Riem: Vorwürfe nach Hunde-Angriff - "Die zweite Attacke war unnötig"

Zwei Hunde haben im Juli in Riem einen Mann angefallen. Ein Familienvater sagt: Das wäre vermeidbar gewesen. Die Hunde hatten auch schon seine Kinder gebissen.
Hüseyin Ince
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Einer der beißenden Boerboels des 59-jährigen Hundehalters aus Riem.
Einer der beißenden Boerboels des 59-jährigen Hundehalters aus Riem. © Tierheim München

Riem - Einem Münchner Künstler (45) wurde im Sommer zum Verhängnis, dass er zwei Boerboels streicheln wollte. "Sie haben aber schöne Hunde", hatte er noch zu dem Besitzer gesagt. Unmittelbar danach bissen sich die Tiere fest. Die Hunde rissen dem Künstler ein Stück Wade heraus, fügten ihm tiefe Fleischwunden zu. Am 27. Juli 2021 war das, auf der Riemer Straße. Der Künstler torkelte, blutete, musste in einem Krankenhaus behandelt werden.

Hunde-Attacke in München: Halter überfordert?

Boerboels zählen zu den bisskräftigsten Hunden weltweit. Der Halter, damals 59, habe laut Zeugen überfordert gewirkt. Er hatte die Hunde ohne Leine laufenlassen, trotz Leinenpflicht. Danach nahm ihm das Kreisverwaltungsreferat (KVR) die Tiere weg.

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Wenige Wochen nach dem Vorfall meldete sich Bülent Tekinalp bei der AZ. Als er den Artikel über die blutige Attacke gelesen hatte, war ihm klar: Das müssen dieselben Hunde sein, die Ende 2019 seine beiden Kinder angefallen hatten. Warum er sicher sei? "Wir waren Nachbarn", sagte Tekinalp.

Kinder müssen nach Hunde-Attacke operiert werden

Die Boerboels hatten es damals auf die zwei Hunde abgesehen, mit denen Tekinalps Tochter Açelya (15) und sein Sohn Ali (17) auf der Riemer Straße Gassi gingen. Die Jugendlichen versuchten, ihre Hunde zu schützen - und wurden ebenfalls gebissen.

Beide mussten stationär eine Woche im Krankenhaus behandelt werden und unter Vollnarkose operiert werden - der Sohn sogar zwei Mal, wegen einer Entzündung.

Die beiden Hunde der Familie Tekinalp. Dem Husky (links) wurde bei der Attacke 2019 ein handgroßes Stück Fell am Hals herausgebissen. Die Boerboels (r.) bissen auch Tochter und Sohn Tekinalp so heftig, dass sie operiert werden mussten.
Die beiden Hunde der Familie Tekinalp. Dem Husky (links) wurde bei der Attacke 2019 ein handgroßes Stück Fell am Hals herausgebissen. Die Boerboels (r.) bissen auch Tochter und Sohn Tekinalp so heftig, dass sie operiert werden mussten. © privat

Auch die Hunde wurden verletzt: Dem Husky wurden die Ohren zerbissen und ein großes Stück Fell am Hals herausgerissen. 1.200 Euro kostete die Operation.

Verfahren gegen Boerboel-Halter wird eingestellt

Als die Wunden verheilt waren, schaltete die Familie 2020 einen Anwalt ein. Am Ende vertrat sie Markus Schwarz von der Kanzlei Bossi & Ziegert - ein Mann mit 30 Jahren Berufserfahrung.

Während des Verfahrens stellte sich heraus, dass es noch einen "Beißvorfall" im Hause des Boerboels-Halters gegeben hatte. Vieles deutete nun auf Schadenersatz. Doch Zeugen sagten, dass die Boerboels angeleint gewesen seien. "Ali und Açelya sind sicher, dass sie frei liefen", sagt Tekinalp.

Anwalt Schwarz sagt, ob die Tiere angeleint waren, sei zum Knackpunkt geworden. Zu Unrecht, findet er. Schwarz sieht es so: "Auch wenn sie angeleint waren, ist das doch ein starker Hinweis, dass dem Hundehalter erzieherische Mittel fehlten, dass er nicht kräftig genug war." Doch das Verfahren wurde eingestellt.

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KVR: Hunde mussten angeleint werden

Nach dem Vorfall hatte der Boerboel-Besitzer vom KVR eine Maulkorb- sowie Leinenpflicht für die Tiere auferlegt bekommen. Es habe zudem eine Eignungsprüfung zur Haltung von Hunden mithilfe einer Sachverständigen gegeben, sagt ein KVR-Sprecher. Von der Maulkorbpflicht habe man wegen des Verlaufs des Tekinalp-Verfahrens dann aber abgesehen, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

"Stattdessen wurde das Verfahren mit einem Leinenzwang für die beiden Hunde abgeschlossen. Freiauslauf durfte nur auf übersichtlichen Freiflächen gewährt werden. Kamen Menschen oder Hunde in Reichweite von 30 Metern, waren die Hunde anzuleinen", so der KVR-Sprecher.

