Streit um den Tegernseer Platz in München: Entscheidung vertagt
Obergiesing - Man kann den Tegernseer Platz in seiner derzeitigen Ausgestaltung ohne mit der Wimper zu zucken als autodominierte Betonwüste bezeichnen. Das hat der Stadtrat auch schon 2017 so gesehen und darum die Aufwertung beschlossen, auch was den Verkehr betrifft.
Am Dienstag (19. September) sollte nun der Bauausschuss des Münchner Stadtrats diese Aufwertung beschließen. Nicht alle sehen die Umbaupläne aber als Aufwertung, es regt sich Widerstand: Insbesondere ÖPNV-Anhänger beäugen die Pläne kritisch.
Tegernseer Platz: Radweg statt U-Bahn-Eingang geplant
Die Stadt plant nämlich, im Zug der Umgestaltung den westlichen Zugang zur U-Bahnstation Silberhornstraße (U2/U7) zu schließen – er soll einem neuen, baulich abgetrennten Radweg Platz machen, der neben den Tramgleisen nach Süden führt.
Als Ausgleich schlägt das Baureferat vor, zu prüfen, ob der mittlere Aufgang verbreitert werden könnte. Und argumentiert in der Vorlage sogar damit, dass der Rückbau beziehungsweise die Verschiebung der U-Bahnzugänge "notwendig" sei, "um den Zielen der Verkehrswende Rechnung zu tragen". So soll ermöglicht werden, dass mehr Münchner vom Auto auf den öffentlichen Verkehr, hier insbesondere die Tram, und auf das Rad umsteigen.

"Schwerwiegende Nachteile für die Fahrgäste, insbesondere für die Umsteiger zwischen Trambahn und U-Bahn" sehen da der Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr im Münchner Forum (AAN) und auch der Fahrgastverband Pro Bahn, wie sie in einer Mitteilung schreiben.
Verbände fordern alternative Planungsvorschläge
Es sei "kein überzeugender Vorschlag", sagt Andreas Barth von Pro Bahn. "Neben den schlechteren Umsteigemöglichkeiten bedeutet deutlich weniger Platz an einer derart wichtigen Umsteigestation auch ein Sicherheitsrisiko für die Fahrgäste." Die beiden Verbände fordern daher, dass auch noch andere Planungsvarianten vom Stadtrat geprüft werden.
Der neue Radweg (und darum zugeschüttete U-Bahn-Zugang) ist aber nicht die einzige Maßnahme, die am Tegernseer Platz geplant ist: Gemäß der Beschlussvorlage soll der ganze Platz verkehrsberuhigt zu einer "Zone 20" gemacht werden, Autos sollen dann (mit Bussen und Radfahrern) nur noch auf einer Spur an der Post vorbei nordwärts über den Platz fahren können. Es sei das Ziel, "eine einheitlich erlebbare Platzfläche zu gestalten", mit möglichst wenigen Markierungen, Schildern und einer offenen Gestaltung.
Heißt konkret: Es soll vor allem ein Platz für Fußgänger werden. Das zeigt auch ein Gestaltungskonzept aus dem Jahr 2021, auf dem viele zusätzlich gepflanzte Bäume zu sehen sind. Eine "grüne Bahnhofshalle" schwebt den Planern des Baureferats vor, die eine "Kompensation für die weiterhin erforderliche Versiegelung" des Platzes sei.

Tegernseer Platz: Fünf Parkplätze sollen ersatzlos weg
Aber nicht nur die Fahrspuren für die Autos müssen weichen, sondern auch die fünf Parkplätze vor der Post am Tegernseer Platz – einer davon ein Parkplatz für Menschen mit Behinderung. Damit nicht einverstanden ist das städtische Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW). Das RAW möchte geprüft wissen, ob einige der fünf Parkplätze zu Behindertenparkplätzen umgewidmet werden könnten. Mobilitätseingeschränkten Personen "ist es nicht zuzumuten, größere Sendungen über eine längere Distanz zu Fuß zu transportieren", so die Begründung.
