"Wir lagern unsere Mülltüten schon auf dem Balkon": Ein Haus in München Laim versinkt im Abfall
Laim - Pappe, Restmüll, Essensreste, dazu weitere Abfälle aller Art, die frei herumfliegen: Seit etwa drei Wochen ist entlang des Käthe-Bauer-Weges in Laim kein einziger Müllwagen vorbeigefahren. Betroffen sind offenbar die Hausnummern 9 bis 21. "Wir lagern unsere Mülltüten auch schon auf dem Balkon zwischen. Das machen viele Nachbarn", sagt eine Anwohnerin.
Eine Situation, die ein wenig an die Bilder von 2008 aus Neapel erinnert, als stadtinterne Konflikte – auch mit der Camorra – dazu führten, dass die Straßen mit Müll überquollen. Die italienische Stadt versank damals regelrecht zwischen Müllsäcken. Hier am Käthe-Bauer-Weg geht es zwar nicht um eine ganze Stadt, aber doch immerhin um mehr als 100 Mietparteien, deren Müllhäuschen aus allen Nähten platzt, wie die Bilder eindrücklich zeigen. Und das mitten in München.
Ist eine Baustelle schuld? Aus diesem Haus in München wird kein Müll mehr abgeholt
Namentlich genannt werden will am Käthe-Bauer-Weg niemand. Auch fotografiert werden möchte keiner. Die Mieter haben Sorge, als Problemmacher zu gelten und ihr Mietverhältnis zum Eigentümer zu belasten – ein sehr spezielles München-Phänomen in Zeiten von hart umkämpften Mietwohnungen. Die meisten haben schon die Hausverwaltung kontaktiert. Die wiederum hat sich offenbar mit dem Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) in Verbindung gesetzt.

Die Reaktion? "Mir hat die Verwaltung gesagt, dass der AWM nicht erreichbar war", sagt ein Mieter. "Ich habe gehört, die Antwort sei gewesen, dass eine Baustelle schuld sei. Wegen ihr ist nämlich die Hauptzufahrt zum Käthe-Bauer-Weg versperrt", sagt der andere – was eigentlich Unsinn sei, da die Behälter der Wertstoffinsel in der Nähe regelmäßig entleert worden wären, mit LKW, die schließlich ähnliche Ausmaße hätten wie die Müllautos.
"Sorge, dass wir einen Rattenbefall haben": Mülltonnen im Käthe-Bauer-Weg werden nicht geleert
Tatsächlich wird quasi vor der Haustüre gebaut – und zwar noch jahrelang. Für die Tram-Westtangente müssen Bäume gefällt werden. Daher ist eine Totalsperre eingerichtet am Käthe-Bauer-Weg, dort, wo man zur Fürstenrieder Straße abbiegen kann – oder eben von dort aus derzeit nicht mehr einfahren kann. Auch Müllwagen können das also nicht. Aber zwei Straßen weiter nördlich gäbe es grundsätzlich einen Zugang Richtung Käthe-Bauer-Weg.

Die Sorge unter den Anwohnern ist jedenfalls groß. "Zum Glück ist es nicht Sommer", sagt einer der Nachbarn, "der Gestank würde sich bei wärmeren Temperaturen in der ganzen Gegend ausbreiten." Eine junge Frau macht das Beste aus der Situation. Sie erträgt den Müllberg nicht mehr. "Ich fahre jetzt für ein paar Tage in den Urlaub und hoffe, dass sich die Lage danach gebessert hat", erzählt sie der AZ. Und: "Ich habe große Sorge, dass wir irgendwann einen Ratten- und Taubenbefall haben", sagt die 30-Jährige, zumal eine ältere Dame aus der Nachbarschaft zusätzlich auch noch Tauben gezielt füttere.
Der Münchner Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) beklagt fehlende Wendemöglichkeiten
So jung wie sie sei hier kaum jemand. Die meisten Nachbarn sind Rentner, sagt sie. "Vor allem die Senioren wissen nicht mehr, wohin mit den Abfallbergen. In dem Alter ist man ja nicht mehr so mobil", sagt sie. Eine weitere junge Anwohnerin flüchtet sich in die Ferne. Der Kurzurlaub sei schon länger geplant, ist aber auch für sie eine gute Gelegenheit, diese vermüllten Tage zu überbrücken, sagt sie.
Die AZ fragt nach beim AWM. Die Antwort: Die Baustelle und die Sperrung der Hauptzufahrt seien schuld. Müllautos hätten dort keine Wendemöglichkeit, wenn sie das Müllhaus am Käthe-Bauer-Weg zwei Querstraßen weiter anfahren. Deshalb könnten sie seit der Sperre gar nicht mehr zum Käthe-Bauer-Weg fahren.
Der AWM will nun prüfen, ob "kurzfristig alternative Möglichkeiten umgesetzt werden können"
"Eine Möglichkeit zur Vermeidung der Situation hätte beispielsweise die Einrichtung von Halteverbotsschildern am Kärntner Platz sein können, um der Müllabfuhr eine Wendemöglichkeit zu schaffen", schreibt der AWM. Und schiebt dann die Schuld weiter an die städtischen Referate: "Es scheint, als sei dies während der Baustellenplanung vernachlässigt worden", schreibt der AWM.
Bis Ende Februar werde die Zufahrt zum Käthe-Bauer-Weg über die Fürstenrieder Straße gesperrt sein. Bis dahin werde der AWM baldmöglichst prüfen, "ob kurzfristig alternative Möglichkeiten umgesetzt werden können. Beispielsweise könnte der Käthe-Bauer-Weg mit entsprechender Straßensperrung entweder rückwärts angefahren oder vorübergehend ein kleineres Müllfahrzeug eingesetzt werden."
Den Anwohnern empfiehlt der AWM derweil, den Müll in reißfeste 70- oder 80-Liter-Säcke zu stecken und gut verschlossen neben die Tonnen zu stellen. "Um Rattenbefall vorzubeugen, wird empfohlen, keine unverpackten Essensreste neben oder auf den Tonnen zu verteilen", schreibt der AWM. Eine andere schnelle Lösung hat auch er offenbar nicht parat.
Update: Nach dem AZ-Bericht hat der AWM am Donnerstag mitgeteilt, dass ihr Einsammeldienst der Käthe-Bauer-Weg "aufgrund der Ausnahmesituation außerplanmäßig angefahren" hat und "das gesamte Tonnenhaus geleert" hat.