Bürosiedlung im Werksviertel: Rhenania-Villa wird eingekastelt
München – Die Fenster teils vernagelt, die Wände beschmiert, die Fassade ergraut – die alte Villa an der Friedenstraße 22 hinter dem Ostbahnhof hat schon einmal besser ausgesehen.
Der neuklassizistische "zweigeschossige Walmdachbau mit Pilastergliederung" und einem Merkur-Relief über dem Eingang stammt von etwa 1920, so steht es in der Denkmalliste. Erbaut wurde das Haus aber schon 1871 als Lagergebäude. Dann war die Villa Verwaltungsgebäude der Transportfirma Firma Rhenania. Zuletzt allerdings wurde hier vor allem gefeiert, bis 2018 war hier 30 Jahre lang das "Loft" als beliebte Party- und Event-Location zuhause.
Die Rhenania-Villa ist denkmalgeschützt
"Dementsprechend sieht es aus", sagt Moritz Eulberg von der R&S Immobilienmanagement GmbH. Die ist eine hundertprozentige Tochter des Elektronikkonzerns Rohde & Schwarz und hat nun andere Pläne für das Areal. Für die denkmalgeschützte Villa, die nun saniert werden muss und für das Areal drumherum.
Auf dem länglichen Grundstück, das von der Friedenstraße bis zur Grafinger Straße und Ampfingstraße reicht, entsteht ein Gewerbestandort, der sogenannte I-Campus als Teil des neuen Werksviertels. 110.000 Quadratmeter Geschossfläche insgesamt, verteilt auf sieben Gebäude, die schon im Bau sind. Diese bekommen alle Namen. Das Ensemble um die alte Villa heißt Rhenania, dahinter entstehen in einer Reihe die Gebäude Gamma, Beta, Alpha, Delta, Epsilon und das Plaza.
In allen sind Büro- und Gewerbeflächen vorgesehen, je nach Gebäude ausgestattet mit Tiefgaragen inklusive Stellplätzen für E-Autos, Fahrradräumen mit Umkleiden und Duschen, Loftbüros, Terrassen und Dachterrassen. Die Agentur Serviceplan wird hier beispielsweise einziehen.

Verpflegung, Fitness, Hotels - und die Boulderwelt
Im Plaza zur Grafinger Straße hin ist neben Büros ein Nahversorgungszentrum geplant. Hier ziehen Lidl, Rewe, Vinzenzmurr und dm ein; außerdem ein Fitnessstudio und zwei Hotels. Ein eher günstiges "Moxy Hotel" und ein "Residence Inn", das sich etwa an Geschäftsreisende richtet, die für mehrere Wochen bleiben. Und in die obersten Geschosse zieht die Boulderwelt München-Ost.
Es gab zwei Planungswettbewerbe für den I-Campus und für die alte Rhenania-Villa und die Neubauten drumherum. Für Letztere wurden mit Henn Architekten für die Neubauten und Landau+Kindlbacher für die Sanierung der Villa auch Münchner Büros gewonnen.

In der Villa seien nicht mehr die originalen Fenster, außerdem von der Party-Nutzung ein Metallboden, erklärt Eulberg. Dennoch ist das Haus denkmalgeschützt, das muss berücksichtigt werden.
Für die Rhenania-Villa gibt es noch keinen Mieter
Sowohl Altbau als auch die Neubauten des Rhenania-Komplexes sein noch nicht vermietet, heißt es. "Für den Altbau wünschen wir uns etwas lebendiges – Gastronomie, Flagship-Stores oder so etwas", sagt Eulberg. Mit einer Bürovermietung könne man sicher mehr einnehmen, aber "durch die Leute entsteht Leben und das ist uns mehr wert", betont er. Dazu gebe es genug negative Beispiele, so Eulberg, der Arnulfpark oder die Parkstadt Schwabing "sind ja schon sehr tot." R&S, so erklärt er, sei zwar ein Immobilienentwickler, verkaufe die Objekte aber nicht weiter, sondern verwalte sie selbst.
Mitte 2022 will man fertig sein, es gebe aber noch kein fertiges Konzept. "Wir sind noch in der Findungsphase", sagt Eulberg. Erst einmal habe man eine Büronutzung beantragt, "das heißt aber nicht, dass das so kommt", beteuert Eulberg.
Das würde sich auch nicht mit den Wünschen des Bezirksausschusses Berg am Laim decken: "Die Neubauten tragen wir mit, die Villa hätten wir gerne weiter öffentlich genutzt", sagt BA-Chef Robert Kulzer (SPD) zur AZ. Das müsse nicht zwangsläufig subventionierte Kultur, sondern könne genausogut Gastronomie sein.
Ein Problem hat die Villa: mangelnde Barrierefreiheit
In gut zwei Wochen trifft sich der BA mit R&S, dann werde man mehr wissen. Dass das Unternehmen einer öffentlichen Nutzung positiv gegenüber steht, freut den BA schon einmal. "Das ist ja die Grundvoraussetzung, was der Eigentümer sich vorstellen kann", so Robert Kulzer.
Ein Problem gibt es aber: die mangelnde Barrierefreiheit der Villa. Einen Aufzug erlaube der Denkmalschutz nicht, heißt es. "Ursprünglich war unsere erste Idee eine Restaurant- oder Gastronomie-Nutzung", sagt Eulberg. "Wir haben uns aber deshalb schon von vielen Gastronomen eine Abfuhr geholt."
BA-Chef Kulzer bleibt zuversichtlich: "Es gibt genug Baudenkmäler, die neu genutzt wurden." Im Mai kommen nun erst einmal die Bagger für die Flächen rund um die Villa.
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Paul-Heyse-Villa, Maxvorstadt

