Vor den Kammerspielen München: Frührentner (61) bedroht Tram-Fahrer mit Spielzeugpistole

Ein 61-jähriger Frührentner aus Neufahrn steht an der Maximiliansstraße und zielt mit einer Pistole auf den fassungslosen Fahrer. Dann steigt der unheimliche Fremde ein und fährt mit.
von  Ralph Hub
Auf der Maximilianstraße überwältigten Polizisten den Mann - Tram-Fahrer Enricho Buchata wurde bedroht, ist aber schon wieder im Einsatz.
Auf der Maximilianstraße überwältigten Polizisten den Mann - Tram-Fahrer Enricho Buchata wurde bedroht, ist aber schon wieder im Einsatz. © dpa/Daniel von Loeper

Altstadt – Die Tram der Linie 19 kommt vom Landtag und hat das Maxmonument fast erreicht, als der Fahrer an der Haltestelle einen schwarz gekleideten Mann erkennt. Es ist Sonntagabend kurz vor 21 Uhr. Der Fremde scheint mit dem Finger auf Enrico Buchta zu zeigen. Doch dann erkennt der Trambahnfahrer, dass es eine Pistole ist. "Ich habe direkt in die Mündung geblickt", erzählt der 36-Jährige.

Die schwarz gekleidete Gestalt sitzt schweigend in der Tram

"Wenn der jetzt abdrückt, dann ist es vorbei, dann bin ich tot", schießt es dem Trambahnfahrer durch den Kopf. Angst empfindet Enrico Buchta dabei nicht. "Dafür fehlte mir schlicht die Zeit", sagt er. Außerdem hat der 36-Jährige früher bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet und war oft genug mit kritischen Situationen konfrontiert. Er stoppt den Zug an der Haltestelle.

Als der merkwürdige Fremde die Waffe plötzlich in seine Jacke steckt und weggeht, scheint alles in Butter. Der Trambahnfahrer öffnete die Türen, damit Passagiere ein- und aussteigen können.

Plötzlich taucht der merkwürdige Fremde wieder auf. Er steigt an der dritten Tür ein und setzt sich. Als Enrico Buchta in den Rückspiegel blickt, sieht er den Mann, der ihn gerade noch bedroht hat. Die komplett in schwarz gekleidete Gestalt sitzt schweigend da. Um ihn herum etwa ein halbes Dutzend Fahrgäste.

Im Kopf des Trambahnfahrers haben sich in diesem Moment die Gedanken wild überschlagen. In einer Zeit, in der beinahe täglich neue Horror-Meldungen über Terroranschläge in London, Brüssel oder Paris gemeldet werden, sitzt ein bewaffneter Mann ausgerechnet in seiner Tram und lässt sich durch Münchens teuerste Flaniermeile chauffieren.

Bis zur Haltestelle Kammerspiele ist es nicht mehr weit. Während der Fahrt funkt Enrico Buchta unauffällig mit der Leitstelle. Er bittet die Kollegen um Hilfe. Niemand kann absehen, wie sich die Situation weiter entwickelt.

Der Mann mit der Pistole spricht die ganze Zeit über kein Wort, er starrt nur vor sich hin. "Ich hatte nur noch Angst um meine Fahrgäste, dass einem etwas passiert", sagt Enrico Buchta.

An der Haltestelle Kammerspiele stoppt die Straßenbahn. Die Türen lässt Buchta vorerst zu, damit der Unbekannte nicht entwischen kann. Um niemanden zu beunruhigen, macht er eine Durchsage: "Wegen technischer Probleme kommt es zu einer Verzögerung." Die Polizei ist zu dem Zeitpunkt bereits auf dem Weg.

"Ich hatte nur noch Angst um meine Fahrgäste"

Die Einsatzzentrale im Präsidium hatte Alarm ausgelöst, Spezialkräfte sind informiert. 13 Streifenwagen und vier VW-Busse rasen in die Maximilianstraße – insgesamt rund 30 Mann. Eine Streife der PI 11, dem Altstadtrevier, trifft als erste ein. Buchta öffnet die Türen. Der Mann steigt aus.

Die Situation ähnelt dem Einsatz im S-Bahnhof in Unterföhring vor etwa zwei Wochen. Polizisten sollen in einer S-Bahn eine auffällige Person kontrollieren, die herumgepöbelt hat. Scheinbar ein Routineeinsatz, der dramatisch eskaliert. Der Verdächtige entreißt einem der Polizisten die Dienstwaffe und schießt um sich. Eine Polizistin wird am Kopf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Auch zwei Passanten werden getroffen.

Die Polizisten in der Maximilianstraße gehen entsprechend vorsichtig vor. Sie stellen den Mann mit der Pistole. Die Beamten fordern ihn auf, stehenzubleiben. "Man konnte gar nicht schauen, wie schnell der Mann am Boden lag", berichtet Enrico Buchta, der die Festnahme beobachtet.

Der Schütze ist schon wieder auf freiem Fuß

Die Polizisten durchsuchen den Fremden und stoßen in seiner Tasche auf die Pistole. Doch es ist keine scharfe Waffe, wie die Polizisten schnell feststellen, sondern lediglich ein Spielzeug. "Eine täuschend echt aussehende Nachbildung", wie Polizeisprecher Sven Müller berichtet. Für den Trambahnfahrer war das in der Dunkelheit und auf die Entfernung nicht zu erkennen. Er dachte, jemand zielt mit einer Pistole direkt auf ihn. Der 36-Jährige hat den Horror verhältnismäßig gut überstanden, gilt nicht als dienstunfähig.

Der Mann mit der Spielzeugpistole, ein Frührentner aus Neufahrn bei Freising wird abgeführt. Kurzzeitig wird erwogen, ihn wegen Fremd- und Eigengefährdung in die Psychiatrie zu bringen. Schließlich wird der 61-Jährige doch wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wird wegen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr ermittelt.

Enrico Buchta, Münchens tapferster Trambahnfahrer, war gestern schon wieder im Dienst.

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