Rabenkrähen greifen Passanten an
In der Baumgartnerstraße hacken Rabenkrähen einem Mann eine blutige Wunde in den Kopf. Die Behörden reagieren sofort, zerstören zwei Nester und bringen drei Jungtiere in die Vogelklinik.
Großhadern / Sendling - Dienstagfrüh, Großhadern. Ich bin auf dem Weg zur U-Bahn und spät dran. Mein Frühstück esse ich im Gehen: eine Rohrnudel. Auf dem Bahnhofs-Vorplatz hüpft eine Rabenkrähe neben mir her. Lustig, denke ich, die hüpft ja abwechselnd auf einem und auf zwei Beinen.
Dann hebt der Vogel ab. Nimmt pfeilschnell Kurs auf mein Gesicht. Ich kann ihn gerade noch mit der Hand abwehren. Ganz klar: Das Viech ist scharf auf meine Rohrnudel. Die zweite Attacke. Wenige Zentimeter vor meiner Nase erwische ich die Krähe mit der Papiertüte vom Bäcker.
Eigentlich mag ich Tiere, aber das hier macht mir Angst. Weil es einfach nicht aufgibt. Immer wieder saust der schwarze Schnabel auf mich zu. Schluss ist erst, als ich mir den Rest der Rohrnudel als Ganzes in den Mund schiebe.
Ein Mann aus Sendling hat am Montag weniger Glück gehabt. Auch er wurde von Krähen angegriffen, im Hinterhof eines Mietshauses der GWG an der Baumgartnerstraße. Laut SZ haben sie ihm eine blutende Wunde in den Kopf gehackt. Weil es nicht der erste Zwischenfall dieser Art war, rückten am Dienstag eine Falknerin und die Höhenrettung der Feuerwehr an und entfernten nach Absprache mit Kreisverwaltungsreferat und GWG zwei Nester vom Gelände.
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Was ist bloß los mit Münchens Rabenvögeln?
Die Krähen in der Baumgartnerstraße hatten Junge und fühlten sich von den Anwohnern offenbar bei der Brutpflege gestört. Eigentlich sind die Tiere in dieser Zeit streng geschützt. „Aber weil in unmittelbarer Nähe ein Spielplatz ist, stand für uns die Sicherheit der Kinder im Vordergrund“, sagt KVR-Sprecherin Kristin Nettelnbrecher. „Wir mussten die Gefahr für Leib und Leben bannen.“
Deshalb holten die Kletterer insgesamt drei Jungtiere aus den Nestern und übergaben sie der Falknerin. In der Vogelklinik Oberschleißheim sollen die Kleinen aufgepäppelt und in etwa zehn Tagen ausgewildert werden. „Wir hoffen, dass die Krähen-Eltern nun weniger aggressiv sind, und sich vielleicht sogar ein neues Umfeld suchen“, sagt Michael Schmitt von der GWG.
Trotzdem warnt Kristin Nettelnbrecher vor Nachahmung: „Das war wirklich eine Sondersituation, die sich nicht auf den allgemeinen Umgang mit Rabenkrähen übertragen lässt.“
Zumal solche Attacken laut Matthias Luy vom Landesbund für Vogelschutz relativ selten sind. „In München leben 3000 bis 4000 Rabenkrähen-Brutpaare. Von Angriffen hören wir aber nur alle zwei bis drei Jahre.“ Von versuchtem Mundraub durch eine Rabenkrähe hat der Diplom-Biologe hingegen noch nie etwas gehört. Allerdings gibt er zu bedenken: „Es gibt auch in München Menschen, die Krähen füttern und sie damit fast handzahm machen. Die Tiere verlieren nach und nach ihre Scheu – und werden immer mutiger.“