Jahrelang wurde um die Villa an der Luisenstraße gestritten. Der Dichter Paul Heyse wohnte hier von 1830 bis 1914. Gottfried von Neureuther baute das zweigeschossige Haus 1873 /74 im Stil der Neurenaissance, auch Teile des Vorgängerbaus aus dem Biedermeier bezog er mit ein. Der neue Besitzer wollte das Haus trotz seiner Geschichte abreißen und ein fünfstöckiges Gebäude errichten. Es folgten teils massive Proteste, 5.000 Unterschriften wurden gesammelt. Seit 2013 hatten Anwohner Behörden, Bezirksausschuss und Eigentümer gestritten. Der Besitzer wechselte noch einmal, und einigte sich 2017 mit der Stadt auf einen Vergleich.
Glockengießer-Villa, Laim

An der Mitterhoferstraße in Laim wurden einst die Glocken für das Münchner Glockenspiel gegossen. Die Werkstatt der ehemaligen Gießerei Oberascher steht auch noch und genießt mittlerweile Denkmalschutz. Doch die benachbarte Fabrikantenvilla wurde 2017 abgerissen. Sie war zu dem Zeitpunkt über 100 Jahre alt, bekam aber keinen Denkmalschutz. Der BA setzte sich für das Gebäude ein – vergeblich.
Walmdachvilla Kolbergerstraße, Bogenhausen

Der Kampf um dieses Haus war besonders laut: Mit Petitionen kämpften Anwohner um den Erhalt der Walmdachvilla im Herzogpark in Bogenhausen. Die wurde 1923 von Joseph Kaiser erbaut, hatte einen Wintergarten und mehrere Erker. Im großen Garten stand sogar ein gemauerter Hühnerstall aus der Entstehungszeit. Die Villa überstand den Krieg unbeschadet und war seit 1973 denkmalgeschützt. Danach wurde allerdings im Inneren umgebaut mit Genehmigung des Denkmalamtes. Als der neue Eigentümer, ein Immobilienunternehmen, 2013 den Denkmalstatus überprüfen ließ, wurde dieser aberkannt. Dagegen formierte sich eine Bürgerinitiative, es gab Petitionen und Kundgebungen, auch mit Unterstützung des BAs. Es kam zunächst zu einem Abrissverbot, das Haus wurde wieder auf die Denkmalliste gesetzt. Der Eigentümer jedoch zog vor das Verwaltungsgericht und bekam recht. Die Stadt verzichtete 2015 auf eine Berufung. Die Villa wurde abgerissen.
Zehentbauer-Villa, Feldmoching

Ein Künstlerhaus mit Atelierbau, mit Efeu bewachsen und von einem großen Garten umgeben. Das Haus des Münchner Bildhauers und Krippenbauers Otto Zehentbauer in der Lerchenauer Straße 206 galt als ältestes Haus in der Lerchenau. Die Stiftung der Raiffeisenbank Nord hatte es 2014 erworben und wollte eine Bankfiliale errichten. Der Bürgerverein Lerchenau appellierte per Onlinepetition, die 1913 erbaute Villa an einen Interessenten weiterzuverkaufen, der sie erhalten und das Atelier der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Der Bezirksausschuss bat um Prüfung der Denkmalwürdigkeit. Doch vergeblich. Im Januar 2017 rückten die Bagger an.
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