Tante Emma in Neuhausen: Aus nach 43 Jahren

Sie waren für alle da: Mit dem Geschäft von Maria und Maximilian Schmehl verliert die Stadt ein Original.
von  Von Anja Perkuhn
„Am meisten werden uns die Menschen fehlen“: Maria und Maximilian Schmehl stehen seit 1973 sechs Tage pro Woche hier hinter der Theke.
„Am meisten werden uns die Menschen fehlen“: Maria und Maximilian Schmehl stehen seit 1973 sechs Tage pro Woche hier hinter der Theke. © Anja Perkuhn

Es duftet nach warmem Kuchen. Marmor und Zitrone sind es, „die Zwei-Kilo-Kuchen“, sagt Maria Schmehl und schleppt die riesige Backform quer durch den Laden. „Die Scheiben für die Kunden müssen schließlich ordentlich groß sein!“

Selbstgebackener Kuchen gehört zu dem kleinen Geschäft in der Heideckstraße genau wie der ofenfrische Leberkäse und dass hier jeder beim Namen genannt wird. Frau Schmidt zum Beispiel, die war heute noch gar nicht da – komisch, sonst war sie das um diese Zeit am Morgen immer, sagt Maximilian Schmehl. „Aber vielleicht dann nach ihrem Sport.“

Die Menschen, sagen Maria und Maximilian Schmehl, 66 und 68 Jahre alt, werden ihnen am meisten fehlen. Wenn sie am Samstag, 12 Uhr, ihren Laden nach mehr als 43 Jahren zum letzten Mal zusperren.

„Wir wissen, dass uns viel fehlen wird. Aber es ist einfach an der Zeit“

Sie halten sich bis dahin aufrecht, gegenseitig, sagen sie selbst. „Das dicke Ende kommt wahrscheinlich noch, wenn wir dann wirklich zumachen“, sagt Maria Schmehl. „Wir wissen, dass uns viel fehlen wird. Aber es ist jetzt einfach an der Zeit.“

Der Häuserblock wird kernsaniert – nicht nur das Mietshaus nebenan, in dem die Schmehls leben, sondern eben auch das mit der Nummer 9, in dessen Erdgeschoss sie hinter Rundbogenfenstern an sechs Tagen in der Woche ab 6.30 Uhr für alle da sind.

Nach der Modernisierung hätten sie wiedereröffnen können. „Aber durch den Umbau“, sagt Maximilian Schmehl, „hätten wir komplett neue Kühlmaschinen einbauen müssen. Bis die 10 000 Euro wieder drin wären, dauert das Jahre. Ab einem bestimmten Alter muss das nicht mehr sein.“ Und die Wohnbaugesellschaft, ergänzt seine Frau, „hat extra die Sanierung von anderen Häusern zeitlich nach vorne verlegt, damit wir noch in Ruhe alles sortieren können.“

Viel gibt es da zu sortieren – nicht nur Lebensmittel und Küchentücher, sondern vor allem auch Erinnerungen. Sohn Robert ist quasi im Laden aufgewachsen – fürs Schaufenster hat er eine Fotocollage aus dessen Geschichte gebastelt, die in den 70ern beginnt. Aber vor Maximilian und Maria Schmehl hat schon deren Mutter hier den „Milchladen“ betrieben. Stammkundin Barbara Neumayer kannte sie noch persönlich. „Ich komme schon immer her“, sagt sie, „abgesehen von ein paar Jahren nach 1944, als die Bomben gefallen sind.“

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Sie wird ab jetzt zum Tengelmann gehen. „Aber das wird hart. Die tragen sicher nicht meine Einkäufe heim oder reden extra für mich langsamer.“

Auch Dolores Toma seufzt: „Die Herzlichkeit wird fehlen. Dass der Laden schließt, ist das Schlimmste, das der Anlage passieren kann.“ Sie gönne den Schmehls aber, dass sie nun einmal Zeit für sich haben.

Was die damit tun? „Endlich alle meine Fotos sortieren“, sagt Maximilian Schmehl. „Und Radlfahren“, sagt Maria, „für die Gesundheit!“ Er nickt. Sie sind füreinander da.

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