Spaziergang in München: Das alte und neue Schwabing-West

Flanieren im Norden von München: Vom Helmut-Fischer-Platz führt der Weg entlang prunkvoller Fassaden zur alten Barbarasiedlung und zum Kreativquartier. Ein AZ-Spaziergang mit dem Drehbuchautor Thomas Rock durch Schwabing-West.
Irene Kleber |
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Ein ruhiges Schwabinger Fleckerl: der Helmut-Fischer-Platz.
Ein ruhiges Schwabinger Fleckerl: der Helmut-Fischer-Platz. © Sigi Müller

München - Schwabing-West mit seinen Gründerzeit-Altbauten, 60er-Jahre-Wohnhäusern und den drei zentralen Plätzen Elisabethplatz, Kurfürsten- und Hohenzollernplatz ist der nördliche Nachbar des Univiertels Maxvorstadt, ein Stück westlich der Isar. Fast 70.000 Menschen leben hier auf 4,36 Quadratmetern Fläche (157 Bewohner pro Hektar). Das sind über 14.000 Menschen mehr als noch vor 20 Jahren.

Es ist das am dichtesten bewohnte Münchner Viertel, und wer schon lange hier lebt, der spürt die Enge auch. In den Straßen, auf denen es brummt vor Autos, Bussen, Rettungswagen, Radlern, Rollerfahrern und Fußgängern. In den Hinterhöfen, von denen immer mehr mit Wohnungen zugebaut werden. In den Restaurants und Straßencafés, in denen ohne Reservierung oft gar nichts mehr geht. Und auf dem Wohnungsmarkt sowieso.

Schwabing-West: Wo Drehbuchautor Thomas Rock sich in München besonders wohlfühlt

Trotzdem, wer Schwabinger ist, der liebt sein Viertel und kennt seine Lieblingsnischen und seine Nachbarschaft. Einer, der seit 25 Jahren hier lebt, ist der Drehbuch- und Synchronautor Thomas Rock (65). Er sitzt seit 15 Jahren für die SPD im Bezirksausschuss, dem Stadtviertelparlament von Schwabing-West, und leitet dort den Unterausschuss Kultur.

Für die AZ hat er sich einen Spaziergang aus der Mitte seines Viertels nach Westen ausgedacht, schaut dabei zurück in ein paar Kapitel Schwabinger Geschichte, aber auch in die Zukunft. Vom Helmut-Fischer-Platz geht's über das gründerzeitliche Schwabing und die alte Barbarasiedlung bis hinüber ins Kreativquartier, das noch im Entstehen ist. Viel Freude beim Flanieren!

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Station 1: Monaco ganz in Ruhe

Wir starten am Helmut-Fischer-Platz, wo die Herzog-, Fallmerayer- und Rankestraße zusammenlaufen. Ein paar Bänke stehen unter Linden im Schatten, daneben ein dreiteiliger Brunnen, den die Künstlerin Inga Ragnarsdottir aus Edelstahl geformt hat.

Den kleinen Platz hat die Stadt 1990 angelegt und nach Schauspieler Helmut Fischer ("Monaco Franze", †1997) benannt. Ein gutes Fleckerl, um eine Brotzeit einzunehmen und dann gestärkt loszulaufen.

Station 2: Jakob-Klar-Straße

Weiter geht es über die Ranke- und Tengstraße zur Jakob-Klar-Straße, die von Jugendstil-Wohnhäusern gesäumt ist. Bis zur Nazizeit, erzählt Thomas Rock, haben hier wohlhabende jüdische und nicht-jüdische Familien friedlich als Nachbarn nebeneinander gewohnt.

In Hausnummer 1 lebte die jüdische Kommunistin Olga Benario, die im Brasilien der 1930er Jahre eine Revolution anzetteln wollte, aber verhaftet, nach Deutschland ausgeliefert und 1942 von den Nazis ermordet wurde.

Jakob-Klar-Straße 1: Hier lebte die Kommunistin Olga Benario.
Jakob-Klar-Straße 1: Hier lebte die Kommunistin Olga Benario. © Sigi Müller

Ab 1941/42 beschlagnahmten die Nationalsozialisten das Benario-Haus und funktionierten es zum "Judenhaus" um - wie viele feine Bürgerhäuser rund um die Jakob-Klar-, Bauer-, Teng- und Elisabethstraße.

Dort wurden Hunderte jüdische Familien zwangseinquartiert, ehe sie deportiert und in Kaunas, Auschwitz und Theresienstadt ermordet wurden. Nur eine Gedenktafel mit 33 Namen an der Hausnummer 7 zeugt noch davon. "Es sollten an allen betroffenen Häusern solche Gedenktafeln hängen", findet der Stadtviertelpolitiker.