Die Kosten für den gesamten Umbau schätzt das Baureferat auf zwischen acht und zwölf Millionen Euro, die Zahlen seien allerdings noch nicht belastbar.
Umbau des Tegernseer Platzes: Entscheidung verschoben
Der Bauausschuss des Stadtrats hätte eigentlich am Dienstag entscheiden sollen, ob diese Pläne so weiterverfolgt und umgesetzt werden sollen, auch wenn das noch lange nicht bedeutet hätte, dass bald die Bagger auffahren würden: Wegen komplizierter Genehmigungsverfahren rechnet das Baureferat frühestens 2026 mit einem Baubeginn am Tegernseer Platz.
Nun hat der Ausschuss am Dienstag entschieden, nicht zu entscheiden und sich des Themas erst in der nächsten Sitzung zu widmen. Nicht zuletzt lauter werdende Kritik vonseiten der Fahrgastverbände, aber auch aus der Opposition haben zu diesem Entscheid geführt. Die SPD/Volt-Fraktion habe die Vertagung angeregt, schreibt die Fraktionschefin Anne Hübner auf "X" (ehemals Twitter):
Die SPD wolle die Fahrgastverbände Pro Bahn und AAN "in Kürze" zu einem Gespräch einladen. Erst danach wollen sie einen Beschluss fassen, so Hübner.
Scharfe Kritik von CSU und FDP
Die Fraktion der CSU/Freien Wähler findet deutliche Worte für das Vorhaben, spricht von einem "millionenteuren Unsinn". Die aktuellen Pläne würden die Wege unsicherer und den Umstieg komplizierter machen, das treffe "vor allem mobilitätseingeschränkte Personen".
Und es kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: "Dieser Zugang wird an Spieltagen auch von Sechzger-Fans genutzt", sagt CSU-Stadtrat Andreas Babor. "Jeder, der an Spieltagen in Giesing unterwegs ist, weiß, wie viel in diesem Eck los ist. Durch die Pläne der Stadt werden die Wege komplizierter und die Bahn schlechter erreichbar. Wir befürchten eine Verschlechterung der Sicherheitslage, die sich auch auf die Fans auswirkt."
Auch die FDP/Bayernpartei-Fraktion hat die Pläne nicht unterstützt. Sie fordert, dass ein Architekturbüro die Planung des Platzes übernimmt, um "etwas städtebaulich Ansprechendes zu schaffen". Das würden andere europäische Städte tun und bekämen dann schöne Plätze. "Ein paar Platanen und Bänke alleine in der Mitte sind für München einfach zu wenig", so die Fraktion.
Trotz scharfer Kritik: Grüne halten an Plänen fest
Trotz verschobener Behandlung und viel Kritik wollen die Grünen an den Plänen des Baureferats festhalten: Die Planung berücksichtige "die Belange aller Verkehrsteilnehmer*innen", so der Grüne Stadtrat Christian Smolka. "Wer jetzt eine Neuplanung fordert, nimmt in Kauf, dass es zu jahrelangen Verzögerungen kommt. Wir haben jedoch bei der Verkehrswende keine Zeit mehr zu verlieren und müssen dringend vom Planen und Diskutieren ins Handeln und Bauen kommen.“
Und was sagen die, die den Platz am meisten befahren? MVG-Chef Ingo Wortmann klingt nur so halb zufrieden, als ihn die AZ auf die Pläne anspricht. Aber mei, es sei halt "ein Kompromiss". Wortmann sagt: "Vor allem war wichtig, dass wir eine ausreichend breite Straßenbahn-Haltestelle haben und dass die Ausgänge noch leistungsfähig genug sind. Das haben wir aus meiner Sicht hinbekommen." Unterm Strich sei es nun "ein gangbarer Kompromiss".
Ob dieser Kompromiss jetzt aber kommt oder nicht, ist nach der Vertagung nicht mehr so klar. Zumindest bis zur nächsten Sitzung des Bauausschusses. Die findet am 10. Oktober statt.