Schandfleck Hauptbahnhof München

München - Fraglos, schön ist anders. Wer in München aus dem Hauptbahnhof tritt, egal in welcher Himmelsrichtung, stolpert über anarchisch abgestellte (Schrott-)Räder, ekelt sich vor verklebten Straßen und herumliegendem Müll. Und schaut: wahlweise auf marode Hauswände, Bauzäune oder Container. Ein hübsches Entrée für die Landeshauptstadt, die so gern ihr Glamour-Image poliert, ist das jedenfalls garantiert nicht. „Wer mit der Bahn ankommt, muss ja glauben, dass bei uns die Zeit in den 60er Jahren stehen geblieben und Sauberkeit uns wurscht ist“, grantelt CSU-Stadtrat Georg Schlagbauer. Sein roter Kollege, SPD-Fraktionschef Alexander Reissl empfindet das ähnlich: „Der Eindruck, den man hier von München bekommt, ist schlichtweg grauenhaft.“
Seit Jahren ringt die Deutsche Bahn mit der Frage, wie der Hauptbahnhof umgebaut werden soll (siehe Kasten). Der große Wurf will bislang einfach nicht gelingen – und in kleinere Verschönerungsmaßnahmen mag die Bahn nicht investieren. Mit der Folge, dass das Areal um den Bahnhof immer mehr verkommt. In der AZ zeigen Reissl und Schlagbauer die hässlichsten Flecken rund um den Bahnhof.
Der Bahnhofsvorplatz
Seit Monaten steht hier ein riesiger Baustellencontainer-Block, umgeben von Zäunen. Sicht, Durchfahrt, Durchgang – „sehr schwierig“, sagt Alexander Reissl. „Für Fußgänger, die rüber zur Tram oder Richtung Stachus gehen wollen, ist die Verkehrslage kriminell.“ Hier bräuchte es einen direkten Zugang zur Schützenstraße, einen Zebrastreifen bis zur Tram, und endlich ein Radl-Parkhaus.
Der Ausgang Bayerstraße
Auch hier parken Fahrräder kreuz und quer. An der Rampe und rund um die Rolltreppe zur U- und S-Bahn klebt der Boden vor Schmutz. Am Boden liegen zerlesene Zeitungen, Plastiktüten und Pappbecher. „Der Gesamteindruck ist schäbig“, sagt Georg Schlagbauer. Dabei entstehe gegenüber in der Bayerstraße ein neues Hotel und ein Bayerisches Wirtshaus. „Da investieren Menschen richtig Geld – um dann ihre Gäste auf so einen ungepflegten Platz schauen zu lassen?“
Der Ausgang Arnulfstraße
Ein windschiefes Straßenschild, Mülltüten in Pfützen, wackelige Spinde vor der Plattenfassade – „keine gute Visitenkarte für München“, ärgert sich Schlagbauer. „Die Stadt kann hier einfach nichts machen, weil das alles Bahn-Eigentum ist.“
Noch ärgerlicher ist für den CSU-Mann, dass die flachen Gebäude entlang der Arnulfstraße vor sich hin rotten. Außen liegen die Ziegelwände bloß, innen riecht’s modrig. Einige der Häuschen werden noch als Elektro- oder Reparatur-Läden genutzt. Andere stehen leer – „und das in dieser Lage! Die reinste Verschwendung von Wohn- und Geschäftsraum.“
Die Paul-Heyse-Unterführung
Ein düsterer Gruseltunnel – seit Jahrzehnten. Die 210-Meter-Röhre mit eisernem Tragwerk, die der Bahn gehört, ist über 100 Jahre alt. Längst frisst der Rost tiefe Löcher, Beton bröselt, von den Wänden fallen Fliesen. Wer hier zu Fuß oder mit dem Radl durch will, wagt in dem dichten Abgasnebel (und dem Taubendreck) kaum zu atmen. „Für die Teerdecke ist die Stadt zuständig“, erklären die Stadträte, „und die ist auch in einem ordentlichen Zustand.“ Ob aber die Ekelröhre je saniert wird? „Das hängt davon ab, was mit dem Bahnhof geschieht“, heißt es bei der Bahn.
Die Schwanthalerstraße
Eine Straßenflucht ganz ohne Grün, dafür mit jeder Menge Verkehr rund um die Uhr. Immerhin hier kann die Stadt selbst handeln – es ist kein Bahngelände mehr. „Wir sollten an jeder Kreuzung Bäume pflanzen“, sagt Reissl. „Natürlich gehen da Parkplätze verloren – aber die Straße bekommt sofort einen freundlicheren Eindruck.“
Lesen Sie hier: Feueralarm an Bord von ICE in München
Die rot-schwarzen Rathaus-Koalitionäre wollen nun, dass sich schleunigst was ändert, und zwar bevor – vielleicht irgendwann – der ersehnte große Bahnhofsumbau kommt.
Der OB soll bei der Bahn darauf dringen, dass sie den Bahnhof in einen „gepflegten und optisch ordentlichen Zustand“ bringt, fordert die CSU-Fraktion. Und wo sie kann, soll die Stadt selber eingreifen, fordert die SPD in einem Antrag an die Verwaltung: Das gesamte Bahnhofsviertel soll häufiger gereinigt werden. Die Schrotträder sollen regelmäßiger entsorgt, mehr Mülleimer aufgestellt, die Straßenbeleuchtung verbessert und mehr Straßen begrünt werden. Man darf gespannt sein. Irene Kleber