Beyerle. Unbeschränkten Zugang hätte er nur „Vertrauens-Ärzten“ gewährt, „von denen einer nicht einmal approbiert war“.
Warum scheiterte der Vermittlungsversuch? „Es ging nie um erfüllbare Forderungen“, sagt OB Christian Ude. Residenzpflicht, Arbeitsgenehmigung und Essenspaketen seien zwar in Flugblättern thematisiert worden. „Aber der Sprecher hat uns klipp und klar gesagt: Es geht ausschließlich darum, dass alle Teilnehmer des Hungerstreiks sofort das große Asylrecht nach Artikel 16a erhalten.“ Dies sei rechtlich nicht umsetzbar. Hans-Jochen Vogel und Alois Glück sollten klären, „ob eine Verhandlungsmöglichkeit hinsichtlich humanitärer und sozialer Fragen besteht“, so Ude. „Aber es gab nur Maximalforderungen.“
Wann wurde beschlossen, das Lager zu räumen? Blume-Beyerle: „Am Samstagnachmittag sagte uns ein Arzt, dass er die Situation mehrerer Personen für akut lebensbedrohlich hält.“ Ude und Ministerpräsident Horst Seehofer entschieden daraufhin, die Versammlung aufzulösen. „Es ging um die Rettung von Menschenleben“, sagt Ude. „Es gab bereits einen Herzstillstand.“ Außerdem seien mehrere Menschen ins Koma gefallen.
Wer war zu diesem Zeitpunkt im Camp? 44 Menschen aus Pakistan, Sierra Leone, Afghanistan, Iran, Kongo, Nigeria und weiteren Ländern Afrikas und Asiens, darunter drei Kinder (16 Monate, 8 und 9). Vor dem Streik waren sie in verschiedenen Lagern im Freistaat untergebracht – allerdings lebten nur drei in Oberbayern und keiner in München.
Was geschieht nun mit den Flüchtlingen? 38 werden in Kliniken behandelt, sechs wurden vorübergehend festgenommen. Anschließend werden sie auf Obdachlosen-Unterkünfte verteilt. Denn: „Sie gelten als von Wohnungslosigkeit bedroht“, sagt Sozialreferentin Brigitte Meier. „Sie sollen stabil werden und zur Ruhe kommen. Alles weitere muss man mit den Behörden klären.“ Eine dreiköpfige Familie aus Nigeria bekam ein eigenes Appartement, genau wie eine vierköpfige afghanische Familie.
Dürfen die Asylbewerber in Deutschland bleiben? Innenminister Herrmann: „Sie befinden sich in ganz unterschiedlichen Stadien des Asylverfahrens und dafür ist das Bundesamt für Migration zuständig.“ Dessen Präsident Manfred Schmidt versprach eine schnelle Prüfung der Anträge: Mehrere bekämen Flüchtlingsschutz. 13 Anträge seien noch offen, zehn Asylbewerber klagten derzeit gegen die Bescheide, sieben Anträge seien schon rechtskräftig abgelehnt.
Wo ist der Sprecher jetzt? Khorasani wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vorübergehend festgenommen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ihm weitere Taten zur Last gelegt werden. Innenminister Herrmann glaubt, dass er die Flüchtlinge instrumentalisiert hat: „Ob er das allein war, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.“