Sendlinger Tor: Baum-Kletterer tricksen Polizei aus

Der Polizeieinsatz mit 600 Beamten dauert bis Samstag um 4.30 Uhr: Unterstützer waren auf Bäume gekraxelt. Die Bäume in unmittelbarer Nähe des Sendlinger Tors hatten die vielen Einsatzkräfte offenbar nicht im Auge.
von  Nina Job/Felix Müller
Einsatz gegen die Baumbesetzer: Polizisten seilen sich zu den Aktivisten ab – die Aktion dauert bis zum Samstag in der Früh.
Einsatz gegen die Baumbesetzer: Polizisten seilen sich zu den Aktivisten ab – die Aktion dauert bis zum Samstag in der Früh. © Michael Trammer

München - Im Juni 2013, im Dezember 2014, im Herbst 2016 – die Bilder von demonstrierenden Asylsuchenden in Camps auf öffentlichen Münchner Plätzen ähneln sich stark.

Die Initiatoren waren dieselben, die Eskalationsstufen ebenso: Was als friedlicher Dauer-Protest begann, mündete in einen Hungerstreik. Schließlich führte die Ankündigung, auch noch das Trinken wegzulassen, jeweils zu einem großen Polizeieinsatz, bei dem das Camp geräumt wurde.

2014 und 2016 kletterten Demonstranten und Unterstützer während der Polizeiaktion in Bäume am Sendlinger Tor und kündigten an, "notfalls bis zum Tod alles in Kauf zu nehmen".

Viele Münchner fragten sich nach der dritten Versammlung dieser Art, ob das Camp nicht früher hätte geräumt werden können, wenn sie so vorhersehbar ablaufe. Musste die Stadt so lange zusehen? "Es gab rechtlich keine andere Möglichkeit. Wir hatten keine Handhabe", betonte ein Sprecher des Kreisverwaltungsreferats (KVR) am Sonntag.

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Am Freitag habe der Schutz des Lebens der Teilnehmer das hohe Gut der Versammlungsfreiheit überwogen – zuvor jedoch noch nicht. "Rechtlich gesehen ist der Hungerstreik ein legitimes Mittel der Meinungsäußerung", sagte der Sprecher weiter. Die Stadt habe keine Möglichkeit, die Demonstrationen zu verbieten, nur weil immer dieselbe Gruppe dahinter stehe.

Allerdings stellt sich die Frage, warum die Polizei, die mit 600 Beamten im Einsatz war, es nicht schaffte zu verhindern, dass wieder Menschen auf Bäume klettern. Eigentlich hätte sie vorgewarnt sein müssen von den Ereignissen 2014 am selben Ort.

"Mehrzahl der Baumbesetzer keine Flüchtlinge"

Die Polizisten standen zwar dieses Mal bei den Trambahn- und Bushäuschen am Sendlinger-Tor-Platz, um zu verhindern, dass Versammlungsteilnehmer hinaufkletteren, doch einen 25 Meter hohen Ahorn in unmittelbarer Nähe des Sendlinger Tors hatten die vielen Einsatzkräfte offenbar nicht im Auge.

Dort versammelten sich bis zu 60 Unterstützer, 14 kletterten in den Ahorn. Auf einen zweiten Baum in unmittelbarer Nähe kletterten weitere vier. "Die große Mehrzahl der Baumbesetzer waren keine Flüchtlinge, sondern Unterstützer", sagte Polizeisprecher Gottfried Schlicht.

Die Einsatzkräfte versuchten zunächst, die "Baumbesetzer" durch Gespräche zum Herabsteigen zu bewegen. Allerdings erfolglos. Gegen 0.45 Uhr entfernten Feuerwehrmänner die Fahrradständer unter den Bäumen und legten Sprungkissen, weiche Matten und Strohballen aus.

Um 4.30 Uhr war alles vorbei

Die Polizei sprach Platzverweise aus und drohte den Baumbesetzern damit, sie in Gewahrsam zu nehmen. Samstagfrüh, gegen 3 Uhr, seilten sich schließlich SEK-Beamte von Feuerwehrleitern zu den neun Baumbesetzern ab, die nicht freiwillig absteigen wollten.

Mittels einer Hebebühne wurden sie wieder auf festen Boden gebracht. Die Polizei nahm sie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte fest, 15 Personen kamen in Gewahrsam. Um 4.30 Uhr war alles vorbei. Der Polizeieinsatz soll nun behördenübergreifend nachbereitet werden.

Dabei wird auch beraten, wie es nächstes Mal besser laufen kann.


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