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Station 3: Balkone an der Bauerstraße

Und weiter geht's in die Bauerstraße Richtung Westen – benannt nach Bürgermeister Jakob von Bauer (1838-1854), der die Flaucheranlagen angelegt hat. Hier finden sich einige der prunkvollsten Hausfassaden im Viertel, mit Balkonen, die echte Hingucker sind.

Sehenswert: die halbrunden und von Erkern eingefassten Balkone an diesem moosgrünen Jugendstilbau an der Bauerstraße 40.
Sehenswert: die halbrunden und von Erkern eingefassten Balkone an diesem moosgrünen Jugendstilbau an der Bauerstraße 40. © Sigi Müller

Etwa die an der Hausnummer 40, einem moosgrünen Walmdachbau mit Erkern und Jugendstil-Stuckdekor. An der Hausnummer 9 übrigens, oben im vierten Stock, ist Alt-OB Christian Ude aufgewachsen. Er habe da eine "ausgesprochen glückliche Kindheit" gehabt, hat er mal erzählt.

Station 4: Der allererste Bücherschrank

Über die Hohenzollernstraße spazieren wir zum Nordbad, wo Münchens erster Bücherschrank steht (im Dezember wird er zehn Jahre alt). Heute gibt es um die 30 in der ganzen Stadt. Hier kann jeder kostenlos Bücher zum Lesen mitnehmen und auch eigene für andere hineinstellen.

Thomas Rock, Drehbuchautor und Mitglied im Bezirksausschuss Schwabing-West, steht hier vor Münchens erstem Bücherschrank am Nordbad - der wird heuer zehn Jahre alt.
Thomas Rock, Drehbuchautor und Mitglied im Bezirksausschuss Schwabing-West, steht hier vor Münchens erstem Bücherschrank am Nordbad - der wird heuer zehn Jahre alt. © Sigi Müller

Für das Projekt, das der Bezirksausschuss (BA) angestoßen hatte, spendierten die SWM einen Quadratmeter Fläche, man gründete einen Verein, der 8000 Euro Spenden sammelte. Zwölf Paten kümmern sich nun um die Pflege des Schranks.

Station 5: Die Barbarasiedlung

Dass München gern Millionendorf genannt wird, liegt vielleicht auch an Ecken wie der kleinen Barbarasiedlung, zu der wir über Elisabeth- und Schwere-Reiter-Straße kommen. Kleine Häusl mit üppigen Gärtchen stehen da auf einem Dreieck zwischen Barbara-, Infanterie- und Schwere-Reiter-Straße.

Ganz zauberhaft: die historischen Häusl an der Barbarastraße.
Ganz zauberhaft: die historischen Häusl an der Barbarastraße. © Sigi Müller

Die Minisiedlung wurde 1909-1918 für Handwerker des militärischen Bekleidungsamts und ihre Familien gebaut. Heute leben vor allem Beamte dort, das Areal gehört dem Freistaat. Auch die letzte Münchner Kutscherei findet sich hier. Susi Schimmers Gespanne fahren auch durch den Englischen Garten.

Station 6: Umbauatmosphäre im Kreativquartier

Über Infanterie- und Frei-Otto-Straße gehen wir weiter Richtung Kreativquartier. Auf dem 20 Hektar großen Gelände, auf dem einst die Luitpoldkaserne stand, will die Stadt einen Mix aus Wohnen, Kreativsein, Studieren und Erfinden wachsen lassen.

Links blickt man noch auf ein Kiesfeld, auf dem bis 2027 380 Wohnungen entstehen sollen (Gewofag und Baugenossenschaften; die Grundstücke sind vergeben). Überquert man die Heßstraße, steht man im alten Hallengelände, auf dem sich Kreative tummeln – wie in den Atelierhäusern, dem Pathos-Theater oder dem Subkulturtreff Import-Export.

Hier werkeln Theaterleute: das Pathos-Theater.
Hier werkeln Theaterleute: das Pathos-Theater. © Sigi Müller

Ein Stück südlich, bei der denkmalgeschützten Jutier- und Tonnenhalle (wo bis 2026 Platz für Konzerte, Tanz, Ateliers und Gastro entstehen soll) geht die Sanierung los.

"Eine spannende Gesamtatmosphäre, die man einfach mal wirken lassen kann", empfiehlt Thomas Rock. Müdespaziert? Die nächste Tram fährt nicht weit von hier an der Dachauer Straße oder am Leonrodplatz ab.

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