Streit um Neubau in der Mozartstraße: Ist dieses Haus zu kitschig?

Wiesn-Viertel: Dieser Entwurf für ein neues Bürogebäude in der Mozartstraße wird stark kritisiert, sogar als "Missgeburt". Doch der Architekt weiß seinen Bauherren hinter sich.
Eva von Steinburg
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Die Vision für die Mozartstraße 4 (rechts): Ist der Entwurf für das Bürogebäude kitschig? Es soll im Wiesn-Viertel auch "Handwerklichkeit" vermitteln.
Die Vision für die Mozartstraße 4 (rechts): Ist der Entwurf für das Bürogebäude kitschig? Es soll im Wiesn-Viertel auch "Handwerklichkeit" vermitteln. © Oliv Architekten

München - Die Lage am Eingang zum Wiesn-Viertel ist prägnant: Das Haus Mozartstraße 4 kennen viele Münchner. Denn wer zur Wiesnzeit am Goetheplatz aus der U-Bahn fällt, läuft zur Theresienwiese an einem schlichten gelben Nachkriegsbau mit Hostel und Gaststätte vorbei.

Dieses Jahr kommt der Abriss

Es liegt genau gegenüber vom Kino Royal-Filmpalast. Ende 2021 wird das gelbe Gebäude abgerissen. Bauherr Georg Randlkofer, Miteigentümer von Dallmayr, plant hier einen Büro-Neubau. Der Entwurf von Oliv Architekten aus München ist zwei Meter höher. Das neue Gebäude für die Mozartstraße soll zeitgemäß und repräsentativ wirken: Es bekommt ein Mansardendach, Gauben und verspielte Erker. Dazu eine Tiefgarage mit hochmodernem Autoaufzug.

Ist der Entwurf zu kitschig?

Bei der Vorstellung des Projekts in der Stadtgestaltungskommission hat dieser Entwurf des Architekten allerdings nicht überzeugt. Er mische zu viele Elemente und sei historisierend, wird moniert. Und das ist noch eine milde Form der Kritik am Entwurf. Ist das Gebäude wirklich so kitschig?

Der Münchner Architekt Igor Brncic (47) erklärt die Vorteile des Neubaus: eine deutliche Entsiegelung des Grundstücks: mit Vorgartenzone und einem begrünten Hof. Sein Gebäude erhebt den Anspruch "hochwertig und nachhaltig" zu wirken. Schließlich gehöre es zum Wiesnensemble: "Das Mansardendach fügt sich in die Dachlandschaft im Karree ein", sagt Brncic. Das Erscheinungsbild des Bürohauses soll "Handwerklichkeit" vermitteln. Sein Gebäude erhalte Plastizität durch stehende und schwebende Erker. Wichtige Elemente der Fassade sind Putz, eine Sockelzone aus heimischen Steinen, geschmiedete Metallgeländer und Fenster aus lackiertem Holz.

Hostel und Lokal: Der gelbe Bau in der Mozartstraße wird abgerissen
Hostel und Lokal: Der gelbe Bau in der Mozartstraße wird abgerissen © Oliv Architekten

Stadtgestaltungskommission übt Kritik

Das Urteil der Münchner Architektin Ruth Berktold, Mitglied der Stadtgestaltungskommission, fällt jedoch reichlich kritisch aus: "Die Fassade wirkt sehr historisierend", sagt sie. Das Haus passe nicht zu der Glasfassade des Royal-Kinos gegenüber und zur Post am Goetheplatz, einem Bauhaus-Denkmal.

Ihr Kollege Manfred Kovatsch kritisiert den Baukörper als "zerklüftet" und wünscht sich "mehr Klarheit und Einfachheit". Der Berliner Architekt Matthias Sauerbruch schließlich fällt ein vernichtendes Urteil. Er hält diese Lösung für diesen Ort nicht für adäquat. Er urteilt hart, nennt den Entwurf eine "Collage" und "eine Art Missgeburt", denn das Haus mische viele Elemente. "Die Fassade faltet sich vor und zurück", so Sauerbruch. Er wünsche sich Vereinfachung. Positiv äußert sich hingegen die Amsterdamer Architektin Birgit Rapp: "Ich finde, die Architektur fügt sich relativ gut in das Gesamtbild."

Das Projekt soll überdacht werden

Igor Brncic hat dem Gremium geantwortet, dass er sich mit diesem relativ klassischen Entwurf auf repräsentative historische Bauten am Kaiser-Ludwig-Platz und im Viertel bezogen hat. Fazit: Die Stadtgestaltungskommission verlangt, dass Bauherr und Architekt ihr Projekt in Hinblick auf die Kritikpunkte überdenken. Dieses Jahr soll es wieder vorgestellt werden.

"Änderungen kann das Fachgremium nicht erzwingen. Das Wort der Stadtgestaltungskommission ist jedoch ein wichtiger Hebel für weitere Gespräche", erläutert ein Experte. Architekt Igor Brncic reagiert gelassen: "Der Frage, was ist richtig und was falsch, stelle ich mich gerne. Da bin ich uneitel. Ich setze einen Kundenwunsch um. Es geht um den Anspruch auf Wertigkeit. Das soll kein modisches Gebäude werden."

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Architekt Brncic: "Als Münchner habe ich ein Gespür für den Ort"

Wer die Mozartstraße kennt, hat die Prachtbauten an der Ecke zum Bavariaring im Kopf und die ausladende Villa der Artemed Fachklinik für Venenkrankheiten. Architekt Brncic: "Als Münchner habe ich ein Gespür für den Ort." Für Igor Brncic ist jetzt die Zustimmung des Landesamtes für Denkmalpflege ausschlaggebend. Das Verspielte will er versuchen, an manchen Stellen zu schleifen und zu beruhigen. Doch er bleibt dabei: "Als Münchner habe ich ein Gespür für den Ort. Ich finde, mein Gebäude fügt sich unaufdringlich in die Umgebung ein."

Wie sehen Sie es, liebe AZ-Leser? Was ist richtig im Wiesn-Viertel? Ist der Entwurf für das Bürohaus zu historisierend?
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38 Kommentare
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  • Sarkast am 14.01.2021 10:59 Uhr / Bewertung:

    Warum wird das alte Haus abgerissen?
    Ist es baufällig?
    Schließlich steht es seit Jahrzehnten dort.
    Vielleicht bringt ein neuer Bürobau.den keiner braucht, da wir sehr viele leerstehende haben, mehr Geld. Bezahlbare (keine Luxuswohnungen mit goldenen Wasserhähnen) brauchen wir dringender...

  • am 13.01.2021 12:01 Uhr / Bewertung:

    Schauen Sie sich Freiham, Perlach und das Westkreuz an - dann wissen Sie, wie die Wohnlager in Sibirien ausschauen.

  • Kritischer Beobachter am 12.01.2021 09:03 Uhr / Bewertung:

    Dieser schöne Bau weicht so wohltuend von dieser fürchterlichen "Schuhschachtel"-Architektur ab, mit der man gerade München überall verschandelt (siehe z.B. altes Metro-Gelände an der Leopoldstraße oder das alte Bahngelände an der Arnulfstraße). Aber jetzt weiß man wenigstens, woher diese grässliche Einheitsarchitektur stammt. Hoffentlich hält der Bauherr und sein Architekt durch und dem Widerstand der "modernen Parkhaus-Architekten" stand.

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