Mehr Grün und Begegnungsflächen: Flanierfreundlicheres Lehel

Im Sommer wird in der Altstadt experimentiert: mehr Grün und Begegnungsflächen, mehr Sitzflächen für Anwohner. Doch manche Bezirkspolitiker klammern sich verbissen an Parkplätze.
Hüseyin Ince
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
13  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Rund um zwei Parkplätze (Bildmitte) am Mariannenplatz, die für mehr Grün vorübergehend wegfallen würden, entzündete sich eine hitzige Debatte im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel. Die ursprüngliche Idee war, dass im Sommer sogar bis zu 20 Parkplätze verschwinden.
Rund um zwei Parkplätze (Bildmitte) am Mariannenplatz, die für mehr Grün vorübergehend wegfallen würden, entzündete sich eine hitzige Debatte im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel. Die ursprüngliche Idee war, dass im Sommer sogar bis zu 20 Parkplätze verschwinden. © Visualisierungen: Green City

München - Seit Herbst 2020 arbeitet der Münchner Verein Green City an einem Konzept für die Altstadt und das Lehel, wie es dort übergangsweise wohnlicher, grüner und verkehrsberuhigter sein könnte. "Quartierswende" wurde das Ganze getauft. Bücherschrank, Tauschregal, Spielzeugtauschbox oder individuelle Sitzgelegenheiten statt Straßen und Parkplätzen: Sieben Projekte haben Christina Pirner und Katharina Freese von Green City seither erarbeitet - stets im Austausch mit den Anwohnern, mithilfe von digitalen Treffen und Workshops.

Green City: Sieben Projekte für Altstadt und Lehel erarbeitet

"Die Ideen für die Projekte kommen direkt von den Münchnern selbst, die im jeweiligen Viertel wohnen", betont Pirner. Und so stellten sie und Freese am Ende sieben Projekte zur Wahl. Denn klar war - im Austausch mit dem Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel sowie dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) -, dass nur drei dieser sieben Projekte vorübergehend eingerichtet werden.

602 Teilnehmer aus dem Bezirk wurden dann bei der Abstimmung registriert. Im Januar 2021 war das. Und die meiste Zustimmung bekamen drei Ideen für die Quartierswende: ein vorübergehender Park am Isartorplatz, ein nachhaltiger St.-Anna-Platz, sowie der Mariannenplatz als menschenfreundlicher Quartierstreff.

So in etwa könnte der Isartorplatz im Sommer aussehen.
So in etwa könnte der Isartorplatz im Sommer aussehen. © Visualisierungen: Green City

Parkplätze sollten den Parklets weichen

Hier sollte den Autos Platz weggenommen werden, um aufenthaltsfreundliche Parklets einzurichten. Es ging um zwei Stellplätze, die dabei wegfallen sollten, um ein multifunktionales Viertel einzurichten.

Als letztes wollten Pirner und Freese noch die Zustimmung des BA einholen. Also stellten sie die drei Gewinner der Quartierswende-Ideen in der BA-Sitzung Mitte Mai in aller Kürze vor und baten um die mehrheitliche Zustimmung.

Bereits vor der Abstimmung gab es aber Stimmen, die vor allem die dritte Quartierswende-Idee bemängelten.

FDP-Mitglieder wollten Parkplätze erhalten

Etwas reflexhaft - so wirkte es - wollten die FDP-Mitglieder im BA die beiden Parkplätze erhalten. Argument: ohnehin hoher Parkdruck. Andere hätten lieber ein Quartierswende-Experiment im nördlichen Teil des Bezirks gesehen.

Lesen Sie auch

Gegen drittes Projekt gestimmt: "Ich bin sehr enttäuscht"

Die ersten beiden Projekte bekamen dann auch problemlos die mehrheitliche Zustimmung des BA. Doch beim dritten stimmte das lokalpolitische Gremium knapp dagegen, auch zur großen Überraschung der BA-Vorsitzenden Andrea Stadler-Bachmaier (Grüne). "Wow. Wir haben jetzt wirklich dagegen gestimmt. Ich bin sehr enttäuscht", sagte sie fassungslos, auch deshalb, weil der natürliche Koalitionspartner der Grünen im BA, also die SPD, geschlossen dagegen gestimmt hatte. Es folgte eine leidenschaftliche Debatte. Und jetzt wurde es grundsätzlich.