Der zweite beißende Boerboel. Die Tiere sind seit der Attacke im Juli 2021 im Tierheim.
Der zweite beißende Boerboel. Die Tiere sind seit der Attacke im Juli 2021 im Tierheim. © Tierheim München

Der Leinenpflicht kam der Halter trotzdem nicht nach, als der Künstler gebissen wurde. Hat sich das KVR also verschätzt? Ja, der Vorfall vom Juli 2021 hätte verhindert werden können, schreibt das KVR, wenn die Hunde - wie angeordnet - angeleint gewesen wären.

Anwalt:  "KVR-Auflagen waren zu milde"

"Die KVR-Auflagen waren zu milde", sagt Anwalt Schwarz. Jana Hoger von der Tierschutzorganisation Peta wird noch deutlicher: "Dass die Tiere den Mann schwer verletzen konnten, war fahrlässig und verantwortungslos." Peta bemängelt zudem, dass es in Bayern keine Pflicht zum "Hundeführerschein" gebe.

Denn: "Jeder Hund, der falsch gehalten oder behandelt wird, kann zu einer Gefahr für Mensch und Tier werden", so Hoger. In Niedersachsen, wo es seit 2013 die Pflicht zum "Sachkundenachweis" gebe, habe die Zahl der Beißvorfälle seither abgenommen.

Familie Tekinalp fühlte sich im Stich gelassen

In München sind fast 41.000 Hunde gemeldet. Registrierte "Vorfälle mit Hunden" gab es 2019 insgesamt 536, 2020 waren es 643. Auch Fälle ohne Biss sind dabei. Schon eine Bedrohung könne Maßnahmen begründen, erklärt das KVR. Mehr als 100 Mal pro Jahr spricht die Behörde eine Maulkorb- oder Leinenpflicht aus. Bis zu 170 Mal wird eine schriftliche Belehrung verschickt.

Familie Tekinalp fühlte sich nach dem Verfahren im Stich gelassen. Ali und Açelya waren von der Hundeattacke traumatisiert. "Weil wir nah beieinander wohnten, sahen sie die Boerboels fast täglich", sagt Tekinalp. Am Ende sei die Familie deshalb von Riem weggezogen, nach Waldkraiburg. "Es war die richtige Entscheidung", sagt Tekinalp. "Hätte das KVR strenger reagiert, wäre der Künstler nicht verletzt worden. Die zweite Attacke war völlig unnötig."

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12 Kommentare
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  • Kadoffesalod am 22.12.2021 23:53 Uhr / Bewertung:

    Boerboels darf man nicht mit Baerbocks verwechseln.

    Letztere sind kleine süße Kläffer, die sich gerne mal als Wadlbeißer versuche, aber nix reißn. Die kann man ruhig streicheln, auch gegen ihren Willen.

    Bei Boerboels darf man das keinesfalls machen.

  • TheBMW am 22.12.2021 06:27 Uhr / Bewertung:

    In dem Artikel wird (mal wieder) viel vermischt, um ein der Zeitung und aktuellen Stadtpolitik gerechtes Bild zu erzeugen: Die Einleitung mit dem Typen, der einfach die Hunde anfasst und sich wundert, dass er gebissen wird, hat nichts mit grundsätzlich auffälligen Hunden zu tun. Kein normaler Mensch würde sich einfach von irgendeinem Fremden anfassen lassen. Würde das bei mir einer tun, würde ich auch zuschlagen! Wieso haben Hunde (und andere Tiere auch) sich sowas gefallen zu lassen? Eine andere Thematik ist, dass gewisse Hunde "scharf" gemacht werden. Das liegt aber am Halter, denn einen Chihuahua nimmt keiner ernst, eine Bulldogge schon... Und aller Hunde einer Rasse in einen Topf zu werfen, nennt man wie? Bei Menschen ist es ein Nogo, bei Hunden wird es von den gleichen Leuten als en Vogue angesehen.

  • hiertanzenvieleihrennamen am 21.12.2021 23:01 Uhr / Bewertung:

    "Der Boerboel wird in den Schweizer Kantonen Freiburg und Genf als potentiell gefährlicher Hund angesehen. Die Haltung ist in Freiburg bewilligungspflichtig, in Genf verboten. Die Einfuhr nach Dänemark und Frankreich ist auch in Begleitung von Touristen verboten (siehe Rasseliste). " Anderswo schützt man also die Bevölkerung vor solchen gefährlichen aggressiven Beißmonstern - warum bei uns nicht? traurig

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