München: Sozialreferat erklärt Räumung des Obdachlosenlagers
Isarvorstadt - An die Wand haben Kinder Häuser mit bunten Fenstern gemalt, über den Zaun eines Bauernhofs lugt eine Katze. Über dem Rattanbett wachen ein Prinz und eine Prinzessin - wachten, denn das Bett wurde entsorgt. So wie all die Dinge, die den Obdachlosen in der Kapuzinerunterführung zum Schutz vor Kälte, Licht und Blicken gedient haben.
Am Dienstagfrüh hat die Stadt das Obdachlosenlager räumen lassen. Da war Mauricio (53) schon weg, hat sich mit seiner Sporttasche, in dem sein Laptop und andere Habseligkeiten sind, in der Stadt herumgetrieben. Mauricio kommt aus der Dominikanischen Republik, hat aber auch die italienische Staatsbürgerschaft. Seit zwei Jahren lebt er in München auf der Straße, zu Beginn im Kälteschutz in der Bayernkaserne. Im Sommer zog er in die Unterführung und blieb. "Mit zwölf Menschen in einem Zimmer ist es nicht leicht", sagt Mauricio über den Kälteschutz.
In der Unterführung hat er sich aus Europaletten, Matratzen und Decken ein Lager gebaut. Etwa acht Menschen leben im Lager, erzählt Mauricio. "Manche leben hier seit fünf Jahren und können die Stadt nicht verstehen, die uns einfach räumt", sagt Mauricio.
Stadt erklärt Räumungsaktion
Die Stadt erklärt die Räumung mit Sicherheitsbedenken: Einerseits, weil es Minusgrade habe und anderseits, weil die selbstgebauten Verschläge brennen könnten. So wurde auch schon die Räumung der Lager unter den Isarbrücken erklärt. Aushänge weisen auf den Kälteschutz hin.

Doch nicht jeder ist mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Die Grünen fordern jetzt in einem Dringlichkeitsantrag, der in der Vollversammlung am Mittwoch behandelt werden soll: "Die Münchner Stadtverwaltung stoppt sämtliche ordnungsrechtlichen Räumungen von Wohnstätten obdachloser Menschen und erarbeitet eine Gesamtstrategie bei ausreichender Berücksichtigung freiwilliger Obdachlosigkeit und Mängel des städtischen Angebots für Wohnungslose und Obdachlose."
Franz Herzog, Leiter der Teestube "komm" vom Evangelischen Hilfswerk sagt: "Es geistert ja so rum, das Leben draußen könnte eine selbst gewählte Sache sein. Aber ich habe in all den Jahren niemanden kennengelernt, der tatsächlich freiwillig draußen ist. Den ‘glücklichen Clochard’ gibt es so gut wie nie." Sein Vize Christof Lochner ergänzt: "Das sind oftmals Schutzbehauptungen."
Plätze in den Wohnheimen sind rar
In die Teestube "komm" in der Zenettistraße bekommen nicht nur rund 1000 Obdachlose ihre Post, die Teestube ist auch ein Aufenthaltsort für die Menschen, die Streetworker gehen raus zu jenen, die nicht kommen. Langfristig wollen die Streetworker die Obdachlosen von der Straße holen.
"Bei diesem Wetter verstehe ich es nicht, wenn jemand draußen schlafen will. Ich höre die Argumente, aber ich würde trotzdem rein - auch wenn das ein eher niedriges Niveau im Kälteschutz ist, habe ich doch vier Wände, ein Dach, ein Bett, eine Heizung und kann mich waschen", sagt Lochner.
Die Plätze in den Wohnheimen sind rar: "Mangels bezahlbarem Wohnraum und Sozialwohnungen, die aus der Bindung fallen, sind die Wohnheime verstopft", sagt Herzog.
Und Mauricio? Er weiß nicht, wo er die Nacht verbringen wird. "Wir müssen eine Lösung für dieses Problem finden, denn das ist keine Lösung", sagt Mauricio und macht eine wegwerfende Handbewegung.
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