München: Flüchtlinge am Sendlinger Tor wollen in Hungerstreik treten

Während immer mehr Geflüchtete am Sendlinger Tor kollabieren, soll der Hungerstreik im Protestcamp noch einmal verschärft und ab Samstag auch auf Flüssigkeitszufuhr verzichtet werden.
Altstadt - Während Narges Nasimi (33) auf Deutsch erklärt, warum 80 Flüchtlinge am Sendlinger Tor seit fünf Tagen jedes Essen verweigern, kippt neben ihr Adeel Ahmad (27) aus Pakistan von seinem Stuhl. "Glaubt mir, hier werden Menschen sterben, weil die Politiker uns abweisen", hatte Adeel Ahmad fünf Minuten zuvor mit brüchiger Stimme gesagt. Während seine Mitstreiter sprechen, wird er immer wieder von heftigem Husten geschüttelt.
Obwohl Adeel Ahmad der zwölfte Flüchtling vom Camp am Sendlinger Tor ist, der in den vergangenen drei Tagen ins Krankenhaus gebracht werden musste, geben die Streikenden bei ihrer Pressekonferenz am Freitagvormittag bekannt, dass sie ab dem morgigen Samstag auch das Trinken verweigern werden. Trockener Hungerstreik nennt sich das. Schon jetzt sind sie extrem geschwächt, liegen unter Pavillons auf Europaletten in Schlafsäcken, frieren und husten. Viele sind heiser. Ohne Wasser kann ein Mensch nur wenige Tage überleben.
Keine Freiheit, kein Frieden: "Wir haben keine Worte mehr"
"Wir haben versucht mit den Politikern und der Gesellschaft in Kontakt zu treten. Wir protestieren seit zwei Monaten friedlich. Doch alle unsere Versuche waren vergeblich", erklärt Narges Nasimi den drastischen Schritt. Zuerst hatten sie am Sendlinger Tor ein Protestcamp errichtet, waren dann in elf Tagen zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach Nürnberg marschiert, hatten dort mehrere Tage protestiert und sind dann zum Hungerstreik nach München zurückgekehrt.
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Der Protest erinnert an 2013, als auf dem Rindermarkt 70 Flüchtlinge in den trockenen Hungerstreik getreten waren und das Lager nach acht Tagen von der Polizei geräumt wurde.
Auch jetzt, da die Flüchtlinge noch trinken, haben bereits einige eine Nacht auf der Intensivstation verbracht. Und sind danach in ihr Protestcamp auf dem Sendlinger Tor Platz zurückgekehrt. "Wir sind es gewohnt, unser Leben aufs Spiel zu setzen. Jetzt tun wir es, um gehört zu werden", sagt Narges Nasimi, die Kurdin ist und aus dem Iran stammt. "Wir haben keine Freiheit, keinen Frieden. Wir dürfen nicht in die Schule gehen, nicht studieren, nicht arbeiten. Wir leben außerhalb der Gesellschaft, obwohl wir doch nur Menschen sind, die Menschenrechte einfordern", sagt einer der Flüchtlinge.
Die Forderung der Flüchtlinge: Bleiberecht für alle. Doch viele derer, die mit ihnen ins Gespräch kommen, beleidigen die Protestler nur rassistisch, erzählt Narges Nasimi. "Wir haben keine Worte mehr", sagt sie. Dann bleiben hinter den Tischen der provisorischen Presskeonferenz nur die Sanitäter, die Adeel Ahmad versorgen.