Isarvorstadt: Pelzmoden Suppé schließt nach 56 Jahren

56 Jahre lang hat das Ehepaar Suppé seinen Pelzladen geführt. Nun ist Schluss und im Viertel nimmt man Abschied.
von  Karl Bayer
Helga Suppé einige Jahrzehnte später, an der gleichen Stelle.
Helga Suppé einige Jahrzehnte später, an der gleichen Stelle. © privat

Isarvorstadt - "Jaaaaaa", seufzt eine Kundin, die über 40 Jahre lang bei Pelzmoden Suppé eingekauft hat – und jetzt vielleicht zum letzten Mal im kleinen Kürschnerladen im Glockenbachviertel steht. Zusammen mit den Chefs vom Restaurant Süßmund nebenan, der Besitzerin des Getränkemarkts gegenüber und ein paar weiteren Nachbarn ist sie gekommen, um sich zu verabschieden. Denn die Werkstatt schließt, nach 56 Jahren.

Zwischen Pelzmänteln und Decken hängen Ballons, Luftschlangen, Fröhlichkeit – es ist eine Trennung im Guten. Die Suppés gehen in den Ruhestand. Einen Nachfolger gibt es nicht. Beim Abschiedsfest in der Westermühlstraße werden Griebenschmalz-Schnittchen und Prosecco gereicht. 56 Jahre sind eine lange Zeit.

Erinnerungen an 56 Jahre Pelzmoden Suppé

Man spürt die Wehmut der langjährigen Kundin. Im Hintergrund läuft ein Schlagerlied von Teddy Parker, das so gut zu dieser Kürschnerei passt: Vielen Dank für die schönen Jahre.

Helga Suppé erinnert sich: "Ich habe zufällig gesehen, dass ein Spielzeugladen in der Westermühlstraße ausgeräumt wurde." Das war 1963, lange bevor die erste U-Bahn durch München fuhr. Franz Beckenbauer kickte noch in der Bayern-Jugend und unweit von Pelzmoden Suppé trafen sich Münchner Singles im "Ball der einsamen Herzen".

Zwei Jahre lang arbeiteten Helga Suppé und ihr Mann Jochen da schon selbstständig, von zu Hause aus. Die eigene Werkstatt war der nächste Schritt. Sie Pelznäherin, er Kürschner, seit 1967 sogar Kürschnermeister. Ein Familienunternehmen, in dem die Kinder über den Werkstattboden robbten und eine Generation später deren Enkel.

Früher hatte München 100 Pelzwerkstätten – heute sind es zwölf

Allein in München gab es damals über 100 Pelzwerkstätten – heute sind es zwölf. Aktuell gebe es im ersten Lehrjahr nur noch drei Auszubildende, heißt es von der Kürschnerinnung. Deutschlandweit. In Städten wie München ist die Situation besonders schwierig: "Es kommt zu einer immer stärkeren Verdrängung von Handwerksbetrieben", beobachtet man bei der Handwerkskammer. Die Hinterhofwerkstatt verschwindet, es wird seltener gehämmert, gesägt und geschraubt – am Lärm eines Architektenbüros stören sich Nachbarn eben nicht.

Als Pelzmoden Suppé eröffnete, war das noch anders. Es war Wirtschaftswunderzeit. "Jede Frau wollte einen schwarzen Persianer, wenn sie an Allerheiligen auf den Friedhof ging." Bald kam statt dem Schafsfell der Nerzmantel in Mode. Die Preise stiegen, aber Deutschland konnte es sich leisten. Pelzkrägen für das Modehaus Konen, Mäntel und Jacken für Kunden in ganz München. Das Lieferauto, ein kleiner weißer Fiat 600, stand kaum noch still: im Herbst und Winter wegen der Aufträge, im Sommer wegen des Urlaubs. "Dann denkt niemand an den Pelz im Schrank – nur die Motten."

Bilder von leidenden Tieren veränderten den Ruf des Pelzes

Bis die Kritiker immer lauter wurden. Die großen Ketten verkauften jetzt auch Pelze und deren Felle kamen nicht von den Großhändlern am Umschlagplatz Frankfurt, sondern aus Nerzfarmen. Die Bilder von leidenden Tieren veränderten den Ruf des Pelzes. Deshalb arbeitete Pelzmoden Suppé in den 1980ern viele Außenmäntel nach innen um: "Hergeben wollten die Menschen ihren Pelz nicht, sie wollten ihn nur nicht mehr zeigen."

An der Lederjacke von Freddie Mercury – auch eine Tierhaut – störte sich dagegen niemand. Bis 1984 wohnte der Sänger in der Hans-Sachs-Straße. Das Glockenbachviertel, das bei der Werkstatteröffnung 1963 noch als "Glasscherbenviertel" galt, wurde hip – lange bevor Spinat-Avocado-Smoothies und Quinoa-Bowls die Cafés eroberten.

Handwerk im Glockenbachviertel wird nicht aussterben

Die Werkstatt der Suppés blieb. Genauso wie das Kürschnerhandwerk, das sich ebenfalls kaum verändert hat: Schnittmuster anlegen, Felle zerschneiden und so zusammensetzen, dass sich ein gleichmäßiges Bild ergibt. "Man sieht sofort, wenn auch nur ein einzelnes Stück nicht passt." Die einzelnen Schritte hatte Helga Suppé wohl schon hunderte Male umgesetzt. Eine Arbeit, die keine Maschine erledigen kann – echtes Handwerk eben.

56 Jahre lang hat sich der Stadtteil vor dem Schaufenster mit dem Schriftzug "Pelzmoden Suppé" verändert. An der nächsten Ecke gibt es eine Lederwerkstatt und gegenüber hat in diesem Jahr ein neuer Schuster aufgemacht. Das Handwerk im Glockenbachviertel wird also nicht aussterben, verliert aber eine seiner ältesten Werkstätten, wenn die Türglocke der Kürschnerei Suppé in diesem Monat das letzte Mal bimmelt.

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