Wer ist das Volk? Das könnte man als Überschrift setzen bei dem politischen Feuerwerk, das daraus entstand. Denn einige BA-Mitglieder pochten darauf, dass sie schließlich als Repräsentanten der Bewohner ihres Viertels gewählt worden seien und im Namen ihrer Wähler entschieden hätten.

BA-Mitglieder wie Markus Stadler aber sahen das Prinzip der direkten Demokratie verletzt: "Die Leute wollten das!", betonte er mit etwas lauterer Stimme, hob die lange Entwicklungsphase der Quartierswende-Projekte im Austausch mit den Bewohnern hervor. Er fragte in Richtung FDP: "Wegen zwei Parkplätzen, ernsthaft?!"

CSU-Mitglied: "Die Mehrheit ist bei der Frage einfach nicht Grün"

Als rückschrittlich und engstirnig bezeichnete Stadler die Abstimmung. Manche CSU-Mitglieder konterten: "Die Mehrheit ist bei der Frage einfach nicht Grün", sagte etwa Karin Schnebel, "wir sind das gewählte Gremium". Die Frage, ob jetzt die Einzelstimmen des BA mehr Gewicht haben oder direktdemokratische 602 Stimmen aus dem Viertel - das konnte an diesem Dienstagabend im Mai freilich nicht geklärt werden.

Experiment zwei: mehr Begegnungsflächen auf dem St.-Anna-Platz.
Experiment zwei: mehr Begegnungsflächen auf dem St.-Anna-Platz. © Visualisierungen: Green City

Pirner und Freese gingen jedenfalls enttäuscht nach Hause, um an der Quartierswende zu feilen, die als Blaupause für mögliche, größere sowie langfristige Veränderungen in der Stadt dienen sollen.

Mariannenplatz: Stimmt jetzt das KVR zu?

Doch die beiden Frauen haben schon eine Idee, wie sie trotzdem das dritte, vom BA abgelehnte Quartiersprojekt am Mariannenplatz verwirklichen können: "Wir werden einfach die Elemente, die auf den zwei Parkplätzen aufgestellt werden sollten, in die Nähe der Kirche stellen", sagt Pirner.

Denn wenn kein verkehrsrechtlicher Eingriff im öffentlichen Raum stattfinde, könne man die Zustimmung des Bezirks umgehen. Dann müsse nur noch das KVR zustimmen.

Für wenige Wochen werden also im Sommer die Quartierswende-Projekte umgesetzt. Der genaue Zeitraum steht noch nicht fest. Wahrscheinlich im August. Das gilt als sicher. "Langfristig müssen wir debattieren, wem die Stadt gehört", sagt Pirner, "der Platz wird knapper. Es führt kein Weg daran vorbei, dass irgendwann Parkplätze wegfallen. Den Menschen ist der Platz für Begegnungen wichtiger", sagt sie.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
13 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Leberkas am 23.06.2021 09:04 Uhr / Bewertung:

    Das Unwort des Jahres: Flanieren

  • Demaskierung der Grünen am 22.06.2021 19:28 Uhr / Bewertung:

    Der Artikel ist mein Ansicht nach sehr Grünlastig geschrieben, ein neutraler berichtender Stil wäre wünschenswert, um sich als Leser selber ein Urteil bilden zu können. Das Benutzen negativer starker Adjektive hat den gewünschten Effekt, die Gegner im falschen Licht stehen zu lassen (klammern sich verbissen an Parkplätze, etwas reflexhaft). Ich wohne selber in der Nähe des Mariannenplatzes und kenne keinen von den 602, noch weiß ich nichts von Mitwirkungen. Weiterhin sind 602 Personen nicht repräsentativ für Altstadt-Lehel und schon gar nicht Beschluss befähigt. Bei den Grünen ist das Wort vorübergehend und temporär gleich zu setzen mit immer. Wenn ein Markus Stadler von "die Leute wollen dass" spricht, zitiert er hier pauschal eine anonyme Masse, die nichts von ihrem Glück weiß noch sich gegen die Instrumentalisierung wehren kann. "Der Platz wird knapper, den Menschen gehört die Stadt" Den Menschen und nicht nur den Grünen und die sind nicht in der Mehrheit mit 27%

  • Stadtbummler am 22.06.2021 11:03 Uhr / Bewertung:

    Beruhigend, dass auch noch vernünftige Leute im BA gibt